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„Was?", murmelte meine Freundin verschlafen und streckte ihren Kopf aus den Kissen hervor. Sofort sprang ich zu ihr ins Bett und presste ihr meine Hand auf den Mund.

„Psst! Sonst hört er uns noch!", zischte ich so leise ich konnte, während ich angespannt auf die Geräusche auf dem Flur lauschte. Mein rasendes Herz machte es schwierig, aber nach einigen Minuten war ich mir sicher, dass George vorbei sein musste.
Erschöpft ließ ich die Arme sinken.

Maddie räusperte sich. Ich hatte fast schon wieder vergessen, dass ich ihr eine Erklärung schuldig war. Zunächst zögerte ich noch. Ich hatte meine Probleme nie mit irgendwem außer Mistel besprechen können. Und ich hatte so gar keine Erfahrung mit Jungs und Gefühlen und -
Maddie schlug ihre Decke zurück und klopfte auf die freie Stelle neben sich. „Na los", forderte sie mitfühlend. „Was hat er gemacht?"

„Er?"

„Vor wem solltest du so fliehen, wenn nicht George?"

Ertappt kroch ich unter die Decke.
Und dann sprudelten meine Sorgen nur so aus mir heraus.
Was, wenn George wirklich nur mein Geld wollte? Zuerst war ich nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Immerhin hatte ich wirklich ihre Geschäfte angekurbelt, aber als ihm klar geworden war, dass ich mehr als genug Geld besaß - wer konnte mit Sicherheit sagen, dass seine Pläne sich da nicht geändert hatten?

Ich erzählte davon, dass der Liebestrank früher aufgehört hatte zu wirken, als wir gedacht hatten und schließlich gestand ich, dass ich zugegeben hatte, dass ich ihn mochte. Aber er hatte nie etwas vergleichbares gesagt.

Maddie fuhr mir plötzlich mit der Hand mitten durchs Gesicht. „Du magst ihn wirklich, oder?"

Ich zog mir die Decke bis über die Nase, ehe ich einmal schnell nickte.

„Was genau magst du an ihm?"

Mein Herz hüpfte bei dem Gedanken an all die kleinen Dinge. Er sah gut aus, natürlich, aber das war es nicht mal. Wie motiviert sie waren, wenn es um ihre Geschäfte ging. Die Kreativität, die hinter allen ihren Erfindungen steckte. Wie sie trotzdem durch kein Fach durchfielen, obwohl sie nicht eine Minute im Unterricht aufpassten.

Er hatte für mich gelogen, als ihm klar geworden war, dass ich meine Gefühle noch immer auf den Liebestrank geschoben hatte. Anstatt mich vor den Kopf zu stoßen und zu sagen, dass die Gefühle echt waren. Er hatte gesehen, dass ich nicht dazu bereit gewesen war.

Ich dachte an den Abend, als er neben mir geschlafen hatte und mir Geschichten über seine Familie erzählt hatte, um mich von meinen Albträumen abzulenken.

„Wow, dich hats ja ganz schön erwischt." Maddie ließ sich neben mich fallen und rollte sich in ihrer Hälfte der Decke ein.

„Ich hab Angst bekommen, als ich eben ihn und seine Mutter belauscht hab. Molly hat ihm vorgeworfen, nur für mein Geld hinter mir her zu sein. Irgendwie. Ich weiß auch nicht. Wusstest du, dass die Zwillinge darüber reden, einen eigenen Laden auf zu machen?"

„Echt? Hat er dir das gesagt?"

„Seine Mutter hat die beiden wohl über Kredite und Anzahlungen für einen Laden reden gehört."

Maddie versuchte einen Pfiff auszustoßen, zischte stattdessen aber nur ein paar mal, bis wir beide kicherten. „Wenn man sie nur so nebenbei beachtet, würde man nie denken, dass die Zwillinge so ernst sein können." Wir starrten an die Decke, beide in Gedanken versunken, als Maddie sich wieder aufrichtete. „Hat er dich denn jemals um irgendwas gebeten? Ich meine nicht nur Geld. Irgendwas?"

Ich musste zugeben, das hatte er nicht. Im Gegenteil. Er hatte alles abgelehnt, was ich aus Dankbarkeit für ihn hatte tun wollen.

„Dann würde ich ihm erstmal keine schlechten Absichten unterstellen. Und wenn er doch noch um Geld bettelt, dann lass ich mir von meiner Schwester zeigen, wie man einen Schläger schwingt und jage ihn wie einen Klatscher durch ganz Hogwarts, okay?"

Bei der Vorstellung musste ich mir die Decke auf den Mund pressen, um mit meinem Lachen nicht doch noch jemanden zu wecken. „In Ordnung."

*

Wie so oft war ich die erste, die aufwachte. Verschlafen rollte ich mich aus Maddies Bett und schlich auf Zehenspitzen in mein Zimmer. Aus dem Zimmer nebenan war nichts zu hören.

George musste noch schlafen. Natürlich. Warum auch nicht? Er war sehr lange wach gewesen. Ohne darüber nachzudenken trugen mich meine Füße zu der Wand, die unsere Zimmer trennte.
Ich legte erst eine, dann die andere Hand dagegen, ehe ich vorsichtig mein Ohr an die Tapete drückte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Zimmer magisch zu isolieren, da wir nie so viele Gäste geplant hatten. Ich hielt den Atem an, um möglichst wenig Geräusche selber zu machen.

„Camille?"

Ertappt stolperte ich über meine eigenen Füße und musste mich an den Bettpfosten klammern, um nicht weiter durchs Zimmer zu taumeln und am Ende noch mehr Lärm zu machen.

Mistel blinzelte mit ihren großen Augen zu mir hoch. „Ich habe ein Bad eingelassen", sagte sie, aber die Fältchen im Augenwinkel verrieten, wie schwer es ihr fiel, nicht breit von einem bis zum anderen Ohr zu grinsen.

„Du darfst niemandem davon erzählen!", flehte ich sie an und war drauf und dran auf die Knie zu sinken.

Sie presste ihre schmalen Lippen zusammen, ehe sie mit flötendem Tonfall fortfuhr. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich soll niemandem erzählen, dass du morgens gerne badest? Daran ist nichts schlechtes. Hygiene ist etwas sehr vorbildliches."

„Mistel!"

Plopp. Mit einem Lachen war sie verschwunden.

Ich verbrachte eine unerhört lange Zeit in der Badewanne, ehe ich mich zum Frühstück setzte.
Arthur und Molly saßen bereits in den dicken, roten Morgenmänteln beim Frühstück und lachten und scherzten über irgendetwas, dass in einer der vielen Zeitungen stand.

„Ah, guten Morgen, Liebes", begrüßte Molly mich überschwänglich. „Ich habe noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, dir zu danken. Das hier ist - das alles ist viel zu viel!"

Ich drückte ihre Hand, die sie mir quer über den Tisch entgegen streckte. „Nicht doch! Sie und ihre ganze Familie haben mir das Leben gerettet. Ihnen erholsame Feiertage zu spendieren, ist doch das mindeste, was ich tun kann."

Ich musste wieder an ihre Worte denken und ließ ihre Hand los. Für sie war das hier eine fremde Welt. So herzlich sie war, sie sah diese Mauer zwischen denen und ihnen. Und ich stand auf der falschen Seite.

Ein tiefer Atemzug und ich verdrängte das Gefühl, während ich Toast mit Honig und Marmelade aß und gemeinsam mit Arthur über den neuen Vertreter der in seiner Abteilung lachte. Edgar Evernever. Arthur hatte den Mann auf einem der Fotos gefunden, dass meine Eltern aufgehängt hatten. Er war auf einer ihrer Missionen in der Schweiz dabei gewesen. Ich hatte ihn kennengelernt und in etwa die gleichen Kotzgeräusche gemacht, die Ginny zu Beginn des Schuljahres gemacht hatte, wann immer die Zwillinge in unsere Nähe gekommen waren.
Molly ermahnte uns, so nicht über einen wichtigen Mann zu reden. Sie wusste ja nicht, was ich wusste. Nämlich dass Edgar nur deshalb in so hohe Positionen kam, weil er das Geld seiner Eltern mit beiden Händen ausgab.

Das Frühstück in meinem Magen wog plötzlich eine Tonne. Oh. Jetzt verstand ich, wie Molly Weasley mich sehen musste. Ich war in ihren Augen auch nur ein Kind, das das Geld ihrer Eltern ausgab.


Weasleys, Pranks and other CursesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt