[ Abends zu zweit ]

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Ich erwiederte das Nicken des Portiers, der mir die Tür aufhielt.

Ich fühlte mich wie ein Ninja. Infolgedessen das ich mich Abends aus dem Hotelzimmer schlich, wo ebenfalls mein kleiner Bruder die Tage mit mir verbrachte.
Er schnarchte. Laut.

Doch das war nicht der Grund warum ich vier Stunden vor der Geisterstunde herum, in Venedig, durch die endlosen Hotelgänge lief.

Aus meinem Zimmer hatte ich lediglich meine gefütterte Jeansjacke geholt, und über meine bequemen Klamotten gezogen.
Meine Haare waren trotz des Zopfes bereits in allen Himmelsrichtungen.

Ich brauchte eine Pause von diesem verfluchten Hotel.
Dieser verfluchten Familie.
Und diesen verfluchten Geschäftsreisen die mein Vater tätigte, nur um uns dann auf einen Urlaub mitzunehmen.

Vor Erleichterung stöhnte ich auf als die kalte Luft mein blasse Gesicht traf.
Ich lief los.

Ich würde nun einfach diesen Kanal entlanglaufen, und warten bis es so Stockfinster war, das ich zurücklaufen würde, und dann-
"Weißt du, ich war nie ein besonders hoffnungsvoller Mensch"

Die Stimme ließ mich innehalten.
Er sprach leise, doch trotz des brausenden Windes hatte ich keine Schwierigkeiten ihn zu verstehen.

Es war der junge Mann von gestern.
Er sah keinen Tag älter als Vierundzwanzig aus.
Seine dunklen Locken umschmeichelten sein Gesicht, doch es waren kurze Locken.
Nie hatte ich ihm groß Beachtung geschenkt, immerhin war ich nicht daran interessiert auf Reisen wie diesen, Freundschaften zu knüpfen die sich später im Sand verlaufen.
Generell, ich hatte meinen kleinen Bruder, das genügte mir.

Wie in Zeitlupe drehte ich mich zu ihm um, während seine Worte von neulich in meinem Gedächtnis schallten.
"Falls du doch möchtest, und es dir hier zu öde ist - treffe mich morgen vor der Brücke des Kanals, direkt vor unserem Hotel, bei Sonnenuntergang"

Shisui lehnte direkt neben dem Haupteingang des Hotels, mit bodenlangen schwarzen Mantel und einem flauschigen Schal, den er gestern schon getragen hatte.

Ich konnte nicht einschätzen was er wollte.
Als er mich gestern beim Abendessen durchgehend angesehen hatte, hatte ich ihn ignoriert. Das er mich jedoch nur wenige Minuten später anspricht, das hätte ich nicht erwartet.

Er schien so offen, und doch so verschlossen.
Andere Menschen, wie mein kleinen Bruder, denen konnte man das Vorhaben von den Augen ablesen.
Mich persönlich konnte man nicht wie ein offenes Buch lesen. Und so soll es auch bleiben.

Doch jetzt, wo Shisui direkt vor mir stand, machte mein Herz einen Satz.
Es war ein kleiner Schock ihn von so nah zu sehen.
Seine dunklen Haare hatten einen hellen schimmer, seine Augen funkelten in einem tiefen Nachtschwarz in seinem perfekten alabasterweißen Gesicht.
Der einzige Makel war seine etwas zu breite Nase.

"Man sagt das man später verstehen wird, wie Hoffnung das einzige ist was uns aufstehen lässt" fuhr er fort und lächelte mich schief an.

Ein hübsches Gesicht war auch nicht mehr als eine schöne Fassade.

Immer noch hatte ich keine Ahnung was er von mir wollte.

Wahrscheinlich gab ihm die Vorstellung fremden Leuten einen grausamen Urlaub zu bereiten einen Kick.
Denn wenn er weiter redet, dann hatte er dies erfolgreich geschafft.

Oder, er hatte tatsächlich nur, so wie er es mir damals sagte, Langeweile.
Aber das war nicht mein Problem.

Mit beiden Händen strich ich meine widerspenstigen Haare aus dem Gesicht.
"Ich hatte schon fast vergessen wie du aussiehst" sagte ich mit einem schnauben.
"Aber dein Geschwafel lässt keine Zweifel übrig: du bist es"

🍋 Shiita OneShots 🍋Where stories live. Discover now