Schwein & Esel

803 27 3
                                    

„Ein Esel…hmmmm und noch ein Esel“, entfuhr es Mia freudig, als sie die zweite passende Memory-Karte aufdeckte und sie zu ihren etlichen bereits ergatterten Pärchen legte. Charlie schnaubte. Sie hatte keine Chance gegen das vierjährige Mädchen. Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel ließ sie aufsehen. Es war Filip, welcher bemüht unauffällig um sie herumschlich, sie neugierig beobachtete. „Möchtest du mitspielen?“, lächelte Charlie und sah den kleinen Jungen aufmerksam an. Zögerlich knabberte er auf seiner Lippe, trat näher an sie heran, schüttelte den Kopf und legte ihn mit seinen verschränkten Armen auf dem Tisch neben ihnen ab. „Ich will nicht, dass er mitspielt…“, warf Mia mürrisch ein, was Charlie sanft lächeln ließ: „Du möchtest nicht, dass er mitspielt“, korrigierte sie das kleine Mädchen, bevor sie weitersprach: „…und er möchte doch gar nicht mitspielen. Er schaut nur zu…“. Kritisch beäugte Mia Charlie, verdrehte schnaubend die Augen und konzentrierte sich wieder auf das Spiel. 

Nachdenklich betrachtete Charlie die vor ihr liegendes Karten. Wo zum Teufel steckte das zweite Schwein? „Das ist es nicht“, nuschelte Filip leise in seinen Unterarm, als sie gezielt eine Karte ansteuerte. Irritiert hob sie eine Augenbraue und sah zu dem kleinen blonden Jungen neben ihr, welcher beiläufig die Schultern hob. „Heeeeyyyy, nicht vorsagen“, fuhr Mia Filip ungehalten an und schubste ihn vom Tisch. „Hey“, schritt Charlie ein. „Er wollte mir nur helfen. Das ist sicherlich kein Grund ihn zu schubsen.“ „Das darf er nicht“, motzte das kleine Mädchen weiter, worauf Charlie unbeeindruckt begann die Karten auf dem Tisch zusammen zu legen. „So möchte ich mit dir nicht spielen, Mia“, erklärte sie ruhig und räumte die Karten sorgfältig in eine kleine Kiste. „Aber….nein….ich will….“. „Beruhige dich, entschuldige dich bei Filip und dann kannst du mich gerne noch einmal fragen, ob ich mit dir spielen möchte.“, erklärte Charlie mit ruhiger Stimme, schloss die kleine Spielekiste, erhob sich und ließ das kleine wetternde, trotzige Mädchen alleine am Tisch zurück. 

„Hat dich deine Oma heute Morgen wieder gebracht?“, fragte Charlie leise, ließ sich neben Filip auf dem Boden nieder und beobachtete ihn dabei, wie er die Legosteine auf einer grünen Platte anordnete. Irritiert sah er auf, hob fragend eine seiner kleinen Brauen: „Finja“, erklärte er knapp und widmete sich wieder seinem Bauprojekt. „Magst du mir denn erklären, wer Finja ist?“, versuchte Charlie den kleinen zurückhaltenden Jungen weiter in ein Gespräch zu verwickeln. „Meine Nanny“, erwiderte er vollkommen selbstverständlich und schmunzelte zaghaft, was Charlie zufrieden lächeln ließ: „Oha, deine Nanny? Bringt sie dich immer in den Kindergarten?“ Filip nickte: „Papa schläft“ Charlie hob eine Augenbraue: „Dein Papa schläft und deine Nanny bringt dich in den Kindergarten?“, grinste sie und schüttelte amüsiert den Kopf: „Na der hat ja alles richtig gemacht“. „Ich baue eine Garage“, ergriff Filip überraschend das Wort und deutete auf das Legogebilde vor seiner Nase. Charlie lächelte: „Für deine Autos?“ „Ja für den Audi….und…und den Porsche.“, erklärte der kleine junge beinahe verträumt und setzte Stein auf Stein. „So teure Autos?“ Filip nickte eifrig: „Papas Autos“. „Entschuldigung, Filip“, drang überraschend eine leise Stimme an ihr Ohr, welche Charlie sogleich aufsehen ließ. Neben ihr stand Mia, auf ihren Lippen ein zurückhaltendes Lächeln. „Spielst du wieder mit mir Charlie?“, ergänzte das kleine Mädchen kleinlaut, sah sie mit großen Augen an, was Charlie zufrieden lächeln ließ. Gewonnen! 

Gedankenverloren ließ Charlie das Smartphone durch ihre Finger gleiten, genoss die Ruhe, während die Kinder auf ihren Matratzen lagen und ihrer Mittagsruhe, einer kleinen Auszeit vom Alltag, nachkamen. Seine unglaublich fesselnde Stimme ging ihr einfach nicht aus dem Kopf, diese überhebliche, dominante Art. Weshalb ließ er sie nicht los, weshalb reizte dieser Mann sie auf solch ungeahnte Weise? Entschlossen entsperrte sie den Bildschirm ihres Smartphones, tippte auf die Nummer, welche sie am Tag zuvor gewählt hatte, und speicherte sie unter ihren Kontakten ab. -Patryk- las sie zufrieden, grinste verschmitzt und öffnete WhatsApp. 

Charlie: Du bist ein arrogantes Teufelchen.

Patryk: Das ging schneller als erwartet, Kleines. 

Charlie: Ich habe selbstgefällig vergessen, entschuldige.

Patryk: Dafür, dass du gestern so brav und folgsam warst, bist du heute ganz schön frech.

Charlie: Brav und folgsam sind nicht unbedingt die Adjektive, mit denen ich mich beschreiben würde.

Patryk: Warte ab!

Was?! Charlie schluckte angesichts dieser maßlosen Überheblichkeit, atmete tief durch, und dieser unbändigen Erregung, welche diese zwei kleinen Worte in ihr lostraten. Worte, die einem Versprechen gleichkamen. Wie zur Hölle konnte das sein?! Zaghaft biss sie sich auf die Lippe. – Er beherrschte sein Handwerk tatsächlich, und das auf unglaubliche Weise. „So, langsam bitte die Augen öffnen und die Matratzen aufräumen…“, riss Beas leise Stimme sie schlagartig aus ihren Gedanken, zog sie mit einem Ruck in den Gruppenraum der Kita zurück. 

Charlie schmunzelte, beobachte die Kinder, die sie umgaben, wie sie konzentriert auf ihrem Papier herumkritzelten. „Ich habe einen Tiger gemalt“, sprudelte es aus Simon hervor, während er ihr eifrig sein Blatt Papier unter die Nase hielt. Akribisch musterte sie seine Zeichnung, versuchte angestrengt den Tiger in seiner wirren Kritzelei zu erkennen. „Das sieht toll aus, Simon.“ 

„Filip, du wirst abgeholt“, schallte Beas Stimme durch den Raum, ließ Charlie irritiert aufsehen. War es schon so spät? Filip schob schwungvoll den Stuhl zurück und rannte geistesgegenwärtig los. „Halt, halt. Aufräumen, Filip“, versuchte sie den Jungen auszubremsen, doch er war unhaltbar: „Papa“. Charlie atmete tief durch, erhob sich von ihrem Stuhl und folgte dem kleinen Jungen. Er würde noch aufräumen. 

„Filip, räumst du bitte noch deine Stifte weg.“, ergriff sie ruhig das Wort, als sie den Flur betrat und prompt in die Arme von Filips Vater lief, schlagartig erstarrte als sie in seine hellgrauen, aufblitzenden Augen sah. Fuck! Nein! Das war unmöglich! „Patryk“, entfuhr es ihr beinahe tonlos, auf seinen Lippen ein unverschämt verführerisches Grinsen: „Hallo, Kleines…damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet“. „Papa, Charlie und ich haben eine Garage für deine Autos gebaut“, warf Filip freudig ein und zupfte hastig an seiner Hose. Unauffällig ließ sie ihren Blick über seinen Körper schweifen, seine perfekt sitzende graue Stoffhose, sein weißes enganliegendes Hemd, seine akkurat zurückgekämmten schwarzen Haare und dieses verflixte Funkeln in seinen silbern schimmernden Augen. „Das ist ja grandios…“, riss Patryks samtige Stimme sie aus ihrer Trance, bevor sie zusah, wie er dem kleinen blonden Jungen liebevoll durch die Haare strich. „Charlie also“, bemerkte er mit rauer Stimme, sah auf und blickte ihr unvermittelt in die Augen. Charlie schluckte fest. Ausgerechnet dieser Mann hatte einen kleinen Sohn? Wie zur Hölle sollte sie diese ganzen Informationen über ihn unter einen Hut bringen, sie in einer einzigen Person unterbringen. Das war schier unmöglich!

DarkSide - Femme FataleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt