「 Kollision 」

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"Was?", pflaume ich und hoffe sie so von ihren Gedanken abzulenken.

Ihre Augen treffen meine und selbst mit einiger Promille wirkt sie plötzlich klar und gefasst. Sie kaut auf ihrer Unterlippe was gerade absolut nicht hilft und mich nur noch nervöser werden lässt.

"Entschuldigen Sie, aber ich hatte kurz das Gefühl als würde ich sie kennen. Also... Von früher meine ich. Dabei haben sie kein Allerweltsgesicht, aber irgendwas...", unterbricht sie sich selbst und legt die Stirn in Falten.

Tu was, Dylan!

Ich steige kurzerhand aus dem Wagen, laufe zu ihrer Tür und öffne sie. Notfalls zerre ich sie aus dem inneren und verschwinde ganz schnell, ganz gleich was Dad davon halten wird. Ich kann nichts riskieren!

"Raus."

Mit großen Augen sieht sie zu mir auf und setzt sich dann tatsächlich in Bewegung. Innerlich jubele ich, aber äußerlich bleibe ich kalt wie Eis.

Sobald sie aus dem Wagen geklettert ist und neben mir steht setze ich mich wieder in Bewegung und gleite zurück auf meinen Sitz. Ihre Aktion von eben wiederholt sich nicht, zum Glück.
Ich warte darauf das sie zurück in den Club geht, was sie letztendlich auch tut. Mit wankendem Gang läuft sie auf den Eingang zu. Hector fährt noch nicht los und schnell erkenne ich auch wieso. Sie ist alleine, aber die Gegend hier ist nicht unbedingt für seine Sicherheit bekannt.

3 Personen, die vorher in einem dunklen Eck gestanden haben nähern sich ihr.

"Sir.", knurrt Hector bereits, der einen übertrieben hohen Beschützer Instinkt besitzt. Nicht zuletzt weil er früher gedient hat und in Kriegs Gebieten Vergewaltigungen und Folter als Zermürbungstaktik eingesetzt wurden.

Als ich die erste, richtig blöde Anmache höre, die von einem der Typen kommt öffne ich die Tür. Ich weiß nicht wieso ich mich da überhaupt einmische aber wenn ich ehrlich bin kann ich jetzt auch nicht einfach so tun als sei alles in Ordnung und los fahren. Hector würde mir in den Hintern treten. Er tut es mir gleich und schaltet den Motor des Wagens ab.

"Starten sie den Wagen und warten sie. Bin gleich zurück.", sage ich und steige aus. Ich streife meine Lederjacke ab und lasse sie achtlos auf den Sitz fallen.

Was machst du da, du Idiot?

Ich laufe geradewegs auf die Gruppe zu, die sich nun bereits um Mary gedrängt hat. Ihr böser Blick den sie nach wie vor beherrscht wird ihr hier nicht helfen.

"Hey Babe, kommst du jetzt oder was?", rufe ich ihr zu, was mir die Aufmerksamkeit aller Anwesenden beschert. Mary sieht mich misstrauisch an, aber dann drückt sie sich an den Typen vorbei und läuft auf mich zu.

"Mann, echt schade, aber diesen süßen Arsch hätt ich heut Nacht echt gern vor mir gehabt, wenn ihr versteht.", scherzt der eine Typ und stößt seine Kollegen an.

Ich mag es nicht wie sie über sie reden, verkneife mir allerdings den Konter. Unschlüssig was ich jetzt tun soll schiebe ich Mary zurück zum Wagen und lasse sie einsteigen.

Verdammter Mist!

Kaum sitze ich, braust Hector auch schon los. Alleine an seinem Fahrstil erkenne ich, wie wütend er ist.

"D... Danke. Das wäre nicht nötig gewesen.", murmelt sie und schaut aus dem Fenster. Sie meidet jeden Blickkontakt zu Hector und mir und auch ich ignoriere was sie gesagt hat, selbst wenn ich darauf 1000 kluge Dinge zu sagen hätte.

Nach einigen Minuten die ich verstreichen lasse um alle Anwesenden runter fahren zu lassen, sehe ich Mary an. Noch immer blickt sie aus dem Fenster.

"Miss Richardson.", sage ich etwas zu laut, was mir einen bösen Blick von Hector durch den Spiegel beschert. Ich räuspere mich und versuche es noch einmal, etwas sanfter.

"Miss Richardson, sagen sie mir wo wir sie raus lassen sollen. Bitte."

Sie dreht den Kopf zu mir, sieht mich an und schaut dann wieder zum Fenster hinaus. Ihr Gemurmel ist erst etwas undeutlich, dennoch höre ich eine Adresse heraus.

-

Die Fahrt verläuft schweigend und schleppend und ich bereue heute überhaupt meine Wohnung verlassen zu haben... Wozu eigentlich!? Wenn es doch haufenweise Escorts gibt die sogar zu mir kommen würden... Dummer Idiot.

An der Adresse angekommen realisiere ich, wo wir sind. Es ist das Obdachlosenheim, Garten Eden. Kaum hält der Wagen an, springt Mary auch schon hinaus.

"Warten Sie, bin gleich zurück.", murmle ich und steige ebenfalls aus, laufe los und erreiche sie in wenigen Schritten. Sie wirkt sauer, wenngleich ich auch nicht sagen kann wieso.

"Sie hätten sich nicht einmischen müssen. Ich hätte das alleine geregelt.", knurrt sie und löst bei mir damit etwas aus, das mich ebenfalls sauer werden lässt.

Ruhig bleiben, Dylan. Gleich hast du es geschafft...

Ich begleite sie um das Gebäude herum und stelle fest, daß es hier dunkel ist. Zu dunkel. In einem unbedachten Moment könnte nicht nur ihr, sondern auch allen anderen Frauen zum Verhängnis werden.
Im Geiste gehe ich die Pläne nochmal durch und überlege bereits welche Lichtquellen wir hier installieren müssen.

Mary kniet sich vor dem Hintereingang, greift dann unter die Fußmatte und fischt einen Schlüssel hervor.

Das ist nicht ihr Ernst, oder?

"Soviel zur Sicherheit. Das sollten sie defintiv ändern.", räuspere ich mich.

"Halten sie die Klappe... Bitte.", keift sie. "Nicht jeder lebt in einem Elfenbeinturm über allen anderen... In einem Hochsicherheitstrakt. Also erzählen sie mir nichts über irgendwelche Risiken."

Gott verdammt.

"Ich hätte wirklich einfach fahren sollen.", nuschle ich, was dazu führt das sie sich ruckartig zu mir dreht.

"Wissen Sie, Mr. Montgomery. Zuerst dachte ich sie hätten einen Stock im Arsch. Entschuldigen sie die Offenheit, aber so ist es. Ich weiß nicht was für ein Problem sie mit mir haben und um ehrlich zu sein kümmert es mich nun auch nicht mehr. Wahrscheinlich liege ich außerhalb Ihres Niveaus oder Sie sind mürrisch das ich mich nicht wie alle anderen Frauen an sie heran werfe, aber wissen sie was?
So unwiderstehlich sind Sie eben auch nicht. Und ich bin wirklich froh, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind und wir getrennte Wege gehen."

Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Sie ist genauso explosiv wie ich sie in Erinnerung habe.

Nach allem herum fuchteln bekommt sie die Tür endlich auf. Mein Verstand sagt mir das ich gehen sollte, stattdessen folge ich ihr. So habe ich die Chance mir wenigstens die Arbeiten meiner Techniker anzusehen, wenngleich ich auch nicht wirklich alles überprüfen kann.

"Wissen sie was? Lassen Sie einen Ihrer Leute die Abnahme erledigen. Dann müssen wir uns nicht mit gespielter Höflichkeit begegnen... Besser noch, wir müssen uns gar nicht mehr begegnen.", wirft sie mir entgegen.

Allmählich wird es albern.

"Ich nehme meine Arbeit sehr ernst, Miss Richardson. Und daran ändert auch ihr kleiner Ausbruch nichts. Meine Leute sind gut, dennoch empfiehlt es sich am Ende nochmal alles genau unter die Lupe zu nehmen."

Mit den Händen in den Hosentaschen beobachte ich sie genaustens. Sie amüsiert mich, auch wenn das überhaupt nicht ihre Absicht ist.

"Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Miss Richardson."

Für mich wird es Zeit zu gehen, habe ich doch ohnehin schon genügend Zeit hier verschwendet. Wäre es eine andere Frau gewesen die sich mir gegenüber so benimmt, hätte ich sie womöglich schon viel früher aus meiner Nähe entfernt - oder gar entfernen lassen, aber die erfrischende Art des Geplänkels, gepaart mit Erinnerungen einer längst vergangenen Zeit sind seltsam belebend.

So belebend und gleichzeitig befriedigend, wie lange nichts mehr.

DylanDove le storie prendono vita. Scoprilo ora