Kapitel 1

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MILLY

"Danke, dass du gekommen bist." Avery wollte mich umarmen, aber ich machte einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. Er nickte, ließ die Arme sinken und setzte sich an einen Stuhl am Tisch. Ich setzte mich ebenfalls zu ihm an den Tisch, auf dem einige Karten- und Brettspiele verteilt lagen. Ich war zum ersten Mal bei Avery zu Besuch, seitdem er in die Psychiatrie gekommen war, weil die Schwestern es erst jetzt als sinnvoll empfunden hatten. Ich hatte eigentlich noch nicht kommen wollen, aber da Avery mittlerweile auf Medikamenten war und auch öfters mal unter der Woche alleine rausdurfte, hatte ich jetzt keine Ausrede mehr, um nicht zu kommen. Und ich hatte ihm ja versprochen, dass ich kommen würde, sobald die Schwestern das "Okay" gaben.
"Schon gut, ich hatte es dir ja versprochen", erwiderte ich Avery schnell und sah mich im gemütlichen Gemeinschaftssaal der Klinik um. Eine ganze Menge Leute saßen hier mit Angehörigen und spielten Karten oder sahen Fern, Pfleger und Schwestern konnte ich nur sehr vereinzelt sehen. "Also... Was machst du denn so den ganzen Tag lang hier?"
"Na ja, meistens hab ich vormittags Therapie und nachmittags habe ich die meiste Zeit frei", antwortete Avery mir und kratzte sich nervös am Arm. "Außer, wenn ich Ausgang habe. Dann bin ich oft in der Stadt. Manchmal gehe ich auch schwimmen oder boxen, das hilft sehr gegen die Aggressionen."
"Klingt gut", erwiderte ich und nickte leicht. "Ich wusste gar nicht, dass du gerne Sport machst."
"Na ja, du weißt ja, dass ich eigentlich auch ungern Sport mache, aber es hilft tatsächlich sehr. Vielleicht brauche ich die Medikamente auch bald nicht mehr, wenn ich es schaffe, meine Aggressionen anderweitig zu besänftigen", erklärte er. "Aber genug von mir. Wie geht's dir? Was machst du so?" Ich wusste nicht, ob ich Avery das alles sagen wollte, ich wusste schließlich nicht, wie er reagieren würde, aber von der Academy konnte ich ihm erzählen. Das sollte ihn im Gegensatz zu der Sache mit Otis nicht allzu sehr aufregen.
"Ich beginne in ein paar Tagen meine Ausbildung an der Academy zur Feuerwehrfrau", antwortete ich ihm. Mein Ex-Freund lächelte mich an.
"Das klingt toll, wirklich. Ich bin froh, dass dein Leben so gut läuft - ganz im Gegensatz zu meinem", meinte er.
"Na ja, ich hab ja auch kein Verbrechen begangen. Sorry, aber ich glaube, dass es das Beste für dich ist, wenn du hier bist", wandte ich unsicher ein, er lachte leicht und nickte. Dass er so gelassen darauf reagieren würde, hatte ich nicht erwartet, aber vielleicht waren daran ja auch die Medikamente schuld.
"Ja, da hast du wahrscheinlich recht. Mir wird es dann wahrscheinlich bald besser gehen und vielleicht kann ich dann auch irgendwann wieder alleine wohnen", stimmte er mir zu. "Meine Familie ist mich übrigens noch nicht besuchen gekommen."
"Das... tut mir leid. Soll ich sie mal anrufen und sehen, ob ich was tun kann? Bei Jenna kann ich dir für nichts garantieren, aber vielleicht kommen wenigstens deine Eltern vorbei", bot ich an, aber Avery schüttelte den Kopf.
"Lieb von dir, aber das musst du nicht. Ich hab es auch schon probiert, aber meine Eltern wollen mich nicht sehen. Jenna ist ihnen im Moment wichtiger und das verstehe ich vollkommen", lehnte er ab. "Ich bin nur froh, dass wenigstens du gekommen bist." Da klingelte mein Handy und ich sah auf das Display. Eine Nachricht von Otis.

Hast du Lust auf die Wache zu kommen? Wir haben heute bestimmt wieder einige spannende Einsätze und Casey hat zugestimmt, dass du auf der Drehleiter mitfahren kannst😉

Das klang wirklich gut! Da ich nur noch wenige Tage Zeit hatte, bis meine Ausbildung begann, wollte ich so viel wie möglich mitbekommen. Aber wenn ich Avery jetzt sagen würde, dass ich gehen wollte, würde er sicherlich nicht begeistert sein.
"Was ist? Wer hat dir geschrieben?", fragte Avery da neugierig nach, ich steckte mein Handy sofort wieder ein.
"Niemand, nur so eine Gruppe", wich ich vage aus.
"Dein Bruder, oder? Er will nicht, dass du hier bist", vermutete Avery, aber bevor ich ihm antworten konnte, sprach er einfach weiter. "Ich kann das verstehen, ich würde auch nicht wollen, dass Jenna mit so einem Typen wie mir abhängt."
"So ist das nicht, Avery. Kelly vertraut mir, ich kann machen, was immer ich will", wandte ich ein.
"Und wieso verheimlichst du mir dann die Nachricht?", hakte er skeptisch nach. Ich seufzte.
"Ich soll zur Wache kommen, es gibt heute ein paar gute Einsätze", erklärte ich ihm. "Das... ist wichtig für meine Ausbildung, deswegen hab ich eine Nachricht bekommen." Avery nickte langsam.
"Schon kapiert, das ist wichtig für dich. Wichtiger als ich. Geh ruhig, du brauchst das. Ich will dir dein Leben nicht noch mehr zerstören", meinte er resigniert.
"Avery, so habe ich das nicht gemeint", wandte ich sofort ein, aber er schüttelte den Kopf.
"Nein, ist schon gut, geh. Ruf mich nur mal an, ja? Ich bin hier ziemlich alleine und ich würde mich freuen, wenn du dich ab und an mal melden würdest", meinte er stur und stand auf. "Danke, dass du da warst. Das hat mir eine Menge bedeutet." Ich stand nun ebenfalls auf.
"Schon gut, Avery. Mach weiter so, ja? Ich bin stolz auf dich und ich komme dich bald wieder besuchen", erwiderte ich, er nickte.
"Danke."
"Keine Ursache." Er lief rüber zu einem Tisch mit Computern, ich hingegen verließ das Gebäude und schrieb Otis, dass ich in zwanzig Minuten da sein würde. Hoffentlich passierte bis dahin kein spannender Einsatz, den ich verpasste!

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt