15. Wein und Weinen

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˗ˏˋ Grete ˎˊ˗

Ich lag in Matteos Wohnung auf dem riesigen Sofa und ließ meinen Blick über die Stadt unter mir wandern. Das gedimmte Lichtermeer an der Decke und die Nachtluft, die durch gekippte Fensteröffnungen in der Glaswand hereinkam, lullten mich ein und ich streckte mich genüsslich aus. Ich schreckte auf, als ich die Tür hörte und Matteo eintrat. Er öffnete einen Wandschrank direkt neben der Tür und hantierte mit irgendwelchen Dingen herum, die ich aufgrund der Schranktür nicht erkennen konnte. Er verschloss den Schrank mit einem Zahlenschloss und kam auf mich zu. 

Sein Blick fiel auf die Tafel Schokolade auf dem Wohnzimmertisch, die ich, von einem Stuhl aus, aus dem höchsten Küchenschrank gezogen hatte. Er schmunzelte.

„Ich sehe schon, wenn ich meine Vorräte vor dir verstecken will, muss ich verdammt kreativ werden.", meinte er.

Ich zuckte verlegen mit den Schultern.

„Sorry, ich hatte Hunger und dachte, die Schokolade sei da oben in Vergessenheit geraten.", meinte ich entschuldigend.

„Lass uns Essen bestellen.", bestimmte er und zückte sein Handy.

Er reichte es mir mit der PDF der Speisekarte eines Restaurants auf dem Display. Ich ließ meinen Blick darüber fliegen. Sautierte Jakobsmuscheln...Wintertrüffel...Kalbstatar...und eine Menge französischer Ausdrücke standen darauf. Und keine Preise. Ich hob eine Augenbraue.

„Ich bezweifle, dass man bei diesem Laden bestellen kann, ehrlich gesagt.", merkte ich an.

„Man kann.", versicherte mir Matteo, „Und du bist eingeladen.", fügte er hinzu, als ob er ahnte, was ich als nächstes hatte anmerken wollen. Bei französischen Ausdrücken für Speisen ohne ausgeschriebene Preise schlug mein Portemonnaie nämlich Alarmstufe rot. Eine Einladung hingegen nahm ich gerne an. Wahllos ließ ich meinen Finger über die Karte gleiten und zeigte auf ein französisches Wort.

„Ich nehme das.", erklärte ich.

Matteo stand auf und rief beim Restaurant an, um unsere Bestellung aufzugeben. Dann machte er sich an einem riesigen Glasregal zu schaffen, das die Wand hinter einem langen Bartresen aus Beton einnahm. Mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern kam er zurück zu mir.

Er schenkte mir ein kleines Lächeln, dann goss er zwei tiefrote Probierschlucke in die bauchigen Gläser.

„Hier." Er reichte mir ein Glas, „Sag mir, ob er dir schmeckt."

Ich schnupperte am Wein.

„Ehrlich gesagt bin ich überhaupt keine Weinkennerin.", gab ich zu.

„Du sollst ihn nicht kennen, du sollst nur sagen, ob er dir schmeckt.", erklärte er nachdrücklich.

Ich probierte. Der Wein war vollmundig und gar nicht so bitter, wie ich es von Rotwein erwartete. Er schmeckte warm. Nicht von der Temperatur her, sondern vom Geschmack. Ich nickte.

„Schmeckt wirklich nicht schlecht.", meinte ich.

Er goss mir nach.

„Ist von meinem Onkel Cicero. Er hat ein Weingut in Apulien.", erzählte er.

„Dein Onkel baut Wein an? Das ist ja cool.", fand ich.

Schweigend tranken wir unseren Wein.

„Du, Grete, es tut mir leid.", begann Matteo plötzlich, „Es tut mir leid, dass... dass ich dich in Gefahr gebracht habe." Er blickte in sein Weinglas, als finde er die richtigen Worte in den roten Fluten des Getränks.

„Weißt du, ich bin gut darin, Menschen zu benutzen. Ich überrede sie, verführe sie, zwinge sie, bis sie tun was ich will. Damit bin ich immer gut gefahren. Und dann warst du plötzlich da. Hast mein Auto beschädigt, ich war stinkwütend. Dann erfahre ich, dass du den Schlüssel hast – wortwörtlich – zu meinen nächsten Hundertmillionen. Und natürlich benutze ich dich. Aber du bist anders, als das übliche Klientel, mit dem ich zu tun habe. Du weißt absolut gar nichts über meine Welt – absolut nichts. Und jetzt bist du ihr ausgeliefert. Jetzt bedrohen sie dich, einfach nur, weil ich dich da reingezogen habe."

Er sah mich direkt an und ich ließ mich von seinem Blick festpinnen, unfähig, ihm etwas entgegenzusetzen.

„Jetzt hängst du mit mir zusammen, hängst da mit drin und kannst gar nichts für.", führte Matteo aus, „Das tut mir leid. Das tut mir echt verdammt leid und ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen."

Ich nickte betreten. Beim Nicken merkte ich, dass sich Tränen hinter meinen Augen angesammelt hatten. Ich biss mir auf die Unterlippe, um sie zu unterdrücken. Die Situation war einfach verdammt schwierig. Das organisierte Verbrechen hatte mich im Visier. Eine Organisation, von der ich keine Ahnung hatte. Ich kannte nicht ihre Namen, ihre Gesichter, ihre Ziele. Ich fühlte mich, als treibe ich an eine Planke geklammert auf dem stürmischen Meer, völlig orientierungslos. Und die rettende Planke, die war Matteo. Aber Matteo war auch die Planke, wegen der das Boot erst vollgelaufen war. Ich wusste, ich sollte bodenlos sauer sein auf ihn. Aber das Problem war, dass ich ihn trotz allem auch irgendwie mochte. Und das, obwohl ich es besser wissen sollte. Er war kriminell und skrupellos. Zaghaft blickte ich zu ihm auf. Aber er war auch verdammt sexy und liebenswert. Dumme, dumme, Grete. Das war nicht gut. Das war verdammt ungesund.

Ich bemerkte zu spät, dass die Tränen es rausgeschafft hatten und über meine Wangen rollten. Jetzt konnte ich sie nicht mehr aufhalten. Matteo saß bedröppelt neben mir und sah mir zu, wie ich heulte. Dann nahm er seine Hand und strich über meine nasse Wange.

„Ich kann es nicht wieder gut machen. Aber ich verspreche dir, dass ich dich beschützen werde.", erklärte er ernst.

Ich blickte zu ihm auf. Dann nickte ich.

„Ich bitte darum.", murmelte ich schniefend.

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt