41 | Ein Jahr der Einsamkeit

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C A Y E T A N A

"Okay", sagt Domenico. "Was hast du vor, amore mio?", fragt er gespannt. Ich blicke zu Adriano. "Du musst nach Hause fliegen. Domenico und ich kommen morgen nach, damit niemand etwas mitbekommt. Trommel alle zusammen, wegen einem Familienessen morgen Abend", spreche ich an ihn gerichtet. "Alle müssen kommen. Evandro eingeschlossen. Den Rest werdet ihr morgen sehen", sage ich. Die beiden nicken. "Okay, Chefin", grinst Adriano schief.

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Nachdem wir Adriano mit dem Mietwagen zum Flughafen gebracht haben, sind Domenico und ich zum Hotel gefahren und haben meine Sachen geholt. Dort habe ich dann noch Evandro eine Nachricht geschrieben, dass wir morgen wieder ein Familienessen machen und ich ihn gerne dabei haben will. Dann sind wir zu dem Haus gefahren, in dem Domenico das ganze Jahr lang gewohnt hat. Die Fahrt verläuft still. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Mir fehlen wortwörtlich die Worte. Ich meine, ich dachte er sei tot und jetzt sitzt er quicklebendig neben mir. Das muss ich erst einmal richtig verdauen. Es ist schon Abends, als wir bei dem Haus ankommen. Es ist etwas weiter abgelegener von der Stadt. Welch eine Ironie, dass Domenico ausgerechnet in Griechenland untergetaucht ist.

Als das Auto zum Stehen kommt, steigen wir aus und holen meinen Koffer aus dem Kofferraum und betreten das Haus. Es ist relativ klein und schlicht eingerichtet. Irgendwie passt die Einrichtung nicht zu Domenico. Ich laufe durch das Haus und sehe mir alles an. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. "Hier hast du ein Jahr lang gelebt? Das passt gar nicht zu dir", sage ich während ich mich zu ihm drehe. Domenico lacht ebenfalls leicht. "Mir war es egal. Zum überleben hats gereicht", erwidert er schulterzuckend.

Ich nicke verstehend. "Kann ich...kann ich duschen?", frage ich ihn. "Natürlich", erwidert er und deutet auf eine Tür. "Da ist das Bad", informiert er mich. "Gracias", murmle ich, während ich mit meinem Koffer darauf zulaufe. "Ich leg mich schon mal hin", höre ich ihn sagen. Ich drehe mich noch einmal kurz um, bevor ich nicke und dann ins Bad gehe. Ich schließe die Tür hinter mir und betrachte das Bad.

Ich beginne mich auszuziehen und steige unter die Dusche. Vorsichtig stelle ich das Wasser an, ehe es warm auf mich hinabrieselt. Entspannend schließe ich meine Augen und fahre mir über mein Gesicht bis über meine Haare, während ich den ganzen Tag noch einmal Revue passieren lasse. Ich kann es immer noch nicht glauben. Domenico lebt. Und wir haben seinen versuchten Mörder. Mit welchem ich geschlafen habe.

Ich fühle mich so schlecht. Heute ist so viel passiert. Und irgendwie fühlt es sich so an, als würde ich nach über einem Jahr das erste Mal wieder richtig Luft bekommen. Das, was ich mir seit über einem Jahr sehnsüchtig gewünscht habe, ist in Erfüllung gegangen. Aber wie geht es jetzt eigentlich weiter? Wie steht Domenico zu der ganzen Evandro Sache? Ob er sauer auf mich ist? Enttäuscht? Vielleicht ist er ja noch wach, wenn ich fertig bin. Ich hoffe es. Während ich mich einschäume denke ich zum Teil an Lorenzo. Wie wird es, wenn Domenico seinen Sohn das erste Mal im Arm hält? Allein der Gedanke bringt Tränen in meine Augen.

Als ich aus der Dusche komme, trockne ich mich ab und ziehe mir ein Schlafshirt und eine Shorts an. Danach verlasse ich leise das Bad, im Falle, dass Domenico doch schon schläft. Dann tapse ich leise zur Schlafzimmertür, welche offen ist. Ich sehe Domenico im Bett liegen. Für einen kurzen Moment sehe ich ihn nur an. Der Gedanke, dass er ein Jahr alleine war schmerzt so unglaublich doll. "Domenico?", flüstere ich leise. "Bist du noch wach?"

Ich sehe wie er sich regt. "Ja, alles in Ordnung?", fragt er leicht besorgt, während er mich ansieht. Ich nicke. "Darf ich mich zu dir legen?", frage ich zögerlich. Ich komme mir so blöd vor, aber Domenico hebt die Decke und sagt: "Komm her, amore mio". Mein Herz blüht bei seinen Worten auf. Ich bin immer noch sein Amore mio. Langsam laufe ich ins Zimmer und krabble ins Bett und unter die Decke. Er lässt sie auf uns nieder.

Amore mio | Wir für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt