Kapitel 29

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Am nächsten Tag spürte ich meinen rechten Unterarm nur allzu deutlich. Zu Hause hatte ich dem Drang nachgegeben und meinen inneren Schmerz durch einen stärkeren äußeren verdrängt. Ich erwartete schon gar nicht mehr, dass Mara auch nur ein Wort mit mir sprechen würde. Doch wieder einmal täuschte ich mich. Nach der Mittagsschule fing sie mich vor dem Klassenzimmer ab. „Hey, können wir vielleicht reden? Es tut mir leid, dass ich gestern einfach so mit den drei mitgegangen bin und ihnen geglaubt hab. Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe“, sagte sie. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Hatte dieses Mädchen zwei Persönlichkeiten oder was? „Ich habe auch eine Entschuldigung für dich. Kommst du mit? Es tut mir wirklich leid!“ Hoffnung keimte in mir auf. Hoffnung, dass Mara doch nicht dem Bann der glorreichen MMT erlegen war und nun einsah, dass die drei Jungs die größten Vollidioten der Schule waren. Also nickte ich und Maras Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Na dann komm. Wir sollten uns beeilen. Bevor die Schule noch schließt“, lachte sie und lief los. Ich folgte ihr durch die Flure.

Vor einer kleinen Tür blieb sie stehen. Ich runzelte meine Stirn. Zweifel entstanden. Was sollte da drin schon groß sein? „Na komm, du wirst es lieben!“, sagte Mara und ich zwang die Zweifel beiseite. Sie öffnete die Tür und ließ mich vorgehen. „Wo ist denn hier der Lichtschalter?“, fragte ich und suchte ihn mit meinen Augen, da der Raum keine Fenster hatte. Plötzlich schlug die Tür hinter mir zu. Ich zuckte zusammen. Es war stockfinster. Ein Klicken ertönte. „Mara?“, fragte ich und tastete mich zur Tür. Ich drückte die Klinke herunter, doch die Tür öffnete sich nicht. „Mara!“, rief ich lauter und hämmerte gegen das Holz. „Ha! Hast du wirklich geglaubt, ich würde mich bei sowas wie dir entschuldigen wollen? Die Jungs hatten recht. Du bist erbärmlich und strohdumm!“ „Mara!“, schrie ich und hämmerte und rüttelte an der Tür. Das Mädchen lachte jedoch nur. Schritte ertönten und ihr Lachen entfernte sich. „Mara! Lass mich hier raus!“, schrie ich und rüttelte so fest ich konnte an der Tür. Meine Atmung beschleunigte sich. Tränen traten mir in die Augen. „Mara!“, kreischte ich, doch mir war klar, dass das Mädchen längst weg war.

„Hallo? Ist hier jemand? Irgendjemand? Holt mich hier raus! Hilfe!“ Ich schrie so lange, bis ich keine Kraft mehr hatte. Dann begann ich, hektisch in der Dunkelheit nach dem Lichtschalter zu suchen. Doch das Ding musste klein sein und in meiner Aufregung fand ich ihn nicht. Dann kam mir eine Idee. Die Polizei! Die Polizei würde mir helfen! Hektisch suchte ich in meiner Jackentasche nach meinem Handy, zog es mit zitternden Fingern heraus und schaltete es an. Erleichtert atmete ich aus, als sich meine Umgebung leicht erhellte. Schnell aktivierte ich die Taschenlampe und leuchtete durch den Raum. Es war eine kleine Abstellkammer, voll mit Putzzeug. Dann suchte ich den Lichtschalter und atmete erleichtert durch, als ich ihn fand und betätigte. Das Licht sprang flackernd an und ich schaltete meine Handytaschenlampe wieder aus. Mein Herz beruhigte sich etwas und meine Atmung entspannte sich wieder.

Schnell tippte ich den Notruf ein und wartete ungeduldig, bis endlich jemand abnahm. „Polizeiwache Köln, wie kann ich Ihnen helfen?“ „H-Hallo. Hier ist Jette. Jette Sola. E-Eine Mitschülerin hat mich in-in einen Raum eingesperrt und ich k-komme hier nicht m-mehr raus“, erklärte ich und verfluchte mich gleichzeitig, als Tränen in meine Augen traten und über meine Wangen liefen. „Ganz ruhig, Jette. Atme einmal tief durch. Kannst du mir die Adresse deiner Schule geben und den Raum, in dem du dich befindest?“ Ich nickte und merkte dann, dass der Mann am anderen Ende das ja nicht sehen konnte. Schnell gab ich die Adresse unserer Schule durch. „Ich bin im zweiten Stock relativ am Anfang. Ich glaube, gegenüber war die große Wendeltreppe.“ „Alles klar, Jette. Eine Streife ist unterwegs. Bist du irgendwie verletzt?“ „N-Nein, ich hab nur etwas Angst“, gab ich zu. „Das brauchst du nicht. Meine Kollegen sind gleich bei dir. Ich bleibe so lange am Telefon.“

Mit einem Mal begann die Glühbirne über mir zu flackern. „Oh bitte nicht“, hauchte ich, als das Licht auch schon erlosch. Ich schrie, sprang auf und rannte zu dem Lichtschalter. Mehrfach betätigte ich ihn, aber das verdammte Licht blieb aus. Schnell aktivierte ich wieder meine Handytaschenlampe. „Jette? Was ist passiert?“ „Das Licht ist ausgegangen“, schluchzte ich und kauerte mich in eine Ecke. Mein Herz raste wieder und ich hatte Mühe, einigermaßen ruhig zu atmen. „Ganz ruhig, Jette. Atme einmal tief durch. Mach mir nach, Jette. Ein. Und aus. Ein. Und aus.“ „Hallo, Jette? Bist du da drin?“, rief mit einem Mal eine mir mehr als vertraute Stimme. „Wie ich höre, sind meine Kollegen jetzt da. Ich lege jetzt auf.“ „Ok“, murmelte ich und drückte den Anruf weg. Im selben Moment ging mein Handy Akku leer und ich saß ich völliger Dunkelheit.

„Stephan! Hol mich hier raus!“, kreischte ich und eilte zur Tür. „Stephan!“, schrie ich und hämmerte gegen die Tür. Tränen rannen mir über die Wange und ich konnte ein Schluchzen nicht mehr verhindern. „Jette, ganz ruhig. Geh bitte von der Tür weg, hörst du mich? Wir brechen jetzt die Tür auf. Geh bitte von der Tür weg. Bist du weg?“ Schnell machte ich ein paar Schritte nach hinten. „Ja!“ Es knallte. Die Tür flog auf. Das Licht blendete mich leicht, doch hinderte es mich nicht daran, Stephan in die Arme zu fallen. Schluchzend klammerte ich mich an ihm fest. „Ich hatte so Angst!“ „Ist gut, Jette. Ganz ruhig. Du bist wieder draußen. Alles ist gut“, versuchte Stephan mich zu beruhigen und strich mir über meinen Kopf und meinen Rücken. „Bist du irgendwie verletzt? Brauchst du einen RTW?“, erkundigte er sich dann bei mir. Ich schüttelte meinen Kopf an seiner Jacke. „Na komm. Dann bringen wir dich mal nach Hause, ok?“ Ich nickte, doch als Stephan sich von mir lösen wollte, klammerte ich mich fester an ihn. Der Mann seufzte. „Moritz, nimmst du ihren Rucksack und ihr Handy? Ich trage sie.“ Und mit einem mal befand ich mich in den Armen des Polizisten. Schniefend blickte ich in sein Gesicht. „Schon gut. Alles gut“, sagte Stephan. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust und schloss meine Augen. Schnell waren wir am Streifenwagen. Stephan stieg mit mir hinten ein und Moritz fuhr den Wagen zu mir nach Hause.

Die Haustür wurde aufgerissen und mein Vater kam völlig durch den Wind zu uns. „Jette! Gott sei Dank, da bist du ja!“, rief er und zog mich in sein Arme. Ich klammerte mich an ihm fest und fing wieder das Schluchzen an. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht, als ich nach Hause kam und du nicht da warst. Was ist denn passiert?“ „Das erklären wir Ihnen am besten drinnen, Herr Sola“, mischte Moritz sich ein. Mein Vater nahm mich hoch in seine Arme und beförderte mich im Wohnzimmer auf das Sofa. Stephan und Moritz erklärten abwechselnd, was passiert war. Ich versuchte, nicht zuzuhören. Das war einfach zu viel in den letzten Tagen. Ein Unglaublicher Druck lag auf mir und ich brauchte ein Ventil. Ich wusste, dass nur eine Sache mir Linderung verschaffen konnte, doch jetzt gerade ging es noch nicht. „Wollen Sie Anzeige erstatten?“, erkundigte sich Moritz. „Auf jeden Fall!“, rief mein Vater. Also klärten dir drei auch noch diese Sache und dann verschwanden die beiden Polizisten wieder. Mein Vater setzte sich seufzend neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. „Willst du ein Eis? Mit Smarties?“ Schwach nickte ich.

Der neue Freund meiner Mutter (AS FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt