8. Tanzmuffel

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Ich nahm mir ausgiebig Zeit, die Kleider anzuprobieren und sie im großen Wandspiegel zu betrachten. Ich wühlte mich durch mattgrünen Tüll und schwarzen Samt, durch Paillettenstickereien und zarte Spitze. Ich genoss die verschiedenen Materialien auf meiner Haut und bewunderte, welchen Einfluss die unterschiedlichen Schnitte auf meine Form hatten. Am meisten überzeugte mich ein süßes Kleid, das über den Knien endete. Es war bunt geblümt und hatte lange luftige Ärmel. Ich grinste. Ja, das stand mir wirklich gut. Voller Motivation machte ich mich daran, die Schuhkartons zu öffnen... und musste schlucken. Matteos Assistentin war wohl eine von den Frauen, die den ganzen Tag in zehn Zentimeter Absätzen herumflanierten, als sei es ihre leichteste Übung. Ausnahmslos alle der Schuhe hatten hohe Absätze. Sie sahen bezaubernd aus, aber wie sollte ich darin jemals laufen können? Ich zwängte meine Füße in süße Wildleder- Sandaletten hinein und machte ein paar Schritte. Ich bewegte mich wie eine zum Leben erweckte Vogelscheuche. Auch die Pumps machten es nicht besser. Die Keilabsätze warfen mich komplett aus der Bahn. Und die Stilettos würden mich umbringen, dessen war ich mir sicher. Frustriert blickte ich mich um und entschied mich dann dazu, meine Vans wieder anzuziehen. Im Club schaute doch eh niemand auf die Füße, oder?

Matteo wartete bereits auf dem Sofa auf mich. Obwohl er vorhin schon ausgehbereit ausgesehen hatte, hatte er sich ein neues Hemd angezogen. Er sah an mir herunter.

„Hübsch.", murmelte er und meine Wangen wurden warm.

„Ich konnte in den anderen Schuhen leider nicht so gut laufen.", gab ich betreten zu, als sein Blick bei meinen Vans angekommen war.

„Das macht nichts," meinte er lächelnd, „Wir kommen sowieso in jeden Club rein."

„Tun wir das?", fragte ich zweifelnd.

„Jap.", sagte er überzeugt und marschierte zur Tür.

Wir kamen tatsächlich ohne Probleme in den Club. Sogar an der Warteschlange vorbei. Die Türsteher begrüßten Matteo respektvoll mit seinem Namen.

„Warum kennen die denn schon wieder deinen Namen?" rief ich, während wir durch den lauten Flur liefen.

„Ich bin der Besitzer dieses Clubs.", meinte er.

„Oh.", machte ich. Das war ja mal was. Er lebte also nicht nur vom Diebstahl. Oder hatte er den Club etwa auch geklaut? Aber das wäre sicher zu auffällig gewesen.

„Heißt das, dass wir Freigetränke bekommen?", fragte ich. Ich hatte nämlich ehrlich gesagt überhaupt kein Geld dabei.

„Du musst heute Abend keinen Cent für irgendwas zahlen. Hab einfach Spaß.", erklärte er.

Ich nickte zufrieden. Das klang wie eine gute Basis für meine allererste richtige Party- Nacht.

Der Club war groß und brummte mit elektrischen Bässen. Er leuchtete in verschiedenen Blautönen und Blitze zuckten im Takt der Musik von der Decke. Überfordert starrte ich die tanzende Menge an. Zwischen ihnen ragten Konstrukte aus Metall auf, die aussahen wie eine dystopische Science- Fiction Kulisse. Auf ihnen tanzten einzelne Tänzerinnen und Tänzer, die sich so gut bewegen konnten, dass sie Profis sein mussten.

„Okaaay.", machte ich, ohne einen blassen Schimmer, was ich nun tun sollte.

Matteo ergriff meinen Arm und zog mich zur Bar. Ich bestellte einen Mojito. Erleichtert, endlich nicht mehr dumm rumstehen zu müssen, ließ ich mich auf einen Barhocker gleiten. Matteo unterhielt sich mit dem Barkeeper und kurze Zeit später gesellten sich noch zwei weitere Männer dazu, die hier zu Arbeiten schienen. Ich schlürfte ohne Pause meinen Mojito und als Matteo sich wieder mir zuwandte, hatte ich gerade meinen zweiten Cocktail bestellt.

Er sah von meinem zweiten Cocktail zu mir und hob eine Augenbraue. Dann beugte er sich zu mir.

„Du hast ja einen ganz schönen Zug drauf.", murmelte er.

„Ich kann nicht anders, wenn es kostenlos ist.", meinte ich und zuckte mit den Schultern.

Er lachte, wobei sich Grübchen in seinem Gesicht abzeichneten.

„Lass uns zwischendurch auch mal tanzen gehen.", schlug er vor.

Ich warf einen ängstlichen Blick in Richtung Tanzfläche.

„Ja, später.", murmelte ich ausweichend.

„Gut, dann gehe ich jetzt ein paar Leute im VIP Bereich begrüßen. Bleib bitte hier in der Nähe, damit ich dich nicht verliere."

Ich nickte und widmete mich meinem Zombie.

Als er zurückkam, war ich dabei einen Bramble zu schlürfen. Mittlerweile fühlte ich mich nicht mehr ganz so unwohl und fehl am Platz. Ehrlich gesagt, nahm ich meine Umgebung gar nicht mehr so genau wahr. Matteo zog eine Augenbraue hoch, als er den neuen Cocktail in meiner Hand sah.

„Okay, lass uns tanzen gehen, bevor du nur noch schwankst.", meinte er.

„Ja, gleich.", beschwichtigte ich ihn, „Aber ich möchte erst noch diesen Cocktail fertig trinken."

Leicht genervt lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Bar und fuhr sich mit der Hand durch die Locken. So langsam wie ich nur konnte nippte ich an meinem Bramble. Plötzlich steuerte eine hübsche Frau in einem engen weißen Kleid auf Matteo zu. Sie lehnte sich dicht neben ihn an die Bar. Ich fragte mich, ob es normal war, dass man seinen Hintern so weit emporstreckte, wenn man sich über die Bar beugte. Sie schien etwas zu ihm zu sagen und er antwortete ihr. Leider konnte ich es nicht verstehen, da sich das Ganze auf der anderen Seite von Matteo abspielte. Sie sagte erneut etwas zu ihm und er lachte. Es musste wohl etwas Witziges gewesen sein, überlegte ich. Instinktiv wanderte mein Blick zu ihren Schuhen. Sie trug Stilettos. Sogar noch höhere, als die, die ich zuvor anprobiert hatte. Und sie bewegte sich darin wie eine Grazie. Frustriert wendete ich mich ab und schlürfte meinen Brombeer- Cocktail. Plötzlich spürte ich Matteos Hand auf meinem Rücken. Er stand dicht neben mir, warm und gutriechend und ich verschluckte mich fast an meinem Drink.

„Tanzen?", fragte er mich noch einmal.

Ich blickte auf. Die Stiletto- Frau stand immer noch hinter ihm, mit einem wenig erfreuten Blick. Möglicherweise war das gemein, aber ich wollte so sehr, dass er nicht mit ihr tanzen ging, sodass ich zustimmte.

Mafia 101 - MatteoWhere stories live. Discover now