Kapitel 10

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Die Osterferien waren gekommen und mit ihnen die ersten warmen Tage. Meine Unterarmschützer waren gerade rechtzeitig fertig geworden und ich würde spätestens nach den Ferien auf sie und die T-Shirts zurückgreifen. Die erste Woche der Ferien verbrachte ich eigentlich nur im Haus oder in unserem Garten. Ich verfeinerte die T-Shirts und Armschützer noch ein bisschen, las viel und zeichnete alles, was mir in den Sinn kam.

Am Ostersonntag kam meine Schwester zu uns, um Ostern gebührend zu feiern. Ich wartete extra in meinem Zimmer, bis das Auto meiner Mutter wieder weggefahren war. Dann erst lief ich nach unten und begrüßte meine Schwester Emma, die schon ungeduldig dazu drängte, endlich in den Garten zu gehen und Geschenke zu suchen. Lachend scheuchte mein Vater uns beide nach draußen. „Jeder bekommt einen Korb und vier Geschenke. Der Name steht drauf“, verkündete er, setzte sich dann auf einen Gartenstuhl und schaute uns beim Suchen zu.

Da wir keine Spielgeräte mehr aufgebaut hatten und sich auch sonst nicht so viel im Garten befand, fragte ich mich, wie mein Vater so viele Geschenke verstecken konnte, ohne dass Emma und ich sie schnell fanden. Denn tatsächlich brauchte es geschlagene drei Minuten, bis Emma „Aha!“ rief und ihr Körbchen aus einem Busch fischte. Ich suchte weiter und sah unter einem Haufen Tannenzweige etwas Rotes. Schnell packte ich alle Zweige beiseite, wurde aber enttäuscht, als ich Emmas Namen auf dem Geschenk sah. Also deckte ich es wieder zu und lief weiter. Hinter dem Kompost fand ich das nächste Geschenk, doch auch das war für Emma. Also lief ich weiter zu unserem Flieder. „Schau nach oben!“, rief Emma, die das Geschenk hinter dem Kompost entdeckt hatte. Ich folgte ihrem Rat und erblickte mein erstes Geschenk. „Wie soll ich denn da hinkommen?“, lachte ich und streckte meine Arme, kam aber nicht an das Päckchen heran. „Emma, komm mal her.“ Ich hob meine Schwester hoch und sie griff nach dem Päckchen. „Danke. Schau mal dort bei den Tannenzweigen“, riet ich ihr und legte mein Geschenk auf den Gartentisch.

Emma suchte mittlerweile schon nach ihrem letzten Geschenk, ich hatte erst eins. Also wandte ich die Alles-umdrehen-was-nicht-fest-im-Boden-verankert-ist-Taktik an und begann, alle umgedrehten Blumentöpfe und Eimer hochzuheben. Mein Vater begann zu lachen, aber tatsächlich war mein Körbchen unter einem umgedrehten Blumentopf. Ich machte weiter mit meiner Taktik und fand ein weiteres Päckchen in unserem Grill. Fehlten nur noch zwei Päckchen, während Emma immer noch auf der Suche nach ihrem letzten war. Ich lief noch einmal alle Büsche und Hecken ab und fand mein vorletztes Geschenk. Es war grün verpackt und fiel zwischen den grünen Blättern der Hecke nicht besonders auf. Nun waren Emma und ich also beide auf der Jagd nach unserem letzten Geschenk. Ich sah etwas Blaues unter einer Wurzel und zog es hervor. „Hah!“, riefen Emma und ich gleichzeitig. Lachend sahen wir uns an.

Dann begann das große Auspacken. Während Emma viele Filme bekam, hatte mein Vater mir neue Zeichensachen und zwei Bücher geschenkt. „Danke“, bedankte ich mich und drückte ihn fest. „Immer wieder gerne, mein Schatz“, murmelte mein Vater, drückte mich zurück und gab mir einen Kuss auf meinen Kopf. Zum Mittagessen gab es Kartoffelklöße mit Bratensoße und panierte Schnitzel. Einfach nur himmlisch. Danach wollte meine Schwester unbedingt ihre Filme mit uns schauen und mein Vater und ich ließen uns erweichen. Bis Emma wieder zu unserer Mutter musste, hatten wir zwei der Filme durch und ich hatte meine Schwester und meinen Vater mit meinen neuen Stiften gezeichnet.

Am Ostermontag sollte ich zu meiner Mutter und ich hatte gar keine Lust darauf. „Bitte, Papa. Du hast gesagt, dass ich da nicht hin muss, wenn ich nicht will. Was, wenn dieser Stephan auch da ist? Auf den hab ich noch weniger Lust!“ Mein Vater seufzte schwer. „Jette, ich verstehe dich und am liebsten würde ich dir deinen Wunsch erfüllen, aber deine Mutter macht es mir nicht einfach.“ „Warum? Was macht sie denn?“ Erneut seufzte mein Vater und strich mir dann mit einem halbherzigen Lächeln über den Kopf. „Ein andermal, mein Schatz. Bitte, geh heute zu deiner Mutter. Und wenn es nur bis zum Mittagessen ist. Danach darfst du dort auch wieder abhauen.“ Nun war ich diejenige, die schwer seufzte. Bei dem bittenden Blick meines Vaters konnte ich jedoch nicht nein sagen. So packte ich mir eine Tasche und machte mich auf den Weg zu meiner Mutter, wobei ich extra trödelte. Doch leider konnte das meine Ankunft auch nur hinauszögern und nicht ganz verhindern.

