21:00 Uhr

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"Hey! Bleibt sofort stehen, ihr Diebe! Ich rufe die Polizei!", schreit der Kellner uns hinterher.

Ich halte Noans Hand in der einen und die Rotweinflasche fest umklammert in der anderen Hand.

Wir rennen so schnell unsere Beine uns tragen, lachen lautstark und schnappen immer wieder jauchzend nach Luft. Ich halte die Weinflasche fest wie mein Erstgeborenes, laufe mit Noan um die Wette, renne fast gegen ein entgegenkommendes Pärchen, entschuldige mich laut lachend und stoße vor lauter Unaufmerksamkeit gegen eine Laterne. Der Wein schwappt über, ein riesiger Schwall landet auf meinem Kleid und ein weiterer Schluck auf Noans weißem T-Shirt.

Mit großen Augen sehe ich ihn an, schlage mir erschrocken die Hand vor den Mund, da bricht er plötzlich in schallendes Gelächter aus.

"Noan, es tut mir so leid", beteuere ich, doch dann muss auch ich lachen.

"Gott sei Dank nicht meine Jacke", lacht er laut.

"Das geht nie wieder raus", lache ich und schaue an mir herunter. Mein hellblaues Kleid sieht fast aus wie gebatikt. Ungläubig nehme ich einen großen Schluck aus der Weinflasche und reiche sie Noan, der sich ebenfalls einen großen Schluck Rotwein genehmigt.

"Sollen wir jetzt den ganzen Abend weiter in diesen versauten, nassen Klamotten rumrennen?", frage ich unzufrieden.

"Wenn du lieber nachhause gehen und dich umziehen willst, verstehe ich das natürlich", entgegnet er einfühlsam, doch ich sehe die Enttäuschung in seinem Gesicht.

"Nein, nein, das meinte ich damit nicht", revidiere ich schnell und sein Gesicht erhellt sich postwendend. "Ich dachte eher daran, dass wir uns neu einkleiden."

"Aber es ist kurz nach 21 Uhr, die Läden haben alle geschlossen."

"Nicht alle", flüstere ich verschwörerisch und grinse ihn mit diebischer Freude an. Zeit, ihn ein bisschen auf die Probe zu stellen. "Ich kenne einen Laden, der garantiert noch auf hat. Vertraust Du mir?"

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Wenig später kommen wir unweit vom Dom zum Stehen. Die Flasche Rotwein haben wir auf dem Weg geleert und weggeschmissen, da sieht Noan sich fragend um. "Und wo soll dein geheimer Laden sein?", fragt er skeptisch.

Selbstsicher zeige ich auf den bunten Souvenirshop gegenüber vom Dom.

Ungläubig schüttelt Noan den Kopf. "Das kannst du nicht ernst meinen. Was sollen wir uns denn da kaufen? 'ne FC Köln-Flagge, in die wir uns einwickeln können?"

Ich schiebe ihn sanft auf den Laden zu. "Schöne Touri-Shirts natürlich", grinse ich zufrieden. Mein Plan, ihn damit aus der Reserve zu locken, scheint aufgefangen zu sein. "Ich suche dir eins aus und du mir."

Noan mustert mich. "Wenn ich dir nur ein T-Shirt im Austausch zu deinem Kleid kaufe, läuft du dann nicht den Rest des Abends mit einem nackten Hintern durch die Stadt?"

Zwinkernd hebe ich den Saum meines Kleides ein wenig an und entblöße eine schwarze Radlerleggings. Einmal mehr zahlt es sich aus, dass ich die kurzen Hosen immer unter meine Kleider ziehe, um ungewollten Popo-Blitzern vorzubeugen.

Anerkennend nickt Noan. "Du sorgst vor. Gefällt mir."

"Also. Deal?", versuche ich ihn auf meine Schnapsidee festzunageln. "Deal", verkündet er und schlägt mit mir ein. "Warte hier auf mich."

Er läuft vor und kommt wenige Minuten später zufrieden grinsend mit einer großen Papiertüte aus dem Shop. Ich versuche einen Blick hinein zu erhaschen, doch der gutaussehende Albaner hält die Tüte extra zu, um ihren Inhalt noch vor mir zu verbergen.

ONE NIGHT TILL SUNRISEWhere stories live. Discover now