6: Liebe?

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POV. Shinju

Wütend funkelte ich Iino an und versuchte gleichzeitig an ihr vorbei auf die Tribüne zu gucken. Und tatsächlich! Giichi, ein Junge mit hellen fuchsfarbenen Haare und ein schwarzhaariges Mädchen sahen zu uns runter. Der Junge hob nun eine Hand und winkte fröhlich, doch das Mädchen zog seinen Arm blitzschnell wieder runter und zischte ihm etwas ins Ohr, woraufhin er erschrocken zwei Schritte in Richtung Giichi wich und sich an ihn klammerte.
Giichi beachtete ihm jedoch nicht und blickte unverwandt in meine Richtung, sodass mein Herz einen Schlag lang aussetzte und ich erst wieder zu mir kam, als Iino mir mit vielsagendem Grinsen, den Ellenbogen in die Seite stieß.
«Lass das, Iino!» zischte ich und legte meinen Schutzhelm, den ich immer noch in der Hand hielt,  zu den anderen.
Nanami warf mir einen mitleidigen Blick zu.

«Tomioka-san und die anderen wollen mit dir reden.» sagte sie und lächelte leicht.
Irgendwie wirkt sie niedergeschlagen...
Das passte nicht zu ihr. Seit Giichi sie in der Cafeteria vor ihren Sturz bewahrt hatte, befand sie sich in einem merkwürdigen Schweigezustand. Normalerweise würde sie lachen und genau wie Iino sich darüber lustig machen, wenn ich meine Fassung verlor, sobald unsere Gespräche zu Giichi abglitten.
Stattdessen wurde sie schweigsam und rührte in ihrem Kakao.
Könnte es etwa sein... dass sie in Giichi verliebt ist?

Dieser Gedanke gab meiner ohnehin schon schlechten Laune den Rest.
«Was will er denn von mir?» fragte ich genervt und blickte ungehalten zwischen Kazuko und Nanami hin und her.
«Er - nichts, aber seine Freundin, Sakanagi Masami-san.» erwiderte sie.
«Seine Freundin?»
Jetzt wurde ich hellhörig.
«Vielleicht auch nur eine Freundin, das weiß ich nicht.»
Kazuko zuckte mit den Schultern.
Wir schwiegen.
«Schön...» Ich seufzte, «Dann gehe ich mal!»
Mit schnellen Schritten durchquerte ich die Halle und schleppte mich die Treppe hoch. Das Training war heute besonders anstrengend gewesen, da unser Trainer einen Wettkampf mit einer anderen Schule organisiert hatte. Meine Muskeln schmerzten, ich schwitzte und meine schlechte Laune sank nicht im Geringsten.
So wie ich jetzt darüber nachdachte wollte ich unter keinen Umständen, dass Giichi mich so sah (vor allem nicht vollkommen verschwitzt!). Ich machte mitten auf der Treppe halt und strich über meine Haare.
Nass.
Bevor ich allerdings die Möglichkeit bekam, so schnell wie möglich wieder auf dem Absatz kehrt zu machen, um dem entgegenzuwirken, da stellte sich mir das schwarzhaarige Mädchen in den Weg und blickte mit ihren ernsten Augen zu mir runter.

«Kato-san?»
«Ähm... ja.»
Ich verfluchte sie innerlich und drehte mich wieder in ihre Richtung.
«Ich wollte dich fragen, ob es möglich wäre einen Platz in der Schülervertretung zu bekommen?»
Sie kam also gleich zum Punkt. Nur schien sie dabei weder sonderlich engagiert, noch verlegen. Fast, als würde sie einer lästigen Pflicht nachgehen wollen.
Ist so eine wirklich Giichis Freundin? Sie ist doch so... ernst...
Hinter ihr kamen nun auch Giichi und der andere Junge an, der elegant die drei Stufen zu mir runter sprang und mich neugierig musterte.
«Hey! Ich bin Sae und musst wohl die Shino sein von der Giichi immer-»
Giichi schlug ihm seine Hand vor den Mund und drückte ihn so an die Wand neben der Treppe.
«Sie heißt Shinju!» zischte er ihm zu und lächelte mich dann etwas schief an.
«If haff dof ga niwks gesawft!!» nuschelte Sae in seine Hand.

WAS IMMER?!!
Sowohl die Tatsache, dass Giichi verhindern wollte, dass Sae etwas sagte machte mich neugierig und ließ sowohl meinen Herzschlag auf Hochtouren auflaufen und meinen Verstand für das eigentliche Thema verlieren. Jedenfalls solange, bis Masami die beiden Jungs auseinander schob (ihre Hand auf Giichis Brust!!) und sich mit einem langen Seufzer wieder an mich wandte.
«Könnten wir das vielleicht woanders besprechen?» fragte sie mich und wandte sich wieder an Giichi und Sae (die sie immer noch auseinander drückte), «Ihr wartet vor der großen Glocke, ja?»
Als beide nickte ließ sie sie los und ging den Rest der Treppe nach unten.
«Warte Masami!!» Sae sprang hinterher, «Welche Glocke?!»

