31. Kapitel - Verändert

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In meinen Ohren hörte ich ein Piepen, das nicht weichen wollte. Zwar wurde es stetig leiser, doch noch bevor es gänzlich verschwunden war, nahm ich meinen Blick vom toten Michal. Auf seiner Stirn klaffte die Schusswunde und seitlich auf seinem Rücken lag er da. Seine Augen waren offen und starrten leblos in meine Richtung.
Augen, die nicht blinzelten, waren etwas Seltsames, doch mit meinen zurückgekehrten Erinnerungen waren auch all jene wiedergekommen, die ich gerne verdrängt hätte. Seine ganze Kindheit beim Rechten Arm zu verbringen, ständig mit Wicked im Krieg zu stehen, sorgte eben nicht nur für liebliche Erinnerungen.

Tote Menschen sind nichts Erschreckendes mehr für mich...

Michals Schlag gegen die Wand mit meinem Kopf hatte noch die letzte Gehirnzelle angeregt. Die Wucht des Aufpralls sandte immer noch Wellen von Schmerz durch meine Schädeldecke, doch ich zwang mich, die unangenehme Empfindung zu ignorieren. Jetzt schwirrten allerlei Erinnerungen in meinem Kopf umher, aber ich schob sie in den Hintergrund, konzentrierte mich auf die Gegenwart.
Ich hatte gerade einen Menschen getötet. Ein Akt, den ich in meinem Leben schon oft ausgeführt hatte. Auch wenn es für mich nichts Neues war, schienen zumindest zwei von den weiteren drei Anwesenden schockiert zu sein.
Liv hielt sich ihre eine Hand gegen die Brust, ihr Atem ging schneller, und sie schien überfordert zu sein. Zum einen, da sie gedacht haben müsste, dass Michal mich getötet hätte, und zum anderen, da ich absolut nicht bekümmert war. Schulterzuckend wandte ich mich von ihr ab, steckte den Revolver in den Bund meiner Hose und kniete mich in den Sand. Der grobkörnige Untergrund fühlte sich heiß an meinen Knien an, als ich mich über den leblosen Körper beugte und begann, den Toten zu durchsuchen. Brenda und Thomas näherten sich langsam, ihre Gesichter gezeichnet von Erschöpfung und Sorge.
Zuerst fand ich die zweite Waffe, die Michal bei sich geführt hatte, dazu ein volles Magazin. Meine Finger schlossen sich fest um den warmen Metallgriff der Waffe. Ich steckte sie ein, setzte meine Suche fort.
Folgend entdeckte ich einen Schlüssel, abgenutzt und vermutlich von Bedeutung, in Michals rechter Hosentasche. Ich warf ihn auf den staubigen Boden, wo er mit einem dumpfen Klang aufkam und seine Bedeutung sofort verlor.
Schlussendlich stieß ich auf ein Messer, das zwischen den Kleidungsstücken des Toten verborgen lag. Ein schwarzes Klappmesser, dessen Klinge im starken Licht der Wüstensonne glänzte. Es war perfekt für ein wichtiges Vorhaben.
"Geht es euch gut?", fragte Thomas, seine Stimme klang aufgebracht und panisch. Die beiden waren endlich bei uns angekommen. Sie schienen eine ebenfalls aufregende Reise hinter sich zu haben, nachdem sie aus einem explodierenden Gebäude geflohen waren, denn ihre Gesichter spiegelten die Strapazen wider, die sie durchgemacht hatten.
Kurz huschten meine Augen zu Brenda, die müde aussah, ihre Augen jedoch musterten mich neugierig. Irgendwie hatte ich das unbehagliche Gefühl, als ob sie mir direkt in die Seele blicken konnte. Wir beide waren in der Brandwüste aufgewachsen und hatten eine ungewöhnliche Resilienz entwickelt. Anders als Thomas schien Brenda wenig von der aktuellen Situation mitgenommen zu sein.
Thomas hingegen wirkte sichtlich schockiert, und erneut erinnerte ich mich daran, dass ich ihn erst vor etwas mehr als einer Woche kennengelernt hatte. Es war schwer, das zu verinnerlichen, denn die Ereignisse der vergangenen Tage hatten meine Realität so drastisch verändert, dass ich glaubte, bereits Monate in der Brandwüste zu sein.
Immer wieder musste ich mir ins Gedächtnis rufen, dass ich noch vor kurzem auf einer Lichtung gewesen war, umgeben von Mauern. Doch nun fühlte sich diese Zeit wie ein flüchtiger Traum an, der sich auflöste, sobald man versuchte, ihn zu fassen.
Kurz hatte mir das Schicksal die Möglichkeit geboten, ein fast normales Leben zu führen. Ich hatte die Schrecken dieser Welt für einen Augenblick vergessen können und hatte es genossen. Freunde zu finden und die Last der ständigen Gefahr abzulegen, war wie ein Balsam für meine Seele gewesen. Die Momente des Friedens hatten mich ermutigt, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass das Leben mehr zu bieten hatte als bloßes Überleben. Doch ich wusste, dass ich es nicht anders kannte; das Überleben war schon immer mein ständiger Begleiter gewesen.

Die Ewigkeit einer verdammten Reise | Newt Ff / Teil 2 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt