Flucht

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„Hey! Was machst du da?"

Junie erstarrte zu Eis. Ihr Atem stockte, ihr Herz setzte aus, als sie die laute, empörte Stimme hinter ihrem Rücken hörte.

„Du weißt doch ganz genau, dass wir während dem Wachdienst nicht essen dürfen, steck die verdammte Banane weg, bevor Krotos dich erwischt!"
„Is ja gut, reg dich ab..."
Ungläubig wandte sich Junie zu den beiden Soldaten um, die sie überhaupt nicht bemerkt hatten, sondern etwas entfernt von ihr um eine verdammte Banane stritten!
Einem Herzinfarkt nahe, huschte sie in die Festung und schloss die schwere Holztür sofort wieder hinter sich. Sie brauchte eine Weile, um ihre zitternden Glieder zu beruhigen und sich den kalten Schweiß von der Stirn zu wischen. Dann endlich sah sie sich um.

Sie stand in einem langen Gang, der aber mit vielen Öllampen beleuchtet war. Zu ihrem Glück war niemand hier, Versteckmöglichkeiten gab es nämlich keine. Auf beiden Seiten des Flurs befanden sich Türen, doch ihr Instinkt sagte, dass diese nicht ihr Ziel waren. Dennoch warf sie vorsichtig einen Blick durch die erste Tür links neben ihr, nur um sicher zu gehen. Es handelte sich um ein leeres Büro mit vier Schreibtischen, hinter denen große, unvergitterte Fenster zu sehen waren. Nein, ganz eindeutig lagen die Zellen nicht in diesem Stockwerk. Leise schloss sie die Tür wieder und atmete noch einmal tief durch, dann ging Junie entschlossen weiter in die Festung hinein.

Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung begegnete ihr niemand, die Flure waren wie ausgestorben zu dieser Stunde. Nach einer Weile fand sie aber tatsächlich eine Treppe, die nach unten führte und folgte ihr wachsam. Es wurde mit jedem Schritt spürbar kühler, dunkler und feuchter. Das Mädchen musste sehr vorsichtig auftreten, denn sogar kleinste Geräusche hallten hier fürchterlich laut... und das zehrte enorm an ihren nicht vorhandenen Nerven. Von unten hörte sie entfernte, lachende Stimmen, aber Gott sei Dank keine sich nähernden Schritte.
Kaum war sie am Ende der Stufen angekommen, huschte sie in eine dunkle Nische und sah sich von dort aus furchtsam um. Licht brannte nur noch sehr spärlich in dem steinernen Gang. Unweit vor ihr war ein offener Wachraum mit fünf Marinesoldaten, die auf einem kleinen Tisch Karten spielten. An ihnen musste sie definitiv vorbei, die Zellen lagen dahinter. Langsam und mit rasendem Herzen schlich sich das Mädchen näher und verharrte so dicht an der Tür wie möglich, um auf eine gute Gelegenheit zu warten.

„Meint ihr, wir werden vom Hauptquartier belohnt für die drei Whitebeards?"
„Na aber sowas von! Es ist ewig her, dass wir Leute von einer Kaisercrew zu fassen gekriegt haben, und der alte Sack tanzt der Marine schon lang genug auf der Nase rum. Zeit, ihm endlich mal wieder einen ordentlichen Dämpfer zu verpassen!"
„Na hoffen wir, dass wir keinen Dämpfer bekommen..."
„Quatsch. Die Dreckskerle sind weg, bevor der Alte merkt, dass was nicht stimmt!"
Junie verzog das Gesicht. Es versetzte ihr einen überraschend schmerzhaften Stich, wie abfällig die Soldaten über Whitebeard sprachen.
Na wartet, jetzt erst recht!', dachte Junie rebellisch, und als die Wachen kurze Zeit später einen besonders guten Stich lautstark feierten, rollte sie sich blitzschnell über den Boden an dem Wachraum vorbei.

Das Glück blieb ihr treu; niemand hatte sie gesehen oder gehört.
Mit zittrigen Fingern fuhr sie sich über ihre schweißnasse Stirn und wartete, bis ihr panisch hämmerndes Herz sich wieder beruhigt hatte. Immerhin hatte sie einen kurzen Blick in den Raum erhaschen können und die Waffen der Piraten dort an der Wand hängen gesehen.
So schnell wie möglich schlich Junie tiefer in den Gang, bis er sich vor ihr in zwei Richtungen teilte. Unschlüssig blieb sie stehen und lauschte angestrengt.
‚Kommt schon, wo seid ihr?', flehte Junie in Gedanken. Da hörte sie rechts von sich einen unterdrückten Fluch.

Na also! Angespannt wandte sich das Mädchen nach rechts und huschte von Nische zu Nische, bis sie ein Stück weit vor sich einen weiteren Soldaten vor einer Zelle sah.
Bingo!
Er drehte ihr den Rücken zu, weil er gegen die Gitterstäbe gelehnt zu den Gefangenen sah.
„Fluchen hilft euch auch nichts mehr, ihr seid so gut wie tot!", höhnte er in diesem Moment. Sie hörte ein verächtliches Schnauben.
„Reds dir ruhig ein, Vater wird euch den Arsch dermaßen weit aufreißen, dass die ganze Red Line durchpasst!" Das war definitiv Thatch. Doch der Soldat lachte nur.
„Bist ja n ganz harter, mir gefesselt und weggesperrt drohen zu wollen!" Er beugte sich nach unten, wo einer der Piraten wohl saß. „In nicht mal vier Stunden werdet ihr weggeschafft, und niemand wird euch mehr finden können - bis ihr öffentlich hingerichtet werdet!"

******

Thatch starrte diesem uniformierten Lackaffen trotzig ins Gesicht. Er gab es nur sehr ungern zu, aber im Augenblick sah ihre Lage tatsächlich nicht besonders rosig aus. Vor morgen Nachmittag würden weder Marco noch Izou ihn vermissen. Ihre einzige Chance war, dass die Kleine ihren Ankerplatz fand und den anderen erzählte, was vorgefallen war. Doch auch in diesem Fall käme Hilfe vom Schiff zu spät... sie konnten nur hoffen, dass Vater sie auf dem Seeweg retten würde, bevor sie Impel Down erreichten.

Der Lackaffe stand noch immer zu ihm heruntergebeugt und schien seine Gedanken erraten zu haben, denn er lachte hämisch.
„Na? Schwindet die Zuversicht nun do..." Der Rest seines Satzes ging in einem dumpfen Schlag unter, dann kippte er plötzlich um und blieb reglos liegen. Überrumpelt blicken die drei Gefangenen zu den Gittern, und rissen dann synchron die Augen auf.
„Junie?!", hauchte Kirio fassungslos, und auch Max und Thatch starrten das Mädchen an, das in einer Hand ein Messer mit dem Griff nach vorne hielt - und mit diesem offenbar den Marineheini mit einem Schlag gegen die Schläfe ausgeknockt hatte. Ihr Atem ging hektisch und der Dolch zitterte sichtlich.

„Was zum Teufel tust du hier?!", flüsterte Thatch aufgebracht und höchst besorgt, was Junie offenbar aus ihrer angstvollen Starre riss. Sie zog den bewusstlosen Soldaten dicht an die Gitterstäbe, damit er nicht sofort auffiel. Danach tastete sie seinen Gürtel ab, doch -
„Sinnlos, der da hat keinen Schlüssel!", zischte Max von weiter hinten, und Junie brach die Suche ab.
„Kleine, verschwinde von hier solange du noch kannst! Bring dich doch nicht so unüberlegt in Gefahr!", forderte Thatch leise, aber eindringlich. Er wollte auf keinen Fall, dass dem Mädchen ihretwegen etwas zustieß! Doch Junies Gesichtsausdruck wurde nur noch entschlossener, fast trotzig.
„Nein! Ich lass euch nicht im Stich!" Und damit zog sie plötzlich zwei Dietriche hervor, bevor sie sich der Zellentür zuwandte und sie in nur wenigen Sekunden knackte. Thatchs Augenbrauen schossen überrascht in die Höhe, ehe sich ein diebisches Grinsen auf sein Gesicht schlich.

„Oi, wir haben dich ganz offensichtlich unterschätzt, Mädchen!", gab er mit neuem Glanz in den Augen zu.
Die Kleine lächelte schmal, während sie in die Zelle huschte und sich direkt vor den Kommandanten kniete, der ihr sogleich seine gefesselten Hände entgegenstreckte. Mit einem leisen ‚Klick' fiel die Handschelle ab, und er rieb sich erleichtert die Gelenke. Das selbe widerholte sie bei Max und Kirio, der schmerzerfüllt aufstöhnte. Besorgt legte Thatch seinem Bruder eine Hand auf die Schulter.
„Geht es?", wollte er leise wissen, und Kirio nickte grimmig. Schon lockerte der Kommandant sein Halstuch, um es als provisorischen Verband zu benutzen, doch Junie zog aus ihrem Mantel ein kleines Täschchen hervor und drückte es ihm in die Hand. Als er hineinsah, fand er Verbandsmaterial und sogar Schmerzmittel.
„Junie, du bist wirklich klasse!", hauchte er anerkennend, und wurde diesmal sogar mit einem aufrichtigen Lächeln belohnt. Wenn auch aus einem sehr, sehr blassen Gesicht. So schnell er konnte, versorgte er den Verletzten.

„Gibt es einen Plan?", wollte Max zwischenzeitlich wissen und positionierte sich als Späher an den Gitterstäben. Junie zuckte unschlüssig mit den Achseln und umschlang sich selbst mit ihren Armen.
„Naja... sowas wie einen schnell Improvisierten? Also vorn im Wachraum sind fünf Soldaten, an denen müssen wir vorbei, dort sind auch eure Waffen. Wenn wir das geschafft haben, sind draußen Patrouillen, aber wenn wir leise und vorsichtig sind, können wir ihnen aus dem Weg gehen. Das Haupttor hab ich schon geknackt, es ist unverschlossen. Ich werde draußen versuchen, die Wachen vor dem Tor abzulenken, sodass ihr unbemerkt hinauslaufen könnt. Rennt direkt links die Mauer entlang, bis ihr zum Waldrand kommt. Dort treffen wir uns! Einen besseren Plan hab ich mir auf die Schnelle nicht ausdenken können, meint ihr, das könnte klappen?" Sie warf ihnen einen unsicheren Blick zu.

Der Kommandant tauschte mit seinen Kameraden einen entschlossenen Blick.
„Das muss es. Gut gemacht, Kleine!", lobte Thatch und wuschelte ihr liebevoll durch die Haare. Sie würde eine großartige Piratin abgeben und Vater sehr stolz machen, dessen war er sich absolut sicher. Und er schwor sich, dass er die Kleine mit allen Mitteln dazu bringen würde, sich ihnen anzuschließen, falls sie tatsächlich Zweifel haben sollte. Aber im Grunde gehörte sie ohnehin bereits zu ihnen - spätestens mit dieser unerwarteten Aktion hatte sie das doch schon eindeutig bewiesen.
Mit ein paar Handgriffen verband er die letzte blutende Wunde von Kirio, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen. Zum Glück sah keine Verletzung schwerwiegend aus; Viktor, ihr Chefarzt, würde ihn sicherlich schnell wieder zusammenflicken, sodass er in ein paar Tagen wieder topfit war.

„Also dann... kümmern wir uns um die Wachposten!", befahl Thatch grimmig, und Max ließ finster lächelnd seine Fäuste knacken. „Junie, du wartest weiter hinten im Gang bis die Luft rein ist, ja?" Das Mädchen nickte verkrampft. Man sah ihr deutlich an, wie viel Angst sie hatte, was den Blick des Kommandant weicher werden ließ. Kurzentschlossen ging er in die Knie und zog sie fest in seine Arme, um ihr wieder etwas Mut zu machen. Sie zuckte überrascht zusammen, doch dann klammerte sie sich sofort an ihn und schmiegte sich zittrig an ihn. Behutsam strich er ihr über den Rücken.
„Ganz ruhig, Kleine. Wir schaffen das schon... es wird gut gehen, glaub mir! Du hast das wirklich toll gemacht", beruhigte er sie leise. Als er spürte, dass ihr Zittern wieder nachließ, löste er sich wieder ein Stück und sah er ihr prüfend in die Augen. „Kanns los gehen?" Sie ließ zwar nur zögerlich von ihm ab, nickte aber tapfer. Dieser unerwartet liebevolle Körperkontakt hatte wirklich gut getan...

Gemeinsam schlichen sie den Zellentrakt entlang. Schon kurz nach der Kreuzung war das fröhliche Johlen der noch immer nichtsahnend kartenspielenden Marinesoldaten zu hören. Thatch bedeutete Junie, hier stehen zu bleiben. Er und Max schlichen mit Kirio als Schlusslicht weiter, bis sie unmittelbar neben der offenen Tür innehielten. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, hob er zu seinen Brüdern drei Finger hoch, dann zwei, dann einen...

Mit einem eleganten Satz sprang Thatch in den Raum und schlug dem ersten Soldaten direkt seine Faust in den Nacken, bevor der Rest seine Anwesenheit überhaupt registriert hatte. Erst als er einem zweiten, der mit dem Rücken zu ihm saß, den Schädel auf die Tischplatte vor ihm donnerte, sprangen die übrigen drei auf. Max fegte zwei gleichzeitig mit einem blitzschnellen Kick von den Beinen; dem einen rammte er direkt den Ellbogen ins Gesicht, der Zweite wurde von Kirio niedergeschlagen. Nur einer kam überhaupt dazu. sich ernsthaft zu wehren. Er ging mit seinem gezückten Schwert auf Thatch los, doch für den erfahrenen Kommandanten war der Fußsoldat kein ernstzunehmender Gegner. Er fing seine Klinge mit der bloßen, hakiverstärkten Hand ab, verdrehte ihm den Arm, bis er die Waffe fallen ließ und schlug ihn mit dem Kopf gegen die Mauer. Besinnungslos sackte er zusammen und schloss sich damit dem Rest seiner Kumpanen an.

„Kannst kommen, Kleine!", rief Max leise, während Kirio und Thatch bereits ihre Waffen gefunden hatten und anlegten. Junie trat sofort in den kleinen Raum und staunte nicht schlecht.
„Wow... das ging echt schnell!", hauchte sie beeindruckt und half ihnen dabei, die ohnmächtigen Soldaten zu entwaffnen und zu fesseln.
„So weit, so gut. Jetzt wirds kniffliger, wir werden auf jeden Fall versuchen, unbemerkt hier rauszukommen. Das würde uns einen sicheren Vorsprung verschaffen. Falls wir entdeckt werden, nehmen wir die Beine in die Hand und rennen direkt zum Tor, sie können ja nicht wissen, dass es unverschlossen ist. Und für den Fall, dass wir getrennt werden: Junie, die Moby ankert an der Westseite der Insel. Wie kommen wir am schnellsten dort hin?", fragte Thatch konzentriert.

„Das ist gar nicht so schwer. Haltet euch südwestlich, bis ihr dort den Waldrand erreicht. Dann geht ihr so lange Richtung Westen am Rand entlang, bis ihr eine kleine Bretterhütte neben einem riesigen, alten Weidebaum erreicht - dort, versteckt hinter dem Baum, findet ihr einen gut sichtbaren Pfad in den Wald hinein, der direkt dorthin führt", erklärte das Mädchen leise.
„Alles klar, dann hoffen wir mal das Beste!", raunte Max.
„Ich bringe euch an den Patrouillen vorbei bis wir die Außenmauer erreichen. Dort müsste mich einer von euch hochwerfen, damit ich über die Mauer komme und die Wachen am Tor ablenken kann!", fügte Junie noch hinzu. Thatch grinste.
„Dich Fliegengewicht krieg ich da schon hoch, keine Bange!" Doch dann wurde er ernst. „Sei aber um Himmels Willen vorsichtig, ja?" Sie nickte zuversichtlich, und schon machten sie sich auf den Weg.

Zu viert war es leider deutlich schwieriger, unbemerkt zu bleiben, als für Junie allein. Ein kleines Mädchen fand viele Versteckmöglichkeiten, aber drei große Männer waren doch auffälliger - vor allem der Kommandant verfluchte zum ersten Mal seine helle Kleidung.
Besonders brenzlig wurde es, als sie in einem Gebüsch neben dem Brunnen kauerten und eine Wache plötzlich den Drang verspürte, seine Blase zu entleeren - genau in das besagte Gestrüpp. Wäre die Situation nicht so verdammt heikel gewesen, wären Kirio, Thatch und Junie vermutlich vor Lachen gestorben bei dem entsetzt-angewiderten Blick von Max - an dessen Gesicht der Strahl haarscharf vorbeiplätscherte.

Wie durch ein Wunder erreichten sie aber ohne einen weiteren Zwischenfall die Mauer. Als die nächste Patrouille vorbeigezogen war, packte Thatch Junie an der Hüfte, ging in die Knie und warf sie kraftvoll nach oben, wo sie geradezu lehrbuchhaft auf der Mauer landete und dann lautlos verschwand. Thatch sah ihr halb stolz, halb besorgt hinterher und hoffte, dass im letzten Akt noch alles gut ging. Sehr vorsichtig schoben sich die drei Piraten an der Mauer entlang Richtung Tor. Wie Junie gesagt hatte, befanden sich hier keine Soldaten, also warteten sie verborgen hinter dem leeren Wachhäuschen auf ein Zeichen der Kleinen.

Fünf Minuten später hörten sie die weinerliche Rufe eines Mädchens nach ihrem Vater, durchbrochen von herzzerreißenden Schluchzern. Anerkennend hob der Kommandant die Augenbrauen, das klang wirklich echt und so gar nicht nach Junie; anscheinend nutzte sie ihr ihre magere, kleine Statur, um jünger zu wirken als sie eigentlich war. Kurz darauf konnten sie auch mehrere männliche Stimmen hören, die sich dem Weinen näherten.
Jetzt oder nie!
Synchron rannten die Piraten auf das Tor zu und zogen daran. Es öffnete sich tatsächlich! Vorsichtig lugte Thatch heraus und konnte unweit von sich Junie schluchzend am Boden hocken sehen, sowie sechs Marinesoldaten, die mit dem Rücken zum Tor auf das Mädchen blickten.

So schnell und so leise wie sie konnten, schlüpften die Piraten durch das Tor. Max zog es vorsichtig zu, dann rannten sie wie von Junie angewiesen an der Mauer entlang bis sie den Waldrand erreichten. Schwer atmend gingen sie hinter ein paar Bäumen in Deckung und hockten sich auf den Boden.
„Ich kanns kaum fassen, die Kleine hats echt geschafft!", lachte Kirio ungläubig und streckte schnaufend sein verletztes Bein aus. Thatch nickte, doch ehrlich freuen konnte er sich erst, wenn auch Junie unversehrt hier angekommen war. Max erriet die Gedanken seines Kommandanten und klopfte ihm auf die Schulter.
„Sie ist sicher gleich da! Pops wird Augen machen wenn wir ihm das alles erzählen...", schmunzelte er etwas wehleidig, und Thatch verstand, was er unausgesprochen ließ.
„Unsere Brüder werden uns ewig damit aufziehen, dass uns eine Vierzehnjährige retten musste!", vollendete er den Gedankengang nun mit dem selben wehleidigen Ton. Kirio stöhnte entsetzt, daran hatte er noch gar nicht gedacht. Ja, das würde definitiv für Spott sorgen...

„Naja, was solls. Lieber lass ich mich aufziehen, als in Impel Down zu landen!", beendete er klugerweise die Schwarzmalerei. Schweigend warteten sie nun auf Junie. Es dauerte jedoch gut eine halbe Stunde, ehe Max sie endlich erspähte. Sekunden später wurde die überraschte Kleine auch schon stürmisch von Thatch umarmt.
„Dem Himmel sei Dank, ist alles gut gegangen? Du bist echt einsame Spitze, Mädchen! Wir können dir gar nicht genug danken!", stieß er begeistert hervor, was Junie mit einem überwältigend glücklichen Strahlen erwiderte.
„Ihr müsst mir nicht danken, ihr wart so lieb zu mir in den letzten Tagen und habt so viel für mich getan... das kann ich euch niemals vergelten!", entgegnete sie ein wenig atemlos. Auch Max und Kirio zogen sie nacheinander in eine feste, dankbare Umarmung.

„Kommt, wir gehen besser. Spätestens in zwei Stunden wissen sie von eurem Verschwinden!", erinnerte Junie die Männer, und zog die drei energisch weiter. Schweigend und zügig trabte das Grüppchen den Wald entlang, bis sie den von Junie genannten Weidebaum und die Hütte erreichten. Erst jetzt atmete die Kleine erleichtert auf.
„Wir haben es wirklich geschafft!", seufzte sie zufrieden. Thatch nickte und sah sie stolz an.
„Dank dir. Sollen wir dich nicht noch nach Hause begleiten?" Das Mädchen lachte.
„Ich bin Zuhause. Die Hütte da hab ich gebaut!", erklärt sie stolz, und der Kommandant hob anerkennend eine Augenbraue. Dafür, dass sie so jung war und quasi mittellos, sah das Gebilde recht solide aus. Zumindest für ein Straßenkind.

Er beugte sich noch einmal vor und legte ihr seine Hand auf den Kopf.
„Gut, dann verabschieden wir uns jetzt. Pops muss von all dem hier sofort erfahren. Nochmals vielen Dank für deine mutige Rettungsaktion, das werden wir niemals vergessen! Ich schätze, Vater wird nach all dem Ärger zügig von hier verschwinden wollen, aber wir sehen uns definitiv vorher noch mal wieder, ja?" Junie lächelte.
„Das will ich doch hoffen! Grüßt bitte Marco, Alen, Hiro, Woltan, Hakamaru und Izou, ja?"
„Na klar!", versprach Max grinsend. „Mit Küsschen?" Junie wurde rot, doch dann streckte sie ihm die Zunge raus.
„Gute Idee! Thatch, pass auf, dass er es auch durchzieht!", konterte sie unerwartet frech, was Max' Gesichtszüge entgleisen und die anderen beiden laut auflachen ließ.
„Ehrensache, ich beschreibe dir auch haarklein die Reaktionen!", fiel Thatch seinem Bruder in den Rücken. „Gute Nacht, Sonnenschein!"
Fröhlich winkend (und in Max' Fall entrüstet murmelnd), trabten die drei in den Wald und waren bald außer Sicht.

Das Mädchen sah ihnen glücklich nach. Es glich einem Wunder, dass alles so reibungslos geklappt hatte! Nun konnte den Piraten nichts mehr passieren, sie hatte ihr Versprechen gehalten... Todmüde, aber mit sich völlig zufrieden, fiel sie ohne sich noch umzuziehen auf ihr Lager und schlief beinahe sofort ein. Nicht ahnend, dass es noch nicht ausgestanden war...

...Sie hörte den furchtbaren Wutschrei des Vizeadmirals nicht, der eine Stunde später durch die ganze Marinebasis hallte. Sie hörte auch nicht, wie sechs Soldaten ein Mädchen beschrieben, das zufällig zur fraglichen Zeit am Tor für Ablenkung gesorgt hatte. Und sie hörte auch nicht den hasserfüllten Befehl, dieses Mädchen auf der Stelle zu ihm zu bringen...

Das Feuer des Lebens (Überarbeitet)Where stories live. Discover now