Ihre Antwort hörte ich nicht mehr, weil mir im selben Moment klar wurde, dass Giichi und ich nun allein hier standen.
«Also...» begann er etwas zaghaft, «Wie war dein Training?»
«Was meinte Sae damit, dass du immer über mich tust?!» platzte es aus mir heraus und gleichzeitig hätte sich auch gerne der Boden auftun können, um mich zu verschlingen.
«Oh das...» Er lachte leise.
Bilde ich mir das ein, oder ist er ein wenig rot?
«Das ist nichts worüber du dir Gedanken machen musst.»
Jetzt wurde ich dann doch ein bisschen sauer.
«Das mache ich aber!! Ich will wissen, wie du über mich denkst!!! Weil ich... weil ich...» ich riss den Kopf zur Seite, «Ach ist doch auch egal!»
Damit lief ich die Treppe runter und holte zu Masami auf, die mich fragend ansah, als ich ihren Arm packte und mit einem «Wir gehen jetzt zum Raum der Schülervertretung!» in selbige Richtung zerrte.
Beinahe spürte ich, wie Giichis Blick noch immer auf meinem Rücken lag.
Verdammt!! Wieso musste ich das ausgerechnet sagen?! Was mag er jetzt von mir denken? Und wenn diese Sakanagi Masami hier wirklich seine Freundin ist?!!

«Da sind wir!» rief ich erleichtert und kramte nach meinem Schlüssel.
«Also wenn du Teil der Schülervertretung wirst, musst du am Anfang erstmal kleiner Aufgaben übernehmen, wie Tee aufbrühen oder Flyer aufhängen. Später darfst du dann Schülerumfragen machen und an den Komiteesitzungen für kommende Feste teilnehmen, bis du dann als Schulsprecherin, wenn du das denn werden willst, das alles leiten darfst. Du hast zudem die Chance auf ein Stipendium an einer renommierten Universität.»
Ich setzte mich auf den Stuhl hinter dem großen Schreibtisch.
Masami nickte leicht.
«Ich verstehe. Und wie werde ich aufgenommen?» fragte sie und ich legte den Kopf schief.
Ich mag sie nicht. Aber ist es, weil sie so emotionslos wirkt, oder weil sie vielleicht Giichis Freundin ist.
Das war ein eher egoistischer Gedanken, wenn ich ihre Zukunft damit versperrte nur, weil zufälligerweise den selben Jungen mochte. Das passte nicht zu mir.
«Du hast alles richtig gemacht, bis jetzt.» besänftigte ich sie, «Du musst uns nur dein letztes Zeugnis geben und dich noch einmal dem Schülersprecher vorstellen. Wir haben allerdings keine sonstigen Anfragen, also schätze ich deine Chancen für recht gut ein.»

Wieder ein Nicken, dann stand sie auf und verbeugte sich kurz.
«Vielen Dank für deine Zeit, Kato-san. Ich werde mein Zeugnis morgen vorbeibringen.»
Sie ging die letzten Schritte zur Tür und öffnete.
«Ach und noch etwas... Giichi und ich... sind nur Freunde.»
Damit schloss sie sanft die Tür hinter sich.

Nur Freunde...

———————

Müde beobachtete ich das letzte Flimmern des Abspanns von dem Film, den Kasumi und ich noch angefangen hatten, ehe meine Augen zufielen. Und ich von Kasumis gleichmäßigem Atem, knapp über meinem Kopf, in den Schlaf getrieben wurde.

An diese merkwürdigen Träume hatte ich kaum mehr gedacht, dafür wirkte dieser jetzt wieder, umso realer.
Ich stand vor einem zerfallenem Haus und blickte stumm in das kühle Licht des Vollmondes, obwohl mein Herz raste und ich spürte, wie eine Kralle der Verzweiflung an mir nagte.
Was ist mir ihr... oder mir?
Ein Rascheln ließ mich zusammenfahren und ich wirbelte herum. Giichi, oder zumindest sein Ebenbild mit langen Haaren starrte mich mindestens genauso überrascht an, wie ich ihn.
Mein Herz machte einen Sprung und wir wurde augenblicklich warm. Nur diesmal wusste ich nicht genau, ob das meine Reaktion, oder die meines Körpers war.

«Kocho?»

Giichi und Shinju - GiyuShino Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang