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Die Welt vor dem Fenster versinkt im Nebel, einzelne Regentropfen laufen an der Fensterscheibe herunter. Yoongi fährt die Bahnen der Tropfen mit dem Finger nach, Nico starrt konzentriert nach draußen auf die Straße und versucht draußen in der Dunkelheit irgendwas zu erkennen. Die Straßen sind wie ausgestorbenen, kaum jemand ist unterwegs.

Doch draußen im Nebelsteht ein einziges Mädchen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, dennoch blitzen ihre Augen darunter hervor, als sie den Kopf hebt. Ihr Blick ist eisern auf das Fenster gerichtet, aus dem Yoongi und Nico hinaus schauen. Ihr gezischter Fluch verhallt ungehört im Nebel. Sie verschwindet ungesehen, unerkannt. Weder Nico noch Yoongi hat sie bemerkt. Die Beiden sitzen sich gegenüber auf der Fensterbank und erzählen sich etwas. Nico erzählt von seinem Heimatdorf und von seiner Schwester, Yoongi von den anderen BTS-Membern, von den Fans und von ihren zahlreichen Konzerten. Keine Sekunde lang erwähnt Nico, wie sehr das Wissen seine Schwester zu verlieren ihn quält und wie sehr er seine alten Freunde vermisst. Auch Yoongi verliert kein Wort über den Druck, ein Idol zu sein, über all die Tage, an denen er einfach aufgeben will. Und obwohl sie die negativen Seiten, die eindeutig überwiegen, auszublenden versuchen, legen sie ein stilles Versprechen ab, füreinander da zu sein. Es fühlt sich richtig an, so verdammt richtig. Und dennoch so falsch, sich aneinander zu binden, obwohl sie doch wissen, dass sich ihre Wege wieder trennen werden. Dass sie einander verlassen müssen, sosehr der Gedanke daran auch schmerzt. Sie kennen sich nicht, wissen kaum etwas über einander, und doch ist zwischen ihnen eine Verbindung, die schwer zu definieren ist. Sie sind so fremd und gleichzeitig so vertraut. Yoongi ignoriert, wie seine Stimme mit jedem Wort immer brüchiger wird und Husten seinen Körper immer öfter schüttelt. Als Miss Kim gegen Mittag das Zimmer der Beiden betritt, um Yoongi zu seiner Therapie zuschleifen, sitzt Yoongi am Kopfende seines Bettes an die Wand gelehnt, ein nasses Handtuch auf Stirn. Nico hält seine Hand und erzählt ihm leise etwas. Die Krankenschwester lächelt und hebt dann fragend eine Augenbraue. „Wohl keine Therapiestunde heute",murmelt sie.

„Er hat Fieber, glaub ich", erklärt Nico und klingt dabei beinahe vorwurfsvoll. Miss Kim kramt ein Thermometer aus den Tiefen ihrer Manteltasche hervor und misst Yoongis Temperatur. „ 40,3°", liest sie vomThermometer ab. „Ich hole Fiebersaft." Nun ist es ihre Stimme, die einen vorwurfsvollen Unterton aufweist. „Warum sagt ihr denn nicht früher Bescheid?!" „Dieser Pabo hielt das für unnötig", grinst Nico und Yoongi boxt ihm leicht gegen dieSchulter. Miss Lee verdreht nur grinsend die Augen und verschwindet dann. Kurze Zeit später taucht sie wieder auf und stellt Yoongi einePackung mit Fiebersaft und eine Schüssel Suppe auf den Nachttisch. Dann verbindet sie erneut Yoongis Bein. „Vielleicht lässt du da sEisbaden demnächst einfach", stellt sie nüchtern fest und Yoongi grummelt etwas Unverständliches. Kaum ist sie verschwunden,fängt Nico an zu lachen und irgendwann steigt Yoongi mit ein. „Krieg ich auch was von der Suppe?", fragt Nico mit Hundeblick undYoongi schüttelt belustigt den Kopf. „Du bist nicht mal krank",grinst Yoongi. „Nicht krank genug, um so blöd zu sein wie du", schießt Nico sofort zurück. Gespielt beleidigt verschränkt Yoongi die Arme vor der Brust und bläht die Wangen auf, wobei ihm der nasse Lappen von der Stirn fällt. „Du siehst süß aus, wenn du beleidigt bist", stellt Nico ehrlich fest, bevor er die Worte unterdrücken kann.

„Ich bin nicht süß!Ich bin angsteinflößend, cool und ... Hey", empört sichYoongi, während Nico sich die Suppenschüssel schnappt und anfängt zu löffeln.

Erst als Yoongi den Fiebersaft herunter gewürgt hat, lässt Nico ihn auch von der Suppe essen. „Meine Schwester kommt nachher, meine Eltern morgen",sagt Nico irgendwann und Yoongi nickt stumm. „Yumi ist zwar auch hier im Krankenhaus, aber sie geht, bevor sie kommt nochmal zu uns nach Hause und holt mir ein paar von meinen Sachen. Willst duKleidung von mir ausleihen? Oder hast du vor die nächste Woche immer das gleiche Ninja-Outfit anzuziehen?", schmunzelt Nico und blickt an dem komplett in schwarz gekleideten Idol hinunter.. „Wenn'sgeht, würde ich mir was ausleihen", meint Yoongi und derJüngere nickt. „Ich schreib ihr... ich hoffe du hast Ohrstöpsel, sie wird das ganze Krankenhaus zusammen schreien, wenn sie sieht, dass ich mit ihrem Yoongi-Schatzi auf einem Zimmer bin." Nico verdreht die grinsend die Augen und wuschelt Yoongi durch die Haare. Dieser will protestieren, aber Nico ist schon im Bad verschwunden um vor dem Besuch seiner Schwester noch duschen zu gehen. Auch Yoongi springt nach Nico noch schnell unter die Dusche, was ich Verbänden an Unterarmen und Beinen etwas schwieriger heraus stellt, dann sitzen die Beiden mit nassen Haaren auf Yoongis Bett und warten auf Yumi. Kurze Zeit später klopft es energisch an der Tür. Bevor Nico überhaupt eine Chance hat, seine Schwester herein zu bitten oder die Zimmertür zu öffnen, wird diese aufgestoßen und ein mit einer riesigen Reisetasche bepacktes Mädchen stolpert herein. Genervt pustet sie sich ihre langen braunenHaare, die ihr immer wieder über die braunen Augen fallen, aus dem Gesicht. Mitten im Raum lässt Yumi die Tasche fallen, stürmt auf ihren Bruder zu und fällt ihm um den Hals.

„Du bist so ein Pabo",schimpft sie in Nicos Schulter und mustert dann den Minthaarigen.Nach etwa zwei Sekunden reißt erstaunt die Augen auf. „OH MEIN..",quiekt sie, aber Nico hält ihr schnell eine Hand vor den Mund, doch Yumi dreht ihm diese mit einem gekonnten Griff auf den Rücken und wendet sich dann an Yoongi, als wäre nichts gewesen. „Du bist Suga", haucht sie. „Nico meinte am Telefon nur, er hätteeinen minthaarigen Irren gerettet", setzt sie vorwurfsvoll hinzu. „Stimmt doch, also Yumi – Yoongi, Yoongi – Yumi",presst Nico hervor und befreit sich von seiner Schwester. Yoongi grinst in sich hinein. Die beiden Geschwister sind genauso ein Chaotenduo, wie Jungkook und Taehyung, denkt er. Der bloße Gedanken an seine Freund versetzt Yoongi einen Stich. Er fühlt sich schuldig,sie ihn Ungewissheit zurückzulassen. Es fühlt sich falsch. Yoongiselbst wäre krank vor Sorge, wenn er nicht er nicht wüsste, obJungkook oder einer der anderen Member noch leben würde. Über kurzoder lang wird erneut versuchen müssen, sich das Leben zu nehmenoder ins Entertainment zurück kehren. Er schluckt und umklammert ohne es wirklich zu realisieren Nicos Hand. „Awwwww." Yumi lächelt und formt mit den Fingern ein Herz, während sie etwas verloren auf der Bettkante sitzt. Yoongi streckt einladend einen Arm aus und zieht sie mit in die Umarmung. „Gruppenkuscheln."Fröhlich legt Yumi ihre Arme um die beiden Jungen. Yoongi lässt sich in die Arme der Geschwister sinken und eine Weile verharren sie so, eine angenehme Stille macht sich breit. „Ich hab Hunger",murrt Yumi plötzlich und bringt die beiden Anderen damit zum Lachen.

„Ich hab irgendwo Kekse mitgebracht." Schwungvoll steht die Japanerin auf und schleiftdie Reisetasche von der Tür her in die Mitte des kleinen Raumes. Während Nico und Yoongi die Hoodies, die Yumi für die Beiden mitgebracht hat, begutachten, kramt sie nach etwas Essbaren und setzt sich schließlich mit einer Dose in den Händen wieder aufs Bett. Kopfschüttelnd zieht er einen grauen Hoodie mit Katzenohren an der Kapuze aus dem Durcheinander an Kleidungsstücken und hält in Nico unter die Nase. „Dadrin will ich dich sehen", sagt er und grinst Nico herausfordernd an. Nico nickt und wühlt dann ebenfalls in dem Kleiderhaufen. „Sag mal, ist das irgendwie auch nur ansatzweise sortiert?", kommt es schließlich genervt vonihm.

„Wenn du alles aus demSchrank reißen und in die Tasche stopfen als sortieren bezeichnest,dann ja", entgegnet Yumi trocken und steckt sich einen Keks in den Mund. Schließlich findet Nico,was er sucht: einen blauen Hoodie mit Rentieraufdruck. Yoongi verdreht die Augen, verschwindet aber protestlos im Bad, um sich umzuziehen. Unter seinem schwarzen Hoodie, welchen er achtlos in die Ecke pfeffert kommen die Verbände an seinen Armen zumVorschein. Es sind Narben der Vergangenheit, die er immer mit sichtragen wird, die niemals vollends heilen werden. Als er sein Ebenbild im Spiegel anschaut, starrt ein blasser, magerer Jungezurück. Und doch ist der stumpfe Ausdruck gewichen, einem Funkeln. Yoongi lächelt, nicht gezwungen, einfach weil er glücklichist. Weil Nico und Yumi ihn glücklich machen.
Frustriert schüttelt er den Kopf. Letztendlich sind es zwei Fremde, die ein kurzes Stück seines Weges erstrahlen lassen. Es bricht ihm das Herz die Beiden wieder verlassen zu müssen. Und erneut schweifen seine Gedanken ab, wandern zu Jungkook.
,,Ich komme wieder, Kookie, versprochen... Ich werde es versuchen, weiter zu kämpfen, an deiner Seite", flüstert er seinem Spiegelbild entgegen und streift sich schließlich den Weihnachtspullover über den Kopf. Alser humpelnd zurück ins Zimmer kommt, hat Nico sich bereitsumgezogen, seine dunklen Haare schauen unter Kapuze hervor.
Die Katzenohren wackeln auf und ab, als Nico den Kopf schief legt umYoongi zu begutachten.
,,Und, wie sehe ich aus? Super oder super?", fragt Yoongi und wirft sich imaginäre lange Haare über die Schulter. Sein Blick verweilt auf Nico, bis ein mechanisches Klicken seine Aufmerksamkeit auf Yumi lenkt, die schnell ihr Handy inihrer Tasche verschwinden lässt. Der restliche Nachmittag ist schön, wirklich schön. Die Drei essen Kekse, erzählen sichGeschichten und bearbeiten Selfies mit Yumis Handy zu lachhaften Gestalten. Und zumindest für einen Augenblick, ist Yoongi nichtSuga, nicht der berühmte Rapped, sondern ein ganz normaler Junge. Und dieses Gefühl ist für Yoongi unfassbar befreiend. Als Yumi und Yoongi Nico gerade wegen einem besonders unglücklichen Filter auslachen, klopft es an der Tür und die drei schauen auf, sowie diese geöffnet wird. Die Zeit scheint still zu stehen, während sichJungkook und Yoongi einander in die Augen starren.

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I will never take off my mask
I'm not the one you know in this mask
Make up to wake up today
And dress up to mask on
To be the one you love
To become the one you love


The untold truth -inner demonsDonde viven las historias. Descúbrelo ahora