1. Geteilte Flugangst

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Ich stand nervös in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen. Meine Koffer waren vermutlich bereits auf ihrem Weg ins Flugzeug oder wurden auf das zuständige Fahrzeug verladen. Die Schlange für die Kofferabgabe war gefühlte Kilometer lang und als ich die ach so nette angestellte Frau erreicht hatte, wurde ich nur wieder schief angesehen und unfreundlich behandelt und das, obwohl ich alles genau so tat, wie es von mir verlangt wurde und dies stets mit einem freundlichen Lächeln, welches realistisch gesehen vielleicht kaum sichtbar unter der schwarzen OP-Maske war, aber der Gedanke zählte. Ich schaute ein letztes Mal über meine Schulter zurück zu meiner Familie und meiner besten Freundin, die mich zum Flughafen begleitet hatten und nun warteten, dass sich diese ellenlange Schlange vor mir langsam auflöste. Sie lächelten mir zu und drückten die Daumen. Keiner hätte damit gerechnet, dass ich mich jemals in die Lüfte begeben würde, doch heute sollte es so weit sein. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment dem Gewicht des Körpers unterliegen und mich zu Boden bringen. Ein schweifender Blick zu den anderen Mitreisenden und Mitwartenden verriet mir, dass ich zwar nicht die Einzige war, der die Situation nicht ganz geheuer war, jedoch die deutliche Mehrheit scheinbar keine Probleme mit dem bevorstehenden Flug und dem kommenden Kontakt mit fremden Menschen hatte. Allein der Gedanke, dass in wenigen Schritten die Konfrontation erneuter kommandierender Menschen auf mich wartete, machte mich mulmig und ließ mich unwohl fühlen. Oft schätzte ich die Situationen vielleicht nicht richtig ein, sondern reagierte über, was mir bereits, das ein oder andere Mal mitgeteilt wurde. Damit ist aber nicht gemeint, dass ich ausfallend werde. Stattdessen kamen eher die Tränen, wobei das nicht unbedingt die hilfreichste Reaktion war, aber das konnte man sich nun mal nicht immer aussuchen. Die Familie vor mir konnte kaum ihre Vorfreude verbergen, weshalb sie regelrecht durch den kompletten Flughafen schrie, sodass auch der letzte in der Männertoilette im anderen Terminal alles mitbekam. Dass sich Kinder nicht beherrschen konnten, konnte ich noch in gewisser Weise nachvollziehen, auch wenn ich diese gute Laune nur bedingt teilte, aber für die Eltern ließ sich kein Verständnis mehr aufbringen. Selbst die Gäste vor ihnen drehten sich bereits mit verärgerten und genervten Gesichtern um und begutäugelten die ganze Vorstellung mit Verachtung. Zuerst erschuf dies ein Gefühl von Genugtuung, bis mir bewusstwurde, wie erbärmlich ich aussehen musste und dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch über mich urteilten. Und so schnell trat das Gefühl der Unsicherheit wieder auf und umschlang mich, wodurch sich meine Haltung nur noch weiter zusammenkauerte, damit ich unbemerkt vorankam. Meine Eltern und meine Freundin waren bereits auf ihrem Weg nach Hause, als ich die Sicherheitskontrolle endlich erreichte, meine Vielzahl an Schmuckstücken ablegen und durch einen Metalldetektor gehen musste. Ausnahmsweise schien alles glatt zu laufen, weshalb ich meine Sachen wieder an mich nahm und zu meinem Gate schlenderte. Voran lief die Familie, die ich bereits jetzt schon nicht leiden konnte. Als ich gerade noch hoffte, dass sie an meinem Gate vorbeilaufen würden, setzten sie sich direkt auf die Bankreihe vor dem Check-In. Damit zerplatzte jegliche Chance, in Ruhe sich mental auf den bevorstehenden Flug vorzubereiten, stattdessen musste ich mir anhören, wer was gerne Essen wollte, dass das Mädchen keinen Salat mochte und deswegen die Tränen fließen ließ. Während die Mutter versuchte, sich um das Essen zu kümmern, interessierte sich der Vater nur für die Frau auf der Bank, die seiner gegenüberstand. Ein wunderschönes Familienbild entstand. Ich bemerkte, dass der junge Mann mir gegenüber ebenfalls die Situation betrachtete und einen ähnlichen Eindruck zu haben schien, wie ich es hatte. Scheinbar fühlte er sich ertappt oder nur beobachtet von meiner Wenigkeit, weshalb sein Blick die Familie verließ und meinen traf. Überrumpelt von der unerwartet peinlichen Situation, konnte ich meinen Blick nicht von seinen fast tiefschwarzen Augen lassen. Er lächelte mich an und ich erwiderte diese nette Geste, woraufhin ich mich endlich meinem Buch widmete, um meiner Nervosität zu entfliehen.

Es dauerte nicht lange, bis der Check-In eröffnet wurde und ich mich auf dem Weg in die Hölle begab. Die Familie drängelte sich hastig an den Anfang der neuen Schlange, was mir recht war, da ich sie so wenigstens einige Minuten nicht mehr ertragen musste. Als ich meinen Platz erreicht hatte, welcher direkt am Fenster war, erfreute mich die Tatsache, dass bisher noch keiner auf den anderen Plätzen in meiner Reihe saß, weshalb ich mich nicht unangenehm an diesen vorbeidrängeln musste und womöglich meinen Hintern in deren Gesichtern reiben würde. Nein danke, darauf konnte ich verzichten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, dass ich fast 13 Stunden neben einem Fremden sitzen musste, der womöglich auch noch ein alter schmieriger oder perverser Mann war. Bei meinem Glück würde mich nichts mehr wundern. Bevor ich diesen Gedanken vollständig zu Ende spinnen konnte, setzte sich der junge Mann von vorhin auf den Platz neben mir. Ein Stein so groß wie der Mount Everest fiel von meinem Herzen, ich hätte schwören können, dass er diesen Aufprall gehört hatte. Leider verflog meine anfängliche Euphorie schneller als erwartet, denn nun erinnerte ich mich wieder an die peinliche Situation, als wir auf den Check-In warten mussten. Unangenehme Minuten zogen sich hin, in denen keiner ein Wort sagte, bis der Start kam und ich spürte, wie sich mein Magen fast umdrehte. Als das Flugzeug zum Start ansetzte und abhob, erschrak ich so stark, dass ich unbewusst seine Hand ergriff. Dies bemerkte ich leider erst einige Augenblicke später. Er zog sie nicht weg und schien auch nicht den Anschein zu machen, dass er es vorhatte, stattdessen starrte er nur seinen Vordersitz an und verkniff sein Gesicht, sichtlich ebenfalls aus Angst. Ich blickte ihn wieder an und als das Flugzeug eine angenehmere Steigung aufwies, erwiderte er meinen Blick. Daraufhin zog er seine Hand weg, welche sich mittlerweile mehr in meiner verkniffen hatte als meine in seiner. Er schaute mich entschuldigend an, obwohl ich es war, die in seinen persönlichen Raum eingedrungen war und seine Hand ergriffen hatte. Überfordert mit der Situation, weil erneut keiner ein Wort rausbrachte, unterbrach ich das Schweigen, streckte ihm meine Hand entgegen und stellte mich vor, woraufhin er es mir gleichtat und wir anfingen, uns über diese unangenehme und komische Situation lustig zu machen. „Tut mir leid, ich wollte eigentlich nicht so aufdringlich sein. Ich habe einfach nur schreckliche Angst vor dem Fliegen. Keine Ahnung, warum ich mir das überhaupt freiwillig antue.“ „Mach dir keine Sorgen, es geht mir genauso. Wenn es nach mir ginge, würde ich mit dem Auto fahren, aber das würde wahrscheinlich zu lange dauern“, er lachte über seine eigene Aussage. Er wirkte sehr sympathisch und ich freute mich, ihn als Sitznachbar abbekommen zu haben. Ich fühlte mich gleichauf wohl und vergaß komplett meine Flugangst, die ich mit ihm zu teilen schien. Wir unterhielten uns fast den gesamten Flug lang. Er berichtete, dass er im Urlaub war und jetzt zurück nach Hause nach Südkorea fliegen wollte. Ich hingegen war auf dem Weg, meine kleine Reise in seinem Heimatland anzutreten…

Forbidden Love (Bang Chan X Reader)Where stories live. Discover now