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Tag 1: Die Herberge am See

Vielleicht klingt das komisch, aber ich hatte mir sowas schon ewig gewünscht. Seit der achten Klasse hatte ich mich auf unsere Klassenfahrt in der Oberstufe gefreut und das zurecht: Unsere Mittelstufenfahrt wurde abgesagt, weil die Schule ihre finanziellen Mittel falsch geplant hatte. Dadurch war diese Fahrt heute zum ultimativen Highlight meiner Schulkarriere geworden. Das merkte ich schon als ich heute morgen aufgestanden war. Nervöser hätte ich vermutlich nicht sein können. Mein Vater hatte mich zur Bushaltestelle unserer Schule gebracht, an der ich nun stand. Um ehrlich zu sein, hatte ich seit der siebten Klasse nicht wirklich Freunde gefunden. Wir waren zwar die größte Klasse, doch ich hatte die wenigsten Freunde. Etwa 30 Jugendliche, mich eingeschlossen, unsere Klassenlehrerin und unser Sportlehrer würden sich gleich in einen engen Bus quetschen und zweieinhalb Stunden darauf warten, in der Herberge anzukommen.

Genau genommen hatte ich zwei Freunde - ehemals drei, doch mein bester Freund hatte sich nach meinem Outing in der neunten Klasse von mir entfernt - wir waren aber auch nicht besonders nah, zumindest außerhalb der Schule. Tyler hatte ich schon oft besucht, er war etwas breiter als ich - das lag aber auch daran, dass ich im letzten Jahr fast zwanzig Kilo abgenommen hatte, jetzt war ich eher unnormal dünn geworden und Tyler blieb in der gesunderen normalen Ebene. Wir verstanden uns gut, obwohl er definitiv straight war, denn er hatte kein Problem damit, dass ich schwul war und trotzdem gleichzeitig über die Fülle eines Frauenarsches zu sprechen. So war er halt.

Aber es gab auch Leute, denen mein Outing nicht gefiel, jedoch waren meine Klassenkameraden sehr hilfsbereit und unterstützten mich, sagten meinen Gegnern, dass sie gehen sollten, wenn sie ein Problem damit gehabt hätten.

Und dann gab es da noch Nicholas, meinen anderen Freund, normalerweise nannten wir ihn Cole, das ging einfach schneller von den Lippen. Er war ganz anders als Tyler, in jeder Hinsicht.

In unserer Klasse gab es einige Gruppen: Die Mädchen, eine Truppe von 7, die sich gegen die überdrüssige Menge an männlichen Geschlechtsteilen wehren mussten. Die Nerds, vermutlich war ich einer davon. Die Komischen - ich bin mir immer noch nicht sicher, ob die ein Gehirn haben. Die Rowdies, die einfach grundsätzlich gegen alles sind, was sie nicht sind. Den Klassenclown und zu guter Letzt noch die Fußballspieler. Zu ihnen gehörte Cole, offensichtlich, ich meine, dieser Körper, das wahrlich in Stein gemeißelte Sixpack, die schlanken und kräftigen Beine, seine weite Brust und die Adern auf seinen Armen. Selbst ein Blinder hätte gesehen, wie schön er war. Allerdings war er relativ normal groß. Oder klein? Vermutlich könnte man sein Aussehen wie das der Bad Boys in allen möglichen Romanzen beschreiben, Jogginghose, Pullover, schwarze kurze Haare, scharfer Kiefer, große blaue Augen. Doch tatsächlich war er gar kein unantastbarer Macho. Oft wenn wir alleine waren, merkte ich wie freundlich und unsicher er tatsächlich war. Irgendwie verstanden wir uns, ohne große Worte zu reden, das mochte ich so sehr an ihm.

Ich hatte mich in die letzte Reihe des Busses gesetzt, provokativ, denn normalerweise saßen dort die coolen Kids, wie Cole und die anderen Fussballspieler, die anderen Sportler. Tyler hatte sich zuerst neben mich ans Fenster gesetzt und schaute mich an. Auf der anderen Seite saß Cole. Was auch immer es da groß zu sehen gab? Ok, ich war groß, fast 1,90 Meter, größer als er oder Cole, größer als die meisten aus unserer Klasse, bis auf dieses eine Mädchen, sie war echt riesig. Mittlerweile war ich dünn, hatte leicht sichtbare Bauchmuskeln, besonders sportlich war ich aber nicht, obwohl ich gerne schwimmen ging. Das war mein Hobby. Ich hatte braun blonde Haare, die auf meiner linken Kopfseite etwas länger waren als auf der rechten und mittlerweile trug ich Kontaktlinsen anstatt einer Brille. In Wahrheit war das echt gewöhnungsbedürftig, besonders an den Tagen, an denen ich zum Schwimmen gehen musste - ständig dieses Wechseln war definitiv nerviger als einfach eine Brille zu tragen. Heute hatte ich ein buntes Hemd und eine schwarze Hose an, so kleidete ich mich generell eigentlich immer, weil Hemden meine Schulterbreite wirklich zum Ausdruck brachten. Zugegeben, ich hatte wirklich ein breites Kreuz und auch wenn es mir manchmal schwer fiel, liebte ich selbst das nach meinem neu erworbenen Selbstbewusstsein an mir. Ich hatte gelernt mich selbst zu akzeptieren wie ich war und das war nicht einfach, für eine lange Zeit.

"Ich frag nicht nochmal. Willst du Marions Car spielen, Henry?", fragte Tyler mich, nachdem ich ihm nach seinen drei Minuten Blickkontakt immer noch nicht geantwortet hatte, sondern stattdessen nur Cole und die anderen Jungs abwesend angestarrt hatte.

"Eh, was - ja klar."

Tyler hatte bereits seinen Nuntando aus seiner Tasche gekramt und das Spiel eingesteckt. Uns war es verboten worden unser Handy mitzunehmen, das galt also nicht für andere elektronische Geräte. Das hatten wir natürlich ausgenutzt. Obwohl es unserer Klassenlehrerin, Frau Bergold, nicht gefiel, musste sie es dulden. Denn nicht nur wir hatten sie dabei, fünf der Fußballspieler hatten auch einen mitgebracht und das war nicht einmal abgesprochen. Auch wenn Cole keinen besaß, wechselten wir uns ab und so vergingen die Stunden der Busfahrt wie im Flug.

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Hey! Ich hoffe das erste Kapitel hat euch gefallen! Seid ihr auch schon gespannt, wo die Reise hingeht?

Ich versuche regelmäßig zu updaten, falls ich es mal vergesse, bombadiert mich einfach mit Kommentaren. Der Druck hilft!

Viel Spaß mit meiner Geschichte!

Nervös mit dir [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt