KAPITEL ZEHN

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Contentwarning: Selbstverletzungsnarben, Würgereiz

Das erste was ich spürte, war, dass mein Kopf pochte. Schrecklich pochte, als würde er jede Sekunde zerspringen. Und das Licht, das durch das eine Fenster hereinströmte, brannte in meinen Augen. Ich fühlte mich rund um beschissen. Mir war schlecht und meine Kehle war trocken. Am liebsten wäre ich einfach wieder eingeschlafen und hätte nichts von all dem gespürt.

Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach rechts. Simon lag auf dem Bauch, das Gesicht mir zu gewandt, die Arme unter dem Kissen verschränkt, er schien noch tief und fest zu schlafen, die Haare hingen ihm wild in die Stirn. Ich hoffte für ihn, dass er einen Kamm mitgenommen hatte.

Zu meiner linken lag Ally, sie hatte mir den Rücken zugewandt. Die Decke war ihr von den Schultern gerutscht und sie trug nichts weiter, als ihr schwarzes Tanktop. Ihre Schultern waren schmal und ihre Schulterblätter stachen unter ihrer hellen Haut spitz hervor. Ich erinnerte mich daran, dass nur wenige Zentimeter weiter unten ihre Narben begannen, von denen sie mir letzte Nacht erzählt hatte.

Als hätte sie gespürt, dass ich sie beobachtete drehte sie sich auf den Rücken und rieb sich verschlafen die Augen. Durch ihre Bewegung begann das Bett unter mir leicht zu schwanken. Mein Magen drehte sich um und mir war zum Kotzen zu mute. Auf einmal verspürte ich den Drang, mich zu übergeben. So schnell ich konnte wühlte ich mich aus den Decken, ohne dabei darauf zu achten, wem ich dabei auf die Beine trat. Als ich mich endlich aus meiner Schlafmulde befreit hatte spürte ich schon förmlich, wie sich mein Mageninhalt seinen Weg nach oben bahnte. Ich hielt mir eine Hand vor den Mund und stütze mich mit der anderen an der Wand ab, um das Gleichgewicht auf meinen wackeligen Beinen nicht zu verlieren. Dann stürzte ich ins Bad.

Ich erreichte die Toilettenschüssel gerade noch im letzten Moment, bevor ich mich übergab. Ich fühlte mich wie ein Zombie. Würgend und hustend lehnte ich über der Kloschüssel und erbrach all die Gummibärchen und Chips, die ich gestern in mich hineingestopft hatte. Der beißende Geruch meines Erbrochenen stieg mir in die Nase und löste neue Würgereize aus. Meine Hände zitterten und meine Augen tränten. Hell wie Wasser ergoss sich der Weißwein wieder aus meinem Mund heraus. Erbärmlich, dabei hatte ich doch fast nichts getrunken.

Erschöpft blieb ich über der Toilettenschüssel hängen und atmete schwer ein und aus. Wenn das immer passierte, wenn man mehr trank als man vertrug war es vielleicht doch nicht so toll wie ich zwischenzeitlich gedacht hatte.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter, erschrocken drehte ich mich um. Ally. Misst, ich wollte nicht, dass einer der beiden mich in diesem Zustand sah. Ich fühlte mich wie ein Stück Scheiße und vermutlich sah ich auch wie eines aus. Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. Ally strich mir ein paar Haarsträhnen hinters Ohr, die mir in die Stirn gehangen hatten. Ich versuchte es mit einem dankbaren Lächeln, doch es fühlte sich etwas zittrig an.

„Hätte mich auch gewundert, wenn du dich nicht hättest übergeben müssen, wir haben gestern ja wirklich auch bloß Schrott in uns rein gestopft, kein Wunder, dass dein Magen jetzt rebelliert.", tröstete sie mich. Sie drückte die Spülung der Toilette, während sie mir aufmunternd den Arm drückte. In dem gelblichen Licht der Badezimmerlampe warfen ihre Wimpern dunkle Schatten auf ihre Augen. Auch sie sah nicht all zu fit aus mit dunklen Ringen unter den Augen und den von der gestrigen Kälte leicht eingerissenen Lippen.

„Am Besten gehst du mal unter die Dusche.", schlug sie vor und zog mich vorsichtig wieder auf die Beine. Dann ging sie zur Tür, um mich alleine im Bad zu lassen. Kurz bevor sie aber das Bad verließ drehte sie sich noch einmal um. „Die Souvenirläden haben schon offen, es ist ja schon fast ein Uhr mittags, das heißt, ich werde dann mal runter gehen und schauen, ob ich ein paar T-Shirts oder so für uns auftreiben kann, dann können wir mindestens Oberteile wechseln.", meinte sie. Dann verschwand sie aus dem Bad und schloss die Tür hinter sich.

Teenage YearsWhere stories live. Discover now