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Noan richtet sich auf, sein ganzer Körper ist von null auf hundert in Alarmbereitschaft. Sein markanter Kiefer spannt sich an und seine dunklen Augen fixieren das Menschenknäuel in einigen Metern Entfernung wie eine Raubkatze ihre Beute.

"Wieso läufst du rum wie ein Clown auf Psychedelika? Das ist widerlich!", pöbelt eine Männerstimme.

"Du bist eine Schande für die Gesellschaft", tönt eine weitere Stimme.

"Oh, meine Süßen, ist das schon alles? Glaubt mir, ich habe schon deutlich schlimmeres gehört. Wenn ihr mit mir mithalten wollt, braucht ihr eine Menge mehr Glitzer und Glamour!", hält jemand selbstbewusst dagegen.

"Du denkst wohl, du bist witzig, was? Verpiss dich zu dem Regenbogen, aus dem du gekrochen bist. Wir akzeptieren hier keine Freaks wie dich", knurrt einer der Männer bedrohlich.

"Ach, Schätzchen, ich bin nicht hier, um von euch akzeptiert zu werden. Ich lebe mein Leben nach meinen eigenen Regeln und lasse mir das auch nicht verbieten."

"Dann leb dein Leben so, dass du uns nicht damit belästigst. Du bist eine Beleidigung für die Männlichkeit!"

"Darling, Männlichkeit kommt in vielen Formen und Größen. Es ist schade, dass eure offenbar so fragil ist, dass sie von meiner bloßen Anwesenheit bedroht wird."

Ihre Schlagfertigkeit beeindruckt mich. Niemals wäre ich in der Lage gewesen, in so einer bedrohlichen Situation so zurückzuschießen.

"Halt deine Fresse, du Schwuchtel", schreit einer der Männer jetzt deutlich aufgebracht. Die Situation ist dabei zu eskalieren, die Stimmung kippt. Dass das vermeintliche Opfer sind von den Männern nicht unterkriegen lässt, provoziert sie enorm.

"Ey! Was ist da los?", ruft Noan in die Dunkelheit.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Plötzlich bekomme ich es mit der Angst zu tun.

"Zieh doch mal dein Röckchen hoch, dann sehen wir mal nach deiner Männlichkeit. Ich bin mir sicher, dass unter deiner Reizwäsche ein ganz kleiner Schwanz versteckt ist", pöbelt er weiter.

"Sweety, dich würde ich nicht mal an mein Höschen lassen, wenn du dafür bezahlen würdest", kontert die raue Stimme und kichert aufgesetzt.

"Das reicht", beschließt Noan und sieht mir in die Augen. "Malou, du bleibst hier stehen, egal was passiert. Im Zweifelsfall läufst du dahin, wo andere Menschen sind, aber auf keinen Fall weiter in diese düstere Gasse, hörst du?", erklärt er mit Nachdruck, sieht mir tief in die Augen, mein Kinn zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger. Ich nicke ängstlich, dann drückt er mir einen schnellen Kuss auf die Wange und joggt in die Dunkelheit.

"Was ist hier los?", höre ich ihn bedrohlich knurren.

"Was juckt dich das?", antwortet jemand provokant.

"Was zur Hölle macht ihr da? Seid ihr bescheuert oder was?", erwidert er. Ich sehe Noan nicht, doch seine Stimme strahlt Selbstbewusstsein und Überzeugung aus, auch wenn er den Geräuschen nach zu urteilen deutlich in der Unterzahl sein dürfte.

"Was wir hier machen? Was macht denn der Hurensohn hier in diesem Fummel", entgegnet einer der Männer verächtlich.

Ich habe Angst um Noan, ich kann die Situation nicht einschätzen und dass ich nichts sehe, sondern mich nur auf mein Gehör verlassen muss, während mein Gehirn parallel dazu beängstigende Bilder erzeugt, macht es nicht besser.

"Na und? Dein beschissenes Hawaii-Hemd finde ich auch zum Kotzen und trotzdem komme ich nicht und haue dir dafür auf die Fresse. Lass doch die Leute in Ruhe, jeder kann machen was er will. Wenn's dir nicht passt, guck halt weg!"

ONE NIGHT TILL SUNRISEWhere stories live. Discover now