In der Wohnung angekommen, duckte ich mich unter den Armen meiner Mutter weg und entging so ihrer Umarmung. Ich lief ins Wohnzimmer und stellte erleichtert fest, dass Stephan nicht hier war. Meine Tasche stellte ich neben das Sofa und warf mich neben Emma auf eben jenes. „Wollt ihr gleich Geschenke suchen?“, fragte meine Mutter. „Ja!“, rief Emma. „Dann wartet hier kurz und nicht spicken. Ich verstecke schnell alles.“ Kurze Zeit später kam sie wieder. „Also, Emma darf im Bad suchen und Jette auf dem ganzen Flur. Jeder bekommt ein was Süßes und drei Päckchen.“ Weniger motiviert stand ich auf und lief in den Flur. Halbherzig begann ich zu suchen, während ich nach nicht einmal einer halben Minute schon einen Triumphschrei aus dem Bad hörte. Emma hatte wohl ihr erstes Geschenk gefunden. Schließlich zog auch ich das erste Päckchen aus einem der Schuhe im Flur hervor. In einer halboffenen Schublade fand ich eine Packung Baiser Eier und die letzten beiden Geschenke lagen hinter zwei Kartons. Überschwänglich packte Emma ihre Sachen aus. Auch von unserer Mutter bekam sie DVDs. Mir schenkte sie ein T-Shirt, das ich wohl nie anziehen würde. Dazu Tinte für Schreibfedern, die aber auf Wasserbasis war und damit auf Papier kaum zu sehen sein würde. Dann noch ein Set Magneten von Harry Potter, die ich zwar wirklich toll fand, aber nicht wusste, wo ich sie gebrauchen konnte.

Zum Essen gab es Spaghetti mit Tomatensoße. „Übrigens, Stephan kommt so in einer halben Stunde vorbei, um mit uns den restlichen Tag voll zu feiern. Er freut sich schon, hatte heute Vormittag aber leider noch Dienst.“ Ich verdrehte meine Augen bei der Ankündigung meiner Mutter. „Ja, ich muss dann nach dem Mittagessen aber los“, gab ich von mir. „Warum? Jetzt wo Stephan vorbeikommt.“ „Ich muss halt noch was machen.“ „Und was?“ „Das geht dich nichts an.“ „Natürlich geht es mich etwas an. Ich bin deine Mutter.“ „Wir wohnen nicht einmal mehr im gleichen Haus. Also geht es dich auch nichts an.“ Genervt aß ich zu Ende und packte dann schnell meine Sachen. „Jette! Bleib hier“, rief meine Mutter. „Nein. Ich bin weg.“ Ich riss die Wohnungstür auf und eilte die Treppen hinunter. „Jette!“, schrie meine Mutter, doch ich ignorierte sie.

In meiner Eile übersah ich eine Stufe und stolperte. Ich kniff die Augen zusammen und machte mich auf den Aufprall gefasst, doch überraschend fingen mich zwei Arme auf. Ich öffnete meine Augen wieder und stellte mich gerade hin. „Danke“, murmelte ich und blickte nach oben. Augenblicklich riss ich mich von meinem Retter los. Es war Stephan. Ich wandte mich der Haustür zu und wollte gehen, da hielt er mich leicht am Handgelenkt fest. „Was?“, fauchte ich und blickte ihn böse an. Stephan schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. „Frohe Ostern“, sagte er plötzlich, holte ein kleines Päckchen aus seiner Tasche und hielt es mir hin. Verwundert blickte ich ihn an und nahm das Geschenk nach kurzem Zögern. „Danke“, murmelte ich erneut, drehte mich um und eilte aus dem Haus. Den Weg nach Hause legte ich im Eiltempo zurück und lief schnurstracks in mein Zimmer. Meine Tasche warf ich achtlos auf den Boden, dann setzte ich mich mit dem Geschenk in der Hand auf mein Bett. Vorsichtig betastete ich es. Es fühlte sich weich an und war unförmig. Langsam packte ich es aus. Meine Augen weiteten sich etwas. In der Hand hielt ich ein Kuscheltier. Einen Polizeihund. Das Gegenstück zu dem, den ich beim Unfall von Moritz bekommen hatte. Also war er wirklich ein Kollege von Stephan und dieser hatte irgendwie davon erfahren. Ich stand auf und stellte den weißen Plüschhund zu dem braunen auf die Fensterbank, mit dem Blick nach draußen.

Da ich später noch mit meinen Jungschar Kids unterwegs bin, kommt das Kapitel eben schon jetzt. Und Leute, Stephan ist dabei!

Der neue Freund meiner Mutter (AS FF)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora