Blood, Sweat and Tears

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Taehyung poltert in das Zimmer. Seine verwuschelten braunen Haare stehen in alle Richtungen ab. Nicht gerade leise, stolpert er im Halbdunklen auf die beiden friedlich schlafenden Idols zu, um sie zum Frühstück zu holen. Als Taehyung versucht die Beiden wach zu rütteln, bleibt sein Blick an dem Jüngsten ihre Gruppe hängen und ein Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht. Yoongis Augenlieder zucken und er öffnet die Augen schließlich vollends. Als er Taehyungs verträumtes Lächeln sieht, muss er ebenfalls grinsen und wackelt wissend mit den Augenbrauen. Taehyung verdreht ertappt die Augen und hilft dem, bereits vom Fenstersims gekletterten, Yoongi Jungkook aufzuwecken.

„Kookie, AUFSTEHEN!", quengelt Taehyung und schlägt Jungkook leicht gegen den Arm.

„Sonst hat Hobi das ganze Rührei aufgefuttert!", das Idol zieht einen Schmollmund.

Yoongi beobachtet das Ganze belustigt von der Seite. Für solche Momente liebt er seine Freunde. Eine halbe Stunde später sitzen die sieben BTS-Member gemeinsam am großenTisch im Wohnzimmer und frühstücken. Sie genießen die Zeit, in der keine Kamera vorhanden ist und unterhalten sich ausgelassen, über alles, nur nicht über den anstrengenden Tag, der vor ihnen liegt. Alles ist genauso verrückt wie immer. Taehyung beobachtet den mit Hobi herumalbernden Jungkook heimlich. Hobi spuckt vor Lachen über Jungkooks Grimasse Tee über Jimins Hose. Dieser wirft als Antwort darauf eine Rolle Kimbap nach ihm, während Namjoon das Ganze kopfschüttelnd beobachtet und dabei seinen Reis verspeist. Nur Yoongi wirkt traurig und in sich gekehrt, das ist aber in letzter Zeit nichts Neues. Tief in Gedanken versunken starrt er vor sich hin.

Irgendwann wird Jungkook auf das schweigsame Idol aufmerksam und stößt ihn leicht gegen den Arm. Yoongi schreckt auf und versucht sich unter Jungkooks durchdringendem Blick klein zu machen. Jungkook hat schreckliche Angst seinen bestenFreund zu verlieren und möchte ihn darauf ansprechen, doch ihn vor den anderen bloß zu stellen, ist für ihn auch keine Option. Also setzt er seinen „Darüber reden wir später"-Blick auf und wendet sich daraufhin wieder den Gesprächen der anderen zu.

Yoongi beobachtet das restliche Frühstück über sehnsüchtig seine besten Freunde, seine einzige Familie. Seine Eltern haben sich zu seinen Trainee-Zeiten von ihm abgewendet und ihn nie bei seiner Karriere unterstützt. Oft wünscht Yoongi sich einfach, sie würden herkommen, ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, dass alles gut werden würde. Die Lüge, die er nicht mehr glauben kann, wenn er versucht es sich einzureden, um weiterzumachen. Doch sie tun es nicht.

Yoongi hat keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er hat das Gefühl, jeder der ihm näher kommt und ihn richtig kennenlernt, wie er wirklich ist, wendet sich von ihm ab. Umso mehr tut es ihm im Herzen weh, seine einzigen Freunde zu verlassen. Er fühlt sich als würde, er sie verraten. Doch für ihn gibt es keine nanderen Ausweg. Das ganze Tanztraining legt er sich eine angemessene Entschuldigung zurecht und ist dementsprechend unkonzentriert. Der aus einer großen Musikbox schallende Song IDOL dröhnt in seinen Ohren, und trotzdem nimmt er die Worte gar nicht richtig wahr. Ständig stolpert er über seine eigenen Füße oder gerät aus dem Takt. Als er schließlich auf Grund eines verpatzen Richtungswechsel gegen Jungkook rasselt und zu Boden fällt, wird es Namjoon zu viel. Das nächste Lied muss Yoongi an der verspiegelten Wand sitzen und zuschauen, wie die anderen elegant durch den Raum wirbeln. Missmutig wippt er mit dem Fuß auf und ab und starrt die Schneeflocken an, die noch immer langsam vor der großen Fensterfront des Proberaums im Entertainment herabfallen und Seoul unter einer weißen Decke verschwinden lässt.

Es ist der erste Dezember, die Weihnachtszeit hat begonnen. Und doch fühlt sich Yoongi ganz und gar nicht weihnachtlich. Zeit Weihnachten zu feiern hat er sowieso nicht. Und wenn er ehrlich zu sich selbst ist, wirklich ehrlich, will er dieses Weihnachten nicht mehr erleben. Er hat mit diesem verhassten Fest abgeschlossen. Alle Welt hält ihm Reden über Hoffnung auf Besserung, wenn er diese doch schon aufgegeben hat. Zudem hat er das Gefühl, seine anderen Members mit seiner depressiven Stimmung zu vergiften, dieses Leid möchte er ihnen allzu gern ersparen. Und wie so oft hallt die innere Stimme ihn ihm nach, flüstert mit giftiger Stimme, was eine wertlose Kreatur er doch ist. Egal wie sehr, er versucht, das wütende Zischen in seinen Gedanken auszublenden, irgendwann bricht es doch zu ihm durch. Schwächt ihn von innen, ohne das irgendwer davon Notiz nimmt. Er hängt noch weitere zwanzig Minuten seinen trüben Gedanken nach, bis Namjoon alle zu einem Kreis zusammen ruft. Der Leader hätte gerne noch weitergemacht, aber als sich Jungkook und Jimin verschwitzt auf den Boden fallen lassen und nicht mehr aufstehen wollen, gibt er sich geschlagen und beschließt eine Pause einzulegen.

„Wir müssen heute noch mal dieChoreos zu Fire, Blood Sweat and Tears und Dope durchgehen! BangSi-Hyuk will sich nachher die Tänze anschauen. Morgen haben wir ein Fotoshooting und übermorgen schon das nächste Konzert!", befehlt der Leaderund allgemeines Stöhnen ist die Reaktion darauf. Keiner von ihnen hat Lust sich aufzuraffen und weiter zu tanzen. Es ist ermüdend für sie alle zu wissen, wie überall Leute ihre Häuser schmücken und Kinder draußen im Schnee spielen, während sie Tag ein Tag aus tanzen. Ohne Pause. Dazwischen geschoben Fotoshootings und VocalTraining, wann immer es geht Konzerte. Keine Zeit zum Aufatmen.

Taehyung hat sich mittlerweile im Schneidersitz neben Jimin an die verspiegelte Wand gesetzt und Jungkook hat seinen Kopf auf Taehyungs Schoß gelegt und es sich ebenfalls aufdem Boden bequem gemacht. Hobi liegt mit geschlossenen Augen, alle Viere von sich gestreckt auf dem Boden und macht keinerlei Anstalten wieder aufzustehen. Auch Jin sitzt einfach da und starrt müde vor sich hin. Namjoon seufzt, er ist mittlerweile wieder aufgestanden und steht unentschlossen an der Musikanlage. „Leute, ich weiß ihr seid müde, dass bin ich auch, aber wir müssen uns zusammenreißen. Unsere Army braucht uns, das wisst ihr alle", beginnt er seine Rede und irgendwann raffen sich Jin undJimin auf und helfen den anderen beim Aufstehen. Als alle wieder auf den Füßen sind, schaltet ihr Leader die Musik wieder an. Bald sind alle wieder in die Choreos versunken, die sie so satt sind, und auch Yoongi macht halbwegs konzentriert mit. Mit dem Gedanken sein vielleicht letztes Tanztraining halbwegs zu genießen. Die Zeit zugenießen, die ihm noch gegeben ist.

Doch kaum das Bang Si-Hyuk, der Chefihres Entertainments, BigHit, den Raum betritt, verkrampft Yoongi sich wieder und ist kaum noch bei der Sache. Als er zum vierten Mal seinen Einsatz verpasst, bei einer Choreo, die er mal im Schlaf konnte, wirft ihm sein Chef einen abschätzigen Blick zu, bei dem er am liebsten im Erdboden versunken wäre. Beschämt blickt er zu Boden, tanzt aber trotzdem weiter. Als sie die Vorführung der vier Lieder endlich beenden und Yoongi sich zu anderen auf den Boden setzen möchte, nimmt ihn sein Chef zur Seite und bedeutet ihm, Si-Hyuk in sein Büro zu folgen. Er schluckt, schafft es seinen Membern noch einmal schwach zu zulächeln, die ihn allesamt besorgt anschauen und folgt dem Anderen dann hinaus. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken und sein Herz pocht, als würde es jeden Moment aus seiner Brust springen. Er will ja sterben, aber nicht so. Mit gesenkten Kopf steht er vor dem penibel aufgeräumten Schreibtisch seines Chefs. Das Idol wagt es nicht diesem in die Augen zu sehen, aus Angst die selbe Enttäuschung zu sehen, die er schon bei so Vielen gesehen hat. Die Worte seines Chefs, Yoongi könne keine Choreo mehr zur Stande, würde keine positive Energie ausstrahlen oder sich groß um die Fans kümmern, treffen ihn hart. Aber als sein Chef ihm vorwirft er wäre eine Last für das Team, die den Erfolg der Band dämpft, bricht fürYoongi eine Welt zusammen. Wenn ihm die einzigen Personen genommen werden, die sein Leben lebenswert gemacht haben, sieht er keinen Grund mehr, all den Schmerz weiter zu ertragen. Er würde auf derStraße landen, ohne Job, ohne viel Geld, ohne Freunde. Verstoßen.

Dass er sich zusammen reißen oder die Band verlassen muss, hört er kaum noch, so sehr dreht sich alles. Erversucht in diesem Strudel der Verzweiflung irgendwo Halt zu finden. Steif nickt er und rennt dann ohne ein weiteres Wort schwankend aus dem Büro. Kaum ist die Tür hinter ihm zugeschlagen, da laufen stumme Tränen über sein Gesicht.

Er hasst sich selbst dafür, ständig diese emotionalen Ausraster zu haben, bei denen seine Maske der Gleichgültigkeit zerbricht, doch er kann es nicht ändern. Als er aus dem Entertainment stürmt, zieht er sich die Snapback tiefer ins Gesicht. Inständig hofft er, nicht erkannt zuwerden. So aufgelöst soll ihn niemand zu sehen bekommen. Er rennt hinaus auf die verschneitenStraßen Seoul, fühlt die Kälte des Schnees auf seinem Gesicht, die ihm zeigt dass er doch noch in der Lage ist zu fühlen. Ohne auf die empörten Rufe der Passanten zu achten, rennt er durch die Fußgängerzone. Der Schnee knirscht unter seinen Füßen, als erden Stadtpark betritt. Es ist ziemlich kalt und er hat nur seine leichten Tanzsachen an. Seine Winterjacke hängt noch imEntertainment.

Sein Atem bildet kleine Wölkchen, diein der Winterluft verfliegen, wie die Erinnerung an eine wirklichschöne Zeit, die so lange zurück zu liegen scheint. Als er zurück blickt auf die Straße, bleibt sein Blick ganz kurz an einem Mädchen hängen. Wie eingefroren steht es auf der anderen Straßenseite, das Gesicht verhüllt, mit einem einzigen Schlitz. Ihre stechenden blauen Augen durchbohren Yoongi, jagen ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Kurz schauen sie einander direkt an, dann dreht sich das Mädchen um und verschwindet im Gedränge. Fröstelnd stapft Yoongi weiter durch den Schnee. Immer weiter, um alles hinter sich zu lassen.

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My blood, sweat, tears and my last dance

Take it all away

My blood, sweat, tears and my cold breath

Take it all away

The untold truth -inner demonsDonde viven las historias. Descúbrelo ahora