9 - [Alles Wegen Rose]

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,,Soll das ein Witz sein, Miss Churchill?" Brüllte mir Mister Hargrove entgegen.

Er stand von seinem gepolsterten Sessel auf, während sich meine Finger umso mehr in meinen Rock krallten.

,,Sie wollten Miss Dexter Nachsitzen lassen und Sie haben es nicht mal geschafft auf sie aufzupassen!"

Er blieb vor dem Fenster stehen, seine Hände waren auf seinen Seiten gestützt, während er auf dem Schulhof herab sah.

Er war wütend. Er war enttäuscht. Er würde meine Eltern über mein versagen informieren.

Sein Geschrei war plötzlich nicht mehr das angsteinflößenste hier, sondern die Vorstellung, zu was mich meine Eltern zwingen würden.

,,Es tut mir leid" Ächzte ich. Meine Stimme war nicht existent. Ich konnte kaum sprechen, es tat einfach weh.

,,Entschuldigung bringen mir auch nicht die Zeit wieder, die ich wegen Ihnen verschwendet habe" Er drehte sich vom Fenster weg und setzte sich zurück in seinen Sessel, während er seine Hände auf dem Tisch ineinander verschrängt hatte.

Ich senkte meinen Blick und hoffte, dass er mein nervös auf und ab wippen meiner Beine nicht bemerken würde.

,,Ich bin ein viel beschäftigter Mann und Sie haben offensichtlich sehr viel Freizeit, wenn Sie ihre Aufgabe nicht ernst nehmen"

Ich wollte ihn nicht ansehen, doch konnte ich seinen starrenden Blick auf mir fühlen. Langsam hob ich meinen Kopf, aber ich vermied trotzdem ihn in die Augen zu sehen. Mein Blick wanderte von seinen Lippen, zu seiner Nase, bishin zur Lücke zwischen seine Augenbrauen.

,,Ab sofort, werden Sie das Nachsitzen betreuen und aufpassen, dass Miss Dexter dort erscheint" Er wirkte glücklich. Seine Mundwinkel zuckten, als müsste er sich bemühen nicht zu Lächeln.
,,Haben Sie verstanden, Miss Churchill?" Fasste er sich schnell wieder und fragte streng nach.
,,Ja, Sir" Verabschiedete ich mich schnell und lief vom Schulhof.

Keine Menschenseele war mehr hier, nur das Auto von Mister Hargrove stand noch auf dem Parkplatz.

Meine angespannte Haltung lockerte sich endlich. Ich konnte nun meinen angehaltenden Atem entweichen lassen.

Meine Beine trugen mich langsam auf den Weg nach Hause. Ich beobachtete meine Umgebung wie sonst auch.

Meine Blick fiel immer wieder auf die weißen Häuser, die aussahen, wie das von nebenan.

Noch immer wirkte alles leblos. Das bisschen Farbe, welches ich in diesem Trauerspiel ausfindig machen konnte, waren die Gräser, die hartnäckig versuchten, sich durch den Asphalt zu drücken.

Doch ich wusste schon, dass morgen das Grün herausgerissen sein würde. Schließlich verunstaltete es die Szenerie.

Mein Körper hielt vor dem Zaun der Browns. Vorsichtig lehnte ich mich herüber und schaute nach der Hündin, welche ausnahmsweise mal nicht zu mir gerannt kam.

Mit leichtem unwohl im Magen lief ich den Zaun entlang. Hätte ich den Namen des Tieres gewusst, hätte ich sie zu mir gerufen.

Langsam verkrampfte sich mein Körper. Dieser Hund brachte mich immer zu Lächeln, sie heute nicht zu sehen, war wie die Kirsche auf der Sahnetorte.

Enttäuscht nahm ich meine Hände vom Zaun und begann den restlichen Weg zu laufen.

Noch immer war dieser Teil der Stadt ein einziges Labyrinth. Es war alles gleich - wie immer. Es blieb alles unverändert. Alles blieb unberührt.

Müde starrten meine Augen die Haustür an. Ich wollte sie nicht öffnen und auch nicht hinein gehen.

Am liebsten wäre ich umgedreht, hätte mich in irgendein Auto gesetzt und wäre einfach losgefahren.

Aber dem konnte ich nicht entfliehen. Das war meine Realität. Ich konnte das nicht ändern.

Meine Hand umschloss den Türgriff, aber zögerte ich sie zu öffnen. Tiefe Atemzüge nahm ich noch mal, bevor ich die Klinke runterdrückte.

,,Ich bin zu Hause" Quietschte meine Stimme heiser. Nichts. Stille zog durch den Flur.

Hoffnung breitete sich aus, dass Mister Hargrove doch nicht meine Eltern angerufen hatte.

Nur leider hatte ich mich zu früh gefreut. Ich wollte gerade auf die Treppe zu gehen, als ich die wütende Stimme meiner Mutter vernahm.

Ich wollte dagegen protestieren in die Wohnstube zu gehen, doch gehörchte mir mein Körper nicht.

Nie tat er das, in solchen Momenten.

Kein Muskel zuckte in ihrem Gesicht, als ich mich auf die Couch setzte. Ihr Schreien war schlimm, doch ihre Stille konnte niemand stand halten.

Das war die wahrhaftige Ruhe vor dem Sturm.

,,Würdest du mir bitter erklären, warum wir von deinem Direktor angerufen worden und er uns erzählte, dass du deine Pflichten nicht ernst nimmst. Und das du zur Strafe nun das Nachsitzen beurteilen musst?"

Ihr Blick brannte sich in mir. Ich wollte wegsehen, doch hätte das wahrscheinlich noch größere Konsequenzen nach sich gezogen.

,,Mir ging es nicht so gut" Wisperte ich schon fast, während ich versuchte sie anzusehen.

Nickend drehte sie ihren Kopf zur Seite.
,,Eine sehr schöne Ausrede, Dahlia" Ich konnte nicht einmal mehr sagen ob sie das ernst meinte, oder es Sarkasmus war.
,,Wegen dir, darf ich nun deinen Fehler gerade richten"

Es war nicht wegen mir, es war Rose ihre Schuld.

Es war leichter Rose für alles verantwortlich zu machen, anstelle endlich mal Klartext zu reden.

Ich hasste es. Ich hasste es, wie sie recht hatte. Ich wollte das alles nicht. Ich wollte all diese Verantwortung nicht.

,,Geh einfach" Hörte ich meine Mutter sagen. Ich wollte rennen, doch hatte ich keine Kraft mehr.

Es fühlte sich als, als hätte ich meinen Körper an dem Geländer die Treppe hochgezogen.

In meinem Zimmer ließ ich meine Tasche achtlos zu Boden fallen. Ich machte mir heute nicht die Mühe, meine Schuluniform abzulegen.

Ich ließ meinen Körper einfach in mein Bett sinken, während ich einfach an die kahrle Decke starrte.

Meine Hände ergriffen die Bettdecke und zogen sie langsam über mich.

Ich wollte meine Augen zu machen und am liebsten nie mehr aufwachen.

Ein endloser Schlaf.

Fake Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt