31. Kapitel

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Am nächsten Morgen wachte ich mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Mit geschlossenen Augen lauschte ich, ob Elli bereits auf den Beinen war. Meistens war ich diejenige, die an freien Tagen früher aufstand.

Ich blinzelte und realisierte erst jetzt, dass ein schwerer Arm um meine Taille geschlungen war. Ich drehte meinen Kopf und blickte in das schlafende Gesicht von Adrian. Als ich ihn beobachtete, wurde mir bewusst, dass dies die erste Nacht war, die ich bei einem Mann verbracht hatte.

„Du starrst mich an", murmelte er verschlafen, ohne die Augen zu öffnen.

„Das stimmt überhaupt nicht", sagte ich prompt und drehte meinen Kopf schnell zur Seite, während meine Wangen erröteten.

„Doch. Ich mag es, wenn du mich ansiehst." Verdammt. Seine verschlafene Stimme klang noch schöner als sonst. Im nächsten Moment ohrfeigte ich mich innerlich für meine Gedanken. Ich durfte nicht so über ihn denken.

Ich versuchte, seinen Arm von mir zu schieben, doch Adrian zog mich fest an seine nackte Brust. „Auf keinen Fall. Ich will dich noch mindestens zehn Minuten in meinen Armen haben, bevor ich uns Frühstück mache und wir uns für das Event fertig machen."

Unwillkürlich musste ich bei seinen Worten lächeln, was er zum Glück nicht sehen konnte. „Okay", flüsterte ich nur. Adrian vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.

„Was ist das nochmal für ein Event?", fragte ich, um die Stille zu durchbrechen.

„Lass uns beim Frühstück darüber sprechen. Im Moment kann ich an nichts anderes als an deinen Hintern denken, der sich gerade gegen mich drückt", sagte er leise und reflexartig wollte ich ein wenig Abstand zwischen uns bringen, was er nicht zuließ. „Ich habe nicht gesagt, dass das schlecht ist."

In den nächsten Minuten redeten wir nicht, sondern genossen einfach unsere Gesellschaft. Insgeheim wünschte ich mir, dass ich jeden Morgen so aufwachen würde, doch ich wusste, dass dies reines Wunschdenken war. Adrian und ich würden niemals eine Beziehung führen. Er hatte sich in London sehr deutlich ausgedrückt in dem, was er von mir wollte und ich hatte nicht vor, ihn wie ein naives kleines Mädchen anzuflehen.

„Worüber denkst du so angestrengt nach, dass du nicht einmal hörst, was ich zu dir sage?", fragte mich Adrian einige Zeit später, als ich an der Theke in der Küche saß und eine Tasse Kaffee zwischen meinen Händen hielt, während Adrian Spiegeleier in der Pfanne briet.

„Entschuldige, ich bin nach dem Aufstehen immer ein wenig zerfahren", wich ich seiner Frage aus.

Skeptisch sah mich Adrian an, bevor er sich kopfschüttelnd zum Herd umdrehte. „Was ist?", fragte ich.

„Wieso fällt es dir so schwer, mir gegenüber ehrlich und offen zu sein, Gianna?", wollte er von mir wissen. „Ich dachte, wir sind an dem Punkt, wo wir einander nichts vormachen müssen. Ich würde dich niemals verurteilen."

Nachdenklich starrte ich auf seinen Rücken und überlegte, was ich ihm antworten sollte. Mir gingen so viele Sachen durch den Kopf, dass ich nicht wusste, an welche ich zuerst denken sollte.

„Gianna." Adrians Stimme holte mich zurück in die Gegenwart. Ich blickte auf den Teller, den er mir hingestellt hatte.

„Danke", sagte ich überrascht. „Ein einfaches Brot hätte es auch getan." Der Teller war gefüllt mit Brot, Spiegelei, Avocado, anderem Gemüse und Obst. Ich wünschte, ich könnte jeden Tag so frühstücken.

„Wieso willst du dich mir nicht öffnen?", hakte er erneut nach.

„Weil es nichts ändern würde", sagte ich leise. Außerdem wusste ich nicht, wie viel ich ihm anvertrauen konnte. Einige Dinge hatte ich nicht einmal Elli oder Mason erzählt.

„Ich möchte nicht, dass wir Geheimnisse voreinander haben. Du kannst mir alles erzählen und ich würde dich wirklich gern besser verstehen können. Manchmal verwirrst du mich ziemlich mit deinen Reaktionen, ich weiß nie, wann dir etwas zu viel wird", sagte er, woraufhin er in sein Brot biss und mich ernst ansah.

„Ich weiß, dass ich manchmal auf einige Dinge merkwürdig reagiere. Das hat viel mit meiner Vergangenheit zu tun, aber das sind Dinge, über die ich nicht gerne spreche. Versteh mich bitte nicht falsch, ich habe dich sehr gern und ich genieße die Zeit mit dir. Ich weiß nur nicht, ob ich dir schon genug vertraue, um dir gewisse Abschnitte aus meinem Leben zu offenbaren." Ich spielte mit der Gabel in meiner Hand. „Du sagst, dass du mich nicht verurteilen würdest und ich glaube dir, dass du davon hundertprozentig überzeugt bist. Es ist nur so, dass ich weiß, dass du mich danach mit anderen Augen sehen wirst und das möchte ich nicht."

„Gib mir doch eine Chance. Vielleicht überrasche ich dich ja", erwiderte Adrian und schenkte mir Saft nach. „Trink das. Du trinkst viel zu wenig, Gia."

„Danke", sagte ich. „Versuch bitte nicht, mich zu drängen. Das wird nicht funktionieren, Adrian."

Eine Weile lang sah mich Adrian mit einem unergründlichen Blick an, bevor er sich wieder seinem Frühstück widmete. „Das Event heute dauert nicht lange. Es ist quasi ein Brunch, aber das Essen dort ist fürchterlich, also iss dich ordentlich satt. Es dient nur dazu, potenzielle Kunden an Land zu ziehen."

„Nur?", fragte ich ein wenig schockiert. „Das klingt ziemlich wichtig. Sollte ich noch mehr wissen?"

„Ich werde dich als Kollegin und Abteilungsleitung vorstellen. Du wirst ein wenig Smalltalk machen müssen, aber sonst sitzen wir da nur Zeit ab. Es ist reine Publicity, dass wir dort erscheinen, da die Menschen, die dort sein werden, nicht wirklich seriöse Geschäftsleute sind. Erzähl also nichts allzu Privates über dich, aber das wird dir ja nicht schwerfallen."

Ich zog eine Augenbraue hoch, als ich den Seitenhieb registrierte, sagte aber nichts dazu. Die Diskussion hatte ich für den heutigen Morgen satt.

„Inwiefern sind sie denn unseriös?", wollte ich wissen.

„Sie haben nicht den sauberen Weg an die Spitze gewählt, sagen wir es mal so", sagte Adrian, doch ich sah ihn immer noch verwirrt an. „Ich spreche von Betrug, Steuerhinterziehung und Korruption, Gia. Mit solchen Menschen mache ich keine Geschäfte."

„Verstehe." Mehr musste ich nicht wissen. Ich hatte meinen Teller geleert und rieb mir den Bauch. „Kannst du mit Handtücher rauslegen? Ich würde gerne vorher duschen, wenn wir noch genug Zeit haben."

Adrian grinste mich lüstern an. „Wir müssen in zweieinhalb Stunden los, es bleibt also noch genug Zeit für eine ausgiebige Dusche."

Ich verdrehte die Augen und musste lachen. „Von so einer Dusche habe ich nicht gesprochen."

„Dann muss ich dich leider enttäuschen, denn alle meine Handtücher sind gerade zufällig in der Wäsche", sagte er süffisant.

Mir entwich ein Schnauben. „Wer's glaubt", lachte ich.

Tatsächlich schaffte ich es, ohne Adrian duschen zu gehen und entdeckte frische Handtücher im Badezimmer.

Anderthalb Stunden später trug ich einen schwarzen engen Bleistiftrock und eine Bluse. Meine Haare hatte ich leicht gelockt und mich für ein dezentes Make-Up entschieden. Ich war immer noch erstaunt, dass Adrian eine gesamte Make-Up-Ausrüstung für mich hatte beschaffen lassen.

„Du siehst wunderschön aus, Liebes", sagte Adrian, als ich die Treppe herunter ging und neben ihm zum Stehen kam. Er half mir in meinen Mantel und küsste mich leicht auf die Lippen. „Lass uns fahren und diesen Mist schnell hinter uns bringen."

Auf der Autofahrt erzählte mir Adrian einiges über die Geschäftsleute, die wir gleich treffen würden. Nebenbei googelte ich die Namen, um ein Bild zu sehen, damit ich wenigstens ein paar erkennen würde.

„Du solltest dich wirklich von einigen fernhalten. Bleib am besten immer an meiner Seite, dann sollte nichts Unschönes geschehen." Adrian parkte ein und stieg aus, um mir die Tür zu öffnen. „Dann wagen wir uns mal in die Höhle des Löwen."

Kiss MeWhere stories live. Discover now