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Wir waren von einem Kamin zum nächsten gerannt und ich hatte aufpassen müssen, dass ich noch genug Luft bekam, um die Adressen deutlich genug zu rufen. Als wir endlich aus dem Kamin am Zielort heraus kamen, hing Maddie verzweifelt an Fred und George hatte ihn nur noch am Jackenärmel. Das war knapp gewesen.

Hustend und röchelnd traten wir in das kleine Holzhäuschen. Es gab nichts außer einem runden Tisch mit zwei Stühlen und ein Bettrahmen ohne Matratze.

„Wo sind wir?" George wischte sich Ruß aus dem Gesicht.

„Norwegen." Ich öffnete die Tür hinaus und eisige Winterluft schlug uns entgegen. „Kälter, als ich es in Erinnerung hatte."

Das grelle Licht reflektierte von einer feinen Schneeschicht zurück und wir mussten alle unsere Augen zusammen kneifen.

„Das hier war das Zuhause eines alten Mannes, den Ellen und ich oft genug genervt haben. Ich bin nicht sicher, wie lustig er es fand, dass wir immer in seinem Garten gespielt haben." Ich trat hinaus und der knirschende Schnee unter meinen Füßen weckte seltsame Erinnerungen.

„Er ist in die Stadt zu seinen Verwandten gezogen, aber er hat mir bei meinem letzten Besuch erlaubt, ab und an mal vorbei zu kommen."

„Wie lange ist das her? Hundert Jahre?" George fischte eine Spinnenwebe aus Maddies Haar, bevor sie es bemerken konnte.

„Nicht ganz." Ich brauchte einen Augenblick um mich zu orientieren. „Ich hatte eigentlich geplant, das wir vernünftig in einem der Camps hier ankommen. Von dort aus hätten wir einen befestigten Weg zu den Ruinen nehmen können. Sorry für die Wandertour."

Die eisige Luft brannte in meinen gereizten Lungen und ich war dankbar, dass ich auf George gehört hatte und nicht mitten in der Nacht aufgebrochen war. Auch wenn wir dann meinen Eltern nicht begegnet wären, hätten wir nach einer so ungemütlichen Nacht sicher mehr Probleme gehabt.

„Also", George schloss zu mir auf. „Das waren also deine Eltern. Meinst du, ich habe nen guten ersten Eindruck gemacht."

„Auf jeden Fall besser, als wenn sie uns heute früh in meinem Zimmer aufgesucht hätten."

Der Weg zur Ruine war umständlich und jetzt, da wir uns nicht offiziell anmelden konnten, musste auch noch über einen Umweg zu dem Grabmal schleichen. Es war nicht so, als wäre es strengstens bewacht -immerhin war der Hauptteil der Ruine zu einem Museum umfunktioniert worden - aber der Grabhügel, zu dem wir wollten, war aus offensichtlichen Gründen nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

„Da." Wir kauerten zu viert hinter einem umgefallenen Baum. „Seht ihr den Eingang zwischen den Baracken? Da müssen wir hin."

Über meinen Kopf hinweg grinsten sich die Weasley-Zwillinge an. „Überlass das uns."

„Ihr könnt nichts in die Luft jagen!", ermahnte ich sie.

„Hältst du uns für Amateure? Explosionen sind für Streiche. Einbrüche sind ne ganz andere Sache."

Die Zwillinge lotsten uns tatsächlich mit einer unglaublichen Raffinesse zwischen den Wachposten hindurch. Ich erinnerte mich, dass bei den Unterlagen, die ich gestohlen hatte, auch Skizzen der Umgebung hier waren, aber die waren vor Jahren entstanden. Seit dem waren Wachhäuschen und -patrouillen dazu gekommen. Und trotzdem schafften wir es irgendwie ungesehen bis zu der steinernen Tür.

Ich wollte gerade einen anderen Eingang vorschlagen, da schoben die Zwillinge sie schon auf. „War sie nicht verschlossen?", flüsterte ich, kaum das wir im Inneren waren.

„Seid wann halten uns Schlösser auf", grinsten die Zwillinge und schoben die Türen wieder zu.
Ich war mir ziemlich sicher, dass die Tür besonders gesichert gewesen sein musste. Da hatte ich die kriminelle Energie der Zwillinge wohl wirklich unterschätzt.

„Also wenn man mich so beerdigt", bemerkte Maddie, „dann werde ich alleine deshalb schon ein Geist, um die zu verfolgen, die das beschlossen haben."

Wir bahnten uns unseren Weg durch den vorderen Bereich, der eindeutig ausführlich untersucht worden war. Noch immer waren Teile abgesperrt und überall lag Werkzeug.

„Und hier bist du als Kind einfach so rein?", fragte George, der nie weiter als eine Armlänge von mir entfernt blieb.

„Respekt", stimmte Fred zu. „Sollen wir dich Camy Croft nennen?"

„Ich bevorzuge Camille Jones. Mir fehlt nur noch der Hut und die Peitsche", scherzte ich zurück, erntete aber ein ziemlich eindeutiges „Katschau" von Fred, der eine peitschende Geste zu seinem Bruder machte.

„Neidisch?", lachte George und ich drehte mich lieber schnell weg.

„Alsoooo." Maddie war für die Ablenkung von dem trostlosen Grab mehr als dankbar. „Ist es jetzt offiziell?"

„Schätze schon." Ich konnte das Grinsen kaum unterdrücken und wir kicherten wie zwei kleine Mädchen. „Du warst doch sicher auch an dem Plan beteiligt."

„Na aber hallo! Glaubst du, ohne mich hätten die Jungs auch nur irgendwas in die Richtung hingekriegt?"

Wahrscheinlich nicht. Dankbar stieß ich meine Freundin mit dem Ellbogen an.

„Aber sag mal." Maddie blieb stehen. „Irgendwas passt hier nicht zusammen."

Sofort schärften sich alle meine Sinne. „Was meinst du?" Ich folgte ihrem Blick, aber es sah fast genauso aus wie beim letzten Mal. Ein bisschen aufgeräumter durch die Archäologen.
„Ich meine die Pflanzen. Hier kommt kaum Licht rein, aber das da ist ein Windfarn. Die stehen auf direktes Sonnenlicht."

„Das hier war sowas wie das Kirchenschiff, richtig?" Fred kramte einen zerknüllten Zettel aus seiner Hosentasche. Seine Aufzeichnungen, die ich nie gelesen hatte, weil Maddies Entdeckung alles verändert hatte. „Auch wenn es so aussieht, als wären hier mal Fenster gewesen, wurden die von Anfang an so zugemauert gebaut. Also hat Maddie Recht, die Pflanze kann nicht hier gewachsen sein."

Anerkennend nickte ich ihm zu. „Halten wir die Augen offen, was uns noch auffällt." Ich konnte es mir nicht erklären. Der Farn war noch sehr klein und der einzige, den ich so spontan sehen konnte. Ein Zufall?

Wir hatten eine Menge kleiner Details gefunden, aber das meiste ergab keinen Sinn. Motive, die sich auf den meisten Bildern wiederholten, bis auf eines, wo auf einmal etwas verändert wurde. Bänke, die immer in genau dem gleichen Abstand von den Wänden angebracht waren, wieder bis auf eine.

„Es gibt immer einen Ausreißer." George spähte über die Barrikade, die uns von der eigentlichen Grabkammer trennte. „Meinst du, das ist schon Teil des Rätsels oder soll es uns von der wahren Lösung ablenken?"

„Das werden wir wohl jetzt herausfinden." Ich wollte gerade über die Barrikade klettern, als er mich zurück hielt.

„Sei vorsichtig. Es sieht nicht so aus, als wäre hier jemand drinnen gewesen seit - du weißt schon. Es gibt bestimmt noch Fallen."

„Ja, ich erinnere mich", scherzte ich, ehe ich mich auf der anderen Seite sinken ließ.

Es sah noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Zu beiden Seiten des länglichen Raums standen offene Särge an den Wänden. Attrappen, die Grabräuber abhalten sollten - wenn man meinen Eltern glauben konnte. Sie alle hatten Fallen enthalten, die die beiden entschärft hatten. Am Ende des Raumes, gegenüber der Tür, auf einem Podest stand der tatsächliche Sarg. Ziemlich offensichtlich, aber um ihn herum waren auch die meisten Fallen angebracht.
In der Luft flimmerten die Staubpartikel und ich schob das schwebende Licht der Zwillinge weiter, ohne mich selber zu bewegen. Ein paar Dinge hatten sich wohl doch geändert. Der Schattenefeu, ein schwarzes Rankengewächs, das totale Dunkelheit bevorzugte, war unaufhaltsam weitergewachsen und umschloss fast die gesamte Wand hinter dem Sarg.
Zu meiner Rechten hatten üppige Wurzeln die Wand durchbrochen, aber der Schattenefeu hatte sie genutzt, um die Nährstoffe aus der Pflanze zu saugen. Jetzt waren sie hart und trocken. Es würde mich nicht wundern, wenn sie von innen heraus bereits versteinerten. Schattenefeu hatte diese Wirkung.
Zögern machte ich einen Schritt voraus, dann noch einen.
Ein Rätsel. Eine Aufgabe.

Hinter mir landete George auf weichen Sohlen und verharrte einige Sekunden in der Bewegung, ehe er sicher war, dass nichts passierte. „Das hier ist wirklich ne Nummer größer, als unsere sonstigen Unternehmungen." Seine Augen scannten die Umgebung ebenso aufmerksam. „Fred und Maddie kommen auch gleich, aber sie wollen sichergehen, dass wir nichts verpasst haben."


Weasleys, Pranks and other CursesWhere stories live. Discover now