1 - [Aneinandergeraten]

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Die Flure der Schule füllten sich. Überall wo man hinsah, sah man Schüler vor ihren Spinden stehen.

Die Mädchen links und die Jungs rechts. Das war eine, der vielen Regeln an der Calfort-High.

Sie alle hielten sich an diesen Regeln - auch wenn sie noch so absurd waren.

Sie alle, außer eine.

Regel 4: Der Dress Code wird beachtet.
Regel 7: Unnatürliche Haarfarben sind nicht gestattet.

Das waren die ersten Regeln, welche Rose Dexter schon vor der ersten Stunde brach.

Gelangweilt lief sie den Gang entlang. Ihr ausgewachenes lila Haar hing ihr wild herunter, während sie weder ihre Krawatte, noch ihren Blazer trug.

Unbekümmert Schritt sie auf mich zu. Ihr war es egal, als sie mich mit voller Absicht zum Fall brachte und mich dabei anlächelte.

,,Pass doch auf!" Hauchte sie jedoch genervt, als sie meine beiden Freundinnen sah. Sofort verschwand ihr provozierendes Lächeln von den Lippen, als uns alle ansahen.

Sofort begann das Getuschel. Sie flüsterten einander unverständliche Dinge zu, welche keinerlei Sinn ergaben.

,,Ihre große Fresse soll sie sich sonst wo hinstecken!" Ertönte eine wütende Stimme von hinten.
,,Ist schon in Ordnung, Irina" Sprach ich ruhig, als ich meine Bücher vom Boden aufhob.
,,Ist denn bei dir alles in Ordnung, Dahlia?" Fragte Caitlin, welche mich besorgt musterte.

Ich drehte mich in die Richtung meines Spindes und packte meine Bücher, die ich nicht für die erste Stunde brauchte hinein, während ich versuchte die Blicke meiner Mitschüler zu ignorieren.
,,Ich bin nicht aus Glas. Ihr müsst euch keine Sorgen machen" Lachte ich, auch wenn es ernst gemeint war.

Manchmal fühlte es sich so an, als wäre ich nichts als eine Puppe - eine Porzellanpuppe. Als wäre ich zerbrechlich und man müsste mich unter ständiger Beobachtung halten.

Als würde man mich manchmal nicht, als eigenständige Person sehen.

,,Wie kannst du noch so nett zu der sein? Ich meine, wie oft seid ihr schon aneinandergeraten?" Fragte Irina mich völlig fassungslos, als sie wütend ihren Spind zuknallte.

Es war eine Untertreibung gewesen. Wir waren nicht nur "aneinandergeraten".

Rose gehört nicht zu den Leuten, die sich mit Gewalt oder guten Überzeugungskünsten aus etwas rausredete.

Sie verwirrte einen. Ihre Worte wählte sie mit bedacht, während sie schon einen Fluchtweg ausfindig machte, um nicht für ihren Mist belangt zu werden.

Bei ihren Talent Leute um den Finger zu wickeln, hätte sie wirklich in die Politik gehen können, oder hier in der Gemeinde arbeiten sollen.

Doch den Job hätte sie sowieso nie bekommen. Jeder wusste von Rose ihren Drogenkonsum. Sie verheimlichte es aber auch nicht, schon oft hörte man, wie sie hinter der Schule sich mit ihren Dealer getroffen haben soll.

Wie oft hatte ich mich beim Rektor beschwert, dass er sich um ihr Verhalten kümmern sollte, nur um Rose straffrei nach Hause zu schicken?

Es brachte nichts, doch etwas anderes konnte ich schließlich nicht tun.

,,Du wirst sie heute wieder melden, nicht war?" Rissen mich Caitlins Worte aus meinen Gedanken.
,,Muss ich jawohl" Seufzte ich.

Ich meldete sie nicht gerne bei dem Direktor - generell, niemanden. Aber das war eine meiner Pflichten, als Schülersprecherin.

Caitlin war die letzte von uns, die ihre Bücher aus dem Spind holte. Zusammen entfernten wir uns von den Schließfächern und liefen den Gang zu Miss Watson ihren Unterricht entlang.

Noch hatte die Klingel nicht ertönt, weshalb der Flur noch immer Massen an Schülern trug.

,,Fragt sich niemand, was ihr Problem ist?" Beschwerte sich Irina noch immer über Rose.
,,Das ist doch eindeutig: sie ist verwöhnt und ihre Eltern müssen viel Geld haben, um den Rektor zu bestechen" Sagte Caitlin fest überzeugt.
,,Wohl eher verwöhnt sie den Direktor" Lachte sie besserwissend.

Ich verstand ihre Aussage nicht, doch mir war nicht nach Nachfragen. Wann immer Caitlin und ich etwas nicht verstanden, rollte Irina genervt ihre Augen. Sie erklärte Dinge eben nicht gerne, da sie es für selbstverständlich hielt, dass wir wüssten, wovon sie redete.

,,Nicht wahr, Dahlia?" Fragte Irina nach meiner Zustimmung. Ich nickte nur mit einem Lächeln, während ich weiter vorausging.

Mit wenig Begeisterung öffnete ich die Tür zu Miss Watson ihren Klassenraum.

Sofort erblickte ich die vertrauten Gesichter meiner Mitschüler, unter anderem auch das von Rose, welche desinteressiert aus dem Fenster sah.

Zu dritt, setzten wir uns in die Mitte des Raumes. Mein Blick fiel auf Miss Watson, die Rose verachtend ansah.

Nicht einmal die Lehrer an dieser Schule konnten sie leiden. Sie war eben eine Unruhstifterin, die konsequenzenlos mit allem davon kam.

Kopfschüttelnd sah sie zu mir, als würde sie von mir fordern, dass ich mich um ihr Verhalten kümmern sollte.

Ich versuchte sie zu ignorieren und richtete meinen Kopf in die selbe Richtung wie Rose.

Man hatte den perfekten Ausblick auf dem Schulhof. Die Baumkronen leuchteten in einen strahlenden grün, während die Blumenbete in den verschiedensten Farben blühten.

Meine Gedanken striffen zu Rose. Ich fragte mich, an was sie dachte. Wütende, verurteilende und gerverte Blicke lagen auf ihr. Wie musste man sich da fühlen?

Ich kannte nur das Gegenteil davon. Die Leute sahen mich mit Respekt, Bewunderung und Freude an.

Schon allein damit klar zu kommen, fiel mir verdammt schwer. Die Leute hatten zu hohe Erwartungen, welche ich fürchtete nicht erfüllen zu können.

Wie musste man sich also fühlen, wenn man nur als eine Schade und Enttäuschung angesehen wurde?

Die Klingel begann zu läuten, als der Rest meiner Mitschüler den Raum betraten und sich zu setzten begannen.

Der Platz neben Rose blieb leer. Müde sah sie nach vorn, während ihr Kopf von ihrer Hand gestützt wurde.

Ein plötzlicher Schmerz durchzog meine Seite, sofort sah ich zu Irina, die mich mit ihren Ellenbogen leicht in der Rippe getroffen hatte.
,,Du starrst" Flüsterte sie genvert.
,,Du kannst sie auch später melden" Ihre Stimme klang viel ausgelassender. Sie genoss die Vorstellung, wie ich Rose zum Nachsitzen verhalf.

Unwohlsein überkam mich. Ich richtete meinen Blick zur Tafel, während meine Hand über meine schmerzende Rippe fuhr.

Fake Love Where stories live. Discover now