63. Kapitel

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Obwohl ich am nächsten Morgen früh aufwachte, war Raphael schon verschwunden. Oder er hatte gar nicht erst geschlafen. Seufzend schlug ich die Decke zurück und setzte mich auf. Erst streckte ich mich aus und dann machte ich mich auf den Weg ins Bad, um meine übliche Morgenroutine zu erledigen. Danach machte ich mich auf die Suche nach Raphael. Er war wie nicht anders zu erwarten in seinem Arbeitszimmer. Als ich reinkam, schlich sich gleich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Na, hast du gut geschlafen, Silvester?" fragte er mich zur Begrüßung, was ich bejahte.

„Gehts dir auch wieder gut?" wollte er wissen, während er mich musterte. Kurz musste ich überlegen, was er meinte. Dann zuckte meine Hand an meinen Hals. Der Biss! An diesen hatte ich gar nicht mehr gedacht. Aber er schmerzte kaum noch. So konnte ich Raphael ehrlich Antworten, dass alles gut war und er sich keine Sorgen machen müsse. Vergewissernd beäugte er mich und schien mir dann zu glauben. „Lass uns dir als erstes was zu essen besorgen." meinte er dann.

Während dem Essen versuchte ich Raphael zu überzeugen mich mit meinem Vater sprechen zu lassen. Ich konnte es nicht glauben aber es gelang mir tatsächlich. Mein Vater musste in der Zelle bleiben und ich mindestens zwei Meter von der Abstand halten bestimmte Raphael. Danach wollte er aber auch mit ihm reden. 

So kam es, dass mich Raphael die Treppe runter zu den Gefängnissen führte und mich genau zwei Meter entfernt von dem Gefängnisgitter meines Vaters platzierte, ehe er wieder verschwand. 

"Guten Morgen Andrina. Ich habe auf deinen Besuch gewartet." begrüßte mich mein Vater. 

Ich vergewisserte mich als erstes, dass es ihm auch gut ging. Dem Anschein der Zelle nach ging es ihm gut. Die Zelle war nicht so gestaltet wie man es sich vorstellen mag: mit Mauern und Kälte, nichts als eine kleine Matratze und eine kratzige Decke. Ganz im Gegenteil es war mehr ein Zimmer, welches Gitterstäbe hatte. Ein großes Doppelbett stand in der einen Ecke. Es gab eine Tür die wohl zu einem Badezimmer führen musste und einen kleinen Schrank. Die Tatsache, dass mein Vater nicht in irgendeiner Zelle verotten musst beruhigte mich. 

"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du anfangs nicht gut auf Delariva zu sprechen warst." fing mein Vater an. 

"Anfangs?" wiederholte ich und schüttelte den Kopf. "Es ist diese blöde Bindung. Sonst wäre ich schon längst weg. Raphael und ich gehören nicht zusammen." offenbarte ich meinem Vater. 

"Das freut mich zu hören Andrina. Können wir hier in Ruhe sprechen?" vergewisserte er sich, was ich bejahte. 

"Es hört uns auch wirklich keiner?" fragte er erneut. 

"Raphael hat mir fünf Minuten mit dir gegeben. Danach wird er kommen." erklärte ich ihm.

"Es gibt einen Weg die Bindung zu lösen. Ich kann dir helfen." startete mein Vater. 

Sofort schoss mein Blick hoch. "Wie?" wollte ich sogleich wissen. Nichts wollte ich mehr als diese verdammte Bindung beenden. Endlich in Freiheit leben. 

"Es ist eine sehr schmerzhafte Prozedur für euch beide, aber ich werde dir helfen es durch zustehen. Wir haben nicht lange Zeit, ich fasse mich kurz. Als erstes musst du mir versprechen mit niemandem wirklich niemandem darüber zu reden. Es sind Zeiten, in denen wir niemanden vertrauen können, Andrina. Weder den Hexen noch den Werwölfen." 

"Woher weiß ich dann, dass ich dir vertrauen kann?" fragte ich misstrauisch nach. 

"Wir sind Familie. Wenn wir uns nicht trauen können, dann sind wir wirklich alleine. Also hör gut zu, Andrina. Ich brauche Blut und zwar sehr viel Blut, um wieder zu vollen Kräften zu kommen. Delariva wird mich nicht gehen lassen. Ich muss ab hauen und du wirst mit mir kommen. Deine Großeltern haben Erfahrung damit Gefährtenverbindungen zu kappen. Sie werden dir zeigen was du machen musst. Das einzige was du machen musst ist mir Blut zu geben." weihte mich mein Vater in seinen Plan ein. 

"Wie viel Blut?" stotterte ich überwältigt von den ganzen Informationen. "Ich will nicht, dass jemand verletzt wird. Kannst du nicht mein Blut nehmen?" fügte ich hinzu. 

"Es wäre mir eine Ehre." lächelte mein Vater. 

Als ich mich ihm näherte, hörte ich Schritte. Raphael kam und knurrte unzufrieden, als er sah, dass ich mich meinem Vater genähert hatte. 

"Silvester du haltest dich auch nie an unsere Abmachungen." funkelte er mich an. 

O wenn er nur wüsste, dachte ich. Meinem Vater huschte ein schiefes Grinsen über sein Gesicht. 

Raphael wendete sich von mir ab und meinem Vater zu. "Ich denke es ist an der Zeit, dass wir miteinander reden, Gallus."

"Was willst du denn wissen?" meinte mein Vater kooperativ. 

"Auf wessen Seite stehst du, als erstes?" rückte Raphael gleich mit der Sprach raus. 

"Ich stehe auf Andrinas Seite." antwortete mein Vater. Und Raphael nickte zufrieden und fragte danach, wie die Hexen ihn gefasst hätten. 

Mein Vater berichtete uns, dass er von mir erfahren hätte und so schnell wie möglich zu Raphaels Schloss reisen wollte. Doch war er auf der Reise zu unvorsichtig und gegen drei Hexen vom Rat konnte sich, wohl ein alter Vampir auch nicht wehren. So landete er bei ihnen. Beide sprachen über den bevorstehenden Krieg und schienen sich soweit gut zu verstehen. Ich wusste jedoch, dass mein Vater nur so tat, damit Raphael mich weiter zu ihm lassen würde und wir unsere Plan durchführen konnte. Ich hoffte nur, dass Raphael davon nichts mit bekam.

Ich wollte endlich frei sein. Die Bedeutung vom Frei sein hatte ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht verstanden. Denn was brachte es frei zu sein, wenn man alles verlor?

In a different WorldWhere stories live. Discover now