06 | Für Domenico

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C A Y E T A N A

Schweißgebaden schrecke ich hoch. Mein Oberkörper hebt und senkt sich wie verrückt. Ein Traum. Es war nur ein Traum. Trotzdem sammeln sich Tränen in meinen Augen. Ich atme ruhig ein und aus um sie zu stoppen, was mir einigermaßen gelingt. Nun ja...

Doch nicht. Ich lege schluchzend meine Hand auf mein Gesicht, während ich mir einfach nur wünsche diesen miesen Schmerz für einen Moment nicht zu spüren. Als ich mich wieder beruhigt habe, greife ich nach meinem Handy, um zu sehen wie spät es ist. 6:21 Uhr. Ich seufze frustriert auf und lasse meine Stirn auf meinen angewinkelten Knien nieder. Gedankenverloren tippe ich auf der Bettdecke herum, während mir eine kleine Idee kommt. Zögerlich nehme ich mein Handy wieder in die Hand und schreibe Adriano eine Nachricht.

Ich: Hey, hast du vielleicht Lust zum Frühstück zukommen? Wir könnten danach gleich zum Frauenarzt falls du immer noch mitkommen willst?

Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, knipse ich mein Handy wieder aus. Ich habe das Bedürfnis mit Domenico zu sprechen. Langsam stehe ich auf und hole den Block und den Stift von der Kommode. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir das Brief schreiben vielleicht etwas beim verarbeiten helfen kann. Und so kann ich Domi immer auf dem neuesten Stand halten. Klingt das komisch?

Ich setze mich wieder auf mein Bett und klappe den Block auf und blättere auf eine leere Seite, bevor ich einfach drauf los schreibe.

Lieber Domenico,
Gestern an deinem Grab, hab ich auf Adriano getroffen. Vorerst war ich etwas nervös. Es tat mir auch leid, dass ich ihn und auch die anderen wochenlang ignoriert habe, aber zum Glück nahm er es mir nicht übel. Ich habe Adriano davon erzählt, dass ich vielleicht schwanger bin. Ich weiß, ich hätte vielleicht vorerst meine Klappe halten sollen, bis ich wirklich Klarheit habe, aber ich finde irgendwie, dass er ein Recht dazu hatte. Immerhin kannst du dieses Recht ja nicht mehr in Anspruch nehmen. Adriano begleitet mich sogar heute zum Frauenarzt. Ich vermisse dich so sehr, mi amor. Ich habe sogar letzte Nacht von dir geträumt. Ich wünschte, ich wäre noch in diesem Traum. So hätte ich dich. In dem Traum meintest du, dass ich eine starke Frau sei und dass das einer der Sachen ist, weshalb du mich so sehr liebst. Aber ich glaube ich muss dich enttäuschen, Domi. Ich bin nicht so stark wie du vielleicht gedacht hast. Ich habe Angst. Angst, dass mich dein Tod auch umbringt. Jetzt wo ich wirklich reiflich darüber nachdenke, hätte ich mich selber dafür gehasst, dass ich versucht habe mir die Pulsadern aufzuschneiden. Ich war so durch einander. Aber ich versuche mich zu besser. Versprochen. Wir haben in meinem Traum über die mögliche Schwangerschaft gesprochen. Du hast mir gesagt, dass ich eine tolle Mutter sein werde. Ich bin mir sicher, dass du auch ein wundervoller Vater geworden wärst. Davon bin ich überzeugt. In dem Traum hast du mir außerdem noch gesagt, dass ich leben soll und vor allem mein Leben genießen soll. Ich versuche es. Für dich.

In Liebe, dein Amore mio

Ich wische die einzelnen Tränen aus meinem Gesicht und betrachte den Brief. Hilft mir das wirklich? Briefe an meinen toten Ehemann zu schreiben? Innerlich hoffte ich es.

Genau in diesem Moment klingelt mein Handy. Ich klappe den Block zu und nehme es in die Hand.

Adriano: Klar. Wann soll ich da sein?

Ich tippe schnell eine Antwort.

Ich: Wie wärs mit um 7?

Adriano antwortet mit einem einfachem 'Okay, bis gleich'. Ich quittiere dies mit einen Daumen nach oben und steige dann aus meinem Bett. Den Block und den Stift verstaue ich in meinem Nachtschrank und danach laufe ich in meinem Kleiderschrank. Ehrlich gesagt habe ich kaum eine Ahnung, was das überhaupt für Klamotten sind. Martha hat sie alle gekauft, weil ich seit Domenicos Tod keinen Fuß mehr in unser Schlafzimmer gesetzt habe. Vermutlich nie mehr. Ich schnappe mir irgendwelche Sachen die zusammenpassen und ziehe mich dann um.

-

Kurz vor um sieben verlasse ich dann mein Zimmer und gehe die Treppe runter. Ich bin erstaunt, dass ich heute weniger Scheiße aussehe, wie die letzten Tage. "Ms. De Santis hat ausdrücklich gesagt, dass sie keinen Besuch will", höre ich Paolos Stimme, als ich die Treppe runtergehe. Ich verschnellere meine Schritte. "Alles gut, Paolo. Ich habe ihn eingeladen", sage ich. Er wirft kurz einen Blick zu mir und nickt dann, ehe er Adriano hereinlässt.

Mit einem leichten Lächeln kommt er auf mich zu und umarmt mich. "Hi", sagt er, während er mir kurz über den Rücken reibt und wir uns dann wieder voneinander lösen. "Hey", erwidere ich etwas leiser. Schweigend laufen wir dann zum Esszimmer und nehmen Platz. Martha hat schon alles, wie ich sie auch gebeten habe, gedeckt. "Wie kommt es, dass du schon so früh wach bist?", fragt er, ehe er sich setzt. Abrupt muss ich wieder an Domenico denken. Alles gut, Cayetana, es ist nur eine ganz normale Frage.

Ich zucke nur mit den Schultern. "Keine Ahnung, bin einfach früh aufgewacht", lüge ich. Ich hoffe ich hab ihm das gut verkauft. Merken Leute, wenn ich lüge? "Und du? Wie kommt es, dass du schon so früh wach bist?", frage ich ihn genau das selbe. "Ich bin normalerweise immer recht früh wach", erzählt er. Domenico war meistens auch immer früher wach.

Schnell verstreiche ich diesen Gedanken. Ich will nicht schon wieder an ihn denken, denn immer wenn ich das tue muss ich weinen. Ich bin diese Tränen langsam satt. "Hast du eigentlich einen Termin beim Frauenarzt gemacht?", fragt mich Adriano, während er sich ein Brötchen nimmt. Ich schüttle meinen Kopf. "No, aber ich denke das wird kein Problem sein. Ich habe selten bei meiner Frauenärztin einen Termin gemacht", erwidere ich, ehe ich mir ebenfalls ein Brötchen nehme. Ich muss wieder mehr essen.

Martha kommt ins Zimmer. "Was möchten sie trinken, Mr. De Santis?", fragt sie Adriano freundlich. Er dreht sich etwas zu ihr. "Einen Kaffee bitte", erwidert er ebenso freundlich wie sie. "Und sie Ms. De Santis?", fragt sie nun an mich gerichtet. Plötzlich rattert mir ein Satz durch den Kopf.

"Leb für mich."

Ich überlege nicht lange. "Eine heiße Schokolade bitte."

"

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Amore mio | Wir für immerWhere stories live. Discover now