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Der verwahrloste Garten von Lauras Großmutter war ein Segen, denn das verwilderte Gebüsch bot einen sehr guten Sichtschutz. Die Einfahrt des Nachbarhauses, wo die tratschende, blonde Frau mit ihrer Familie wohnte, war leer. Dort schien tatsächlich niemand zuhause zu sein. Aus dem Haus auf der anderen Seite war ohrenbetäubend laute, blecherne Metalmusik zu hören. Es hörte sich nach Rammstein an.

Nicole zog einen Packen Latexhandschuhe aus ihrer kleinen Umhängetasche. 

„Wir sollten vorsichtshalber keine Fingerabdrücke hinterlassen."

„Sieht fast so aus, als würdest du so etwas nicht zum ersten mal machen", stellte ich fest. Wer weiß, vielleicht war das wirklich so.

„Ich schätze, um gar keine Spuren zu hinterlassen, brauchen wir einen Ganzkörperanzug oder etwas in der Art", meinte Stefan und streifte sich die Handschuhe gekonnt über. Na toll, wozu hat er das jetzt gesagt?

Er holte das selbstgebastelte Einbruchswerkzeug aus seiner Hosentasche und steckte erst die geknickte Haarnadel ins Schlüsselloch und dann auch die andere, mit der er im Schloss herumzufummeln begann. Ich hatte keinen Zweifel mehr daran, dass er genau wusste, wie das ging. Hätte mich nun auch nicht mehr gewundert, wenn er ein Auto knacken könnte. Ich versuchte mich zu erinnern, ob es diesbezüglich auch irgendein Erlebnis in unserer Vergangenheit gab. Aber den neuen, teuren Porsche von Max' älterem Bruder hatten Max, Stefan und Robin vor knapp 15 Jahren doch mithilfe des Autoschlüssels ausgeliehen und beinahe zu Schrott gefahren. 

Die Minuten vergingen, während Stefan am Schloss herumfuhrwerkte und ich und Nicole uns immer wieder umsahen, ob nicht doch jemand den Bürgersteig entlanglief und uns sah.

„Warum dauert das so lange?", raunte Nicole ungeduldig. „Wenn das so weitergeht, kommen wir da nie rein!"
„Dann machs doch besser, verdammt!", zischte Stefan zurück. Seine Finger zitterten leicht und auf seiner Oberlippe und seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet.

„Vielleicht ist das das Zeichen, dass wir verschwinden sollten", meinte ich, doch niemand beachtete mich.

Nach ein paar weiteren, quälend langen Minuten hörte man jedoch ein Klicken, als Stefan die untere Haarklammer herumdrehte und das Schloss sich tatsächlich öffnen ließ. Er atmete erleichtert auf und wischte sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn. So schnell wie möglich glitten wir ins Hausinnere und schlossen leise die Tür hinter uns.

Im Haus herrschte finstere Dunkelheit, da sämtliche Vorhänge zugezogen waren. Das spärliche Licht, das doch durch den ein oder anderen Spalt hereinfiel, nützte nicht besonders viel und das Deckenlicht anzumachen kam nicht in Frage, da man es von draußen sehen würde. Doch wir hatten auch daran gedacht und waren mit zwei Taschenlampen ausgestattet. Nicole knipste eine davon an und richtete den Strahl nach unten, damit er durchs Fenster nicht so leicht gesehen werden konnte.

Es roch abgestanden nach Staub. An der Garderobe im Eingangsbereich hing ein typischer, alter Omamantel und einige klobige, altmodische Schuhe standen herum. 

Leise, als fürchteten wir, dass uns jemand hören könnte, obwohl das Haus offensichtlich leer war, schlichen wir durch das Erdgeschoss. Hier befanden sich das Wohnzimmer, die Küche, das Bad und das Schlafzimmer von Lauras Großmutter. Scheinbar hatte man bereits mit dem Entrümpeln begonnen, denn es standen hier und da vollgepackte Umzugskartons herum. Das verringerte natürlich unsere Erfolgsaussichten.

„Lauras Zimmer war im Dachgeschoss, oder?", flüsterte Nicole. „Ich denke, dass wir dort eher fündig werden."
Ich hatte eher das Gefühl, dass wir völlig umsonst hier waren. 

„Wahrscheinlich existiert dieses Tagebuch überhaupt nicht. Katrin kann ja viel erzählen, wenn der Tag lang ist. Sie war und ist eine falsche Schlange", sprach Stefan mehr oder weniger meinen Gedanken aus.

Die Nacht im MaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt