47| »Illusionen«

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„Luke, es tut mir leid. Ich... Ich hätte dich bezüglich des Whiskys nicht anlügen dürfen, das weiß ich jetzt! Wirst du... meinen Eltern davon erzählen?", ich schaue ihn entsetzt an, denn der Gedanke daran ist mir gerade gekommen und dementsprechend schrecklich sind die Reaktionen, die ich mir nun ausmale. Luke sieht mich nachdenklich an: „Soll ich? Hm. Eigentlich gar keine schlechte Idee. Warte, ich rufe sie gleich an." Mir steht der Mund offen, denn so entschieden habe ich ihn noch nie erlebt. „Luke! Was machst du?! Du kannst sie doch nicht einfach so anrufen!", rufe ich und klammere mich an seinen Arm. „Oh doch, ich kann und werde es. Aislynn, wach auf. Du wirst bald 18, machst dein Austauschjahr auf Hawaii, was willst du mehr? Ein Krönchen? Einen Orden? Eine Flasche Whiskey? Wach endlich auf und stelle dich verdammt noch mal der Realität! Je mehr du diese verdrängst, desto schwerer wird es, die Wahrheit zu akzeptieren und loszulassen." Er sieht mich wütend und zugleich eindringlich an und ich weiß, dass er seine Worte genauso meint, wie er sie gesagt hat.

Ich lasse seinen Arm los und schaue ihn an: „Ich soll die Wahrheit akzeptieren und loslassen? Hast du sie noch alle? Welche Wahrheit bitteschön? Die, welche ich vergessen habe, oder die, die du mir seit Tagen vorenthältst? Hach, ich weiß schon. Ich bin auf einer einsamen Insel ohne Internet gewesen, meinst du wirklich, ich nehme dir diese Story ab? Und Agent Berelly, selbst sie hat mir nicht die Wahrheit gesagt und ich denke, dass ich in etwas Schlimmes verwickelt gewesen bin. Warum sonst stattet mir das FBI im Krankenhaus einen Besuch ab? Was habe ich getan, Luke? WAS ZUR HÖLLE HABE ICH NUR GETAN, DASS ES EUCH ALLEN SO SCHWER FÄLLT, MIR DIE WAHRHEIT ZU SAGEN?!", ich schreie wie noch nie in meinem Leben. Plötzlich öffnet sich krachend die Türe und Agent Berelly steht vor uns: „Ich störe nur ungern, aber ich müsste mit Mr. Downey etwas Wichtiges besprechen. Kommen Sie?". Ich schaue verblüfft von ihr zu Luke, der keine Miene rührt, sich auf der Stelle umdreht und gemeinsam mit ihr den Raum verlässt.

Wow, was ist das denn gewesen? Ich bin doch normalerweise sehr beherrscht und würde niemals jemanden anbrüllen, geschweige denn eine Verschwörung gegen mich vermuten. Doch ich muss sagen, dass es wirklich gut getan hat, endlich mal meine Gedanken der letzten zwei Wochen auszusprechen, auch wenn die Art und Weise, wie ich es gemacht habe, alles andere als in Ordnung gewesen ist. Ach, jetzt denke ich noch immer daran. Ich brauche eine Ablenkung! Mein Blick irrt durch den Raum und bleibt an meinem Smartphone, welches neben meiner Handtasche auf dem Nachtkästchen liegt, hängen. Ich beuge mich nach links und angle danach, doch als ich es mit den Fingerspitzen berühre, verliere ich das Gleichgewicht und bei dem Versuch, mich festzuhalten, schiebe ich mein Handy ein paar Zentimeter nach hinten, sodass ich mich nun erst recht aufsetzen muss, um danach greifen zu können. Endlich halte ich es in den Händen, entsperre es und sehe als Erstes die Mitteilung, dass alle meine Backups erfolgreich heruntergeladen und gespeichert sind. Neugierig darauf, was ich in den letzten Wochen alles geschrieben und fotografiert habe, öffne ich zuerst WhatsApp, denn in meiner Galerie kann ich später immer noch stöbern. Dutzende Chats poppen auf und ich sehe, dass ich, bevor ich auf dem Schulausflug und meinem anschließenden Praktikum gewesen bin, an die große irländische „Freunde-Gruppe" einige Fotos versendet habe. Gespannt öffne ich den Chat und erblicke ein paar Fotos vom Meer und den Parks, dem Haus von Mariah und Pete sowie Fotos vom Schulgebäude und eines von einem Aquarium. Wie schön, ich habe bis dato gar nicht gewusst, dass es hier ein solches gibt. Ich scrolle weiter nach unten und erblicke ein Foto, an dessen Existenz ich nie im Leben glauben würde, wäre es nicht vor mir. Es zeigt Keylam und mich, wie wir beide, Arm in Arm, breit in die Kamera lächeln. Träume ich? Wir haben jeweils einen Arm um den anderen geschlungen und ich sehe ... glücklich aus. Die Verwunderung macht einem gänzlich anderen Gefühl Platz und Tränen bilden sich in meinen Augen.

Bilder laufen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab, ich sehe Keylam und mich, nein, Ky und mich, wie wir uns anfreunden, die Fehde beenden, ich seine Anwesenheit im, mit Mondlicht überfluteten, Park spüre und erkenne, dass ich ihn liebe. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn, seitdem er damals in Irland die Klasse zum ersten Mal betreten hat und sich lässig vorgestellt hat. Ich habe nie ohne ihn gekonnt, denn es ist seitdem kein Tag vergangen, an dem wir uns nicht wegen belangloser Kleinigkeiten in die Haare gekriegt haben. Niemand sonst hat so viel Aufmerksamkeit von mir erhalten und aus allen Flirts und Dates mit meinen anderen männlichen Mitschülern hat sich nie etwas entwickelt. Damals wie heute ist Kys Anwesenheit normal gewesen, zumindest bis ich ihn vor drei Wochen aus Angst um seine Sicherheit zurückgewiesen habe. Endlich weiß ich, wen ich heute Nacht im Traum vermisst und gesucht habe. Ky. Es ist immer er gewesen, nur habe ich es, wie alles andere, vergessen.

Die Erleichterung darüber, dass mein Gedächtnis endlich zurückgekehrt ist,  durchströmt mich und gleichzeitig rollen Tränen über meine Wangen nach unten und durchnässen die getupfte  Krankenhauskleidung. Ich versuche, die Tränen mit meinem Handrücken wegzuwischen, doch es funktioniert nicht wirklich. Ich schniefe und plötzlich taucht ein Taschentuch wie aus Zauberhand vor meinem Gesicht auf. Ich blicke auf und erkenne Liko. Es geht ihm gut, schießt mir durch den Kopf und ich springe aus dem Bett und falle ihm um den Hals. Durch meinen Schwung hat er seine Krücken fallen gelassen und legt nun seine Arme um mich.

Die ganze Anspannung fällt unterdessen von mir ab und landet in Form einer salzigen Flüssigkeit auf seinem Hemd. Nach einiger Zeit löse ich mich von ihm und schaue ihn an: „Wie geht es dir? Es tut mir so leid, ich hatte eine Amnesie und habe mich an die Geschehnisse der letzten Wochen nicht mehr erinnern können. Weder Sanna noch Luke haben ein Wort über die Entführungen oder dich verlauten lassen!" Er sieht mich lächelnd an: „Es geht mir schon viel besser, und das nur dank dir. Hättest du Keano nicht für eine Zeitlang unschädlich gemacht und dich vor Mea und mich geworfen, als er erneut geschossen hat, hätten wir nicht überlebt." Ich versuche mich ebenfalls an einem Lächeln, doch meine Emotionen überrollen mich immer noch und ich bringe den nächsten Satz kaum über die Lippen: „Ich muss mich bei dir, bei euch bedanken, ansonsten würde ich ebenfalls nicht lebend hier stehen."

Ein Hochgefühl breitet sich in mir aus und schickt neue Energie durch meinen Körper, es macht mich ganz hibbelig, denn ich muss so vieles erledigen...

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Hach, wie schön... Es kommt Licht ins Dunkel der letzten Zeit. Ihr dürft euch bei storywriterde dafür bedanken, denn ich hätte Ais nicht sooo schnell ihr Gedächtnis wiedergeschenkt... 😉😅

Na, was meint ihr, habe ich noch einige Überraschungen in petto oder ist das Gröbste überstanden? 😇😈

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