Kapitel 4

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KELLY

Casey kam nur zehn Minuten nach uns wieder an der Wache an, ich wartete mit den anderen in der Halle. Wir hatten uns an den Tisch gesetzt und spielten eine Runde Karten, doch als der Rest unseres Teams zurückkam, legte ich meine Karten nieder und stand auf.
"Und? Habt ihr den Jungen gefunden?", fragte ich neugierig nach, Herrmann nickte.
"Ja, Milly und Kidd haben ihn gefunden", antwortete er. "Der Kleine hatte riesige Angst und saß wohl hinter einem Regal."
"Hat er sich wieder beruhigt?", fragte Cruz nach, der nun mit dem Rest meines Teams auch zu uns kam.
"Ja, etwas. Sein Vater kümmert sich um ihn", erklärte Casey knapp. "Sind Dawson und Brett schon zurück?"
"Bisher noch nicht", antwortete ich ihm. "Wahrscheinlich dauert die Versorgung etwas länger."
"Wundert mich nicht, diese Verletzung muss ja auch echt schmerzhaft und kompliziert gewesen sein", erwiderte Milly und verzog das Gesicht. "Ich wollte nicht zwischen einem Gabelstapler und der Wand eingeklemmt sein!"
"Wird auch bestimmt niemals vorkommen", beruhigte ich meine kleine Schwester schnell und legte ihr eine Hand auf die Schulter, während sie ihre Jacke an den Haken hängte. "Willst du eine Runde mit uns Karten spielen?" Milly schüttelte den Kopf.
"Nein, ich hab keine Zeit. Ich wollte noch ein bisschen Wäsche für euch waschen und Essen kochen. Vielleicht später, wenn nicht zu viele Einsätze reinkommen", antwortete sie und lächelte mich an. "Bis später, sei lieb zu den anderen!" Ich verdrehte nur die Augen über ihren Kommentar, während sie grinsend ins Gebäude ging, Otis folgte ihr. Casey klopfte mir nur grinsend auf die Schulter, bevor er mit dem Rest des Teams ebenfalls reinging, ich setzte mich zurück zu meinem Team an den Tisch.
"Sie macht sich wirklich gut", merkte Capp an. "Die letzten paar Male hat Milly sich wirklich gut geschlagen und sich nicht mal mehr verletzt."
"Zum Glück", meinte ich ernst. "Casey hat sie mittlerweile echt gut unter Kontrolle, ich bin mal gespannt, wie das auf der Academy für sie wird."
"Mit Sicherheit gut, sie wird das locker packen. Sie ist 'ne Severide, also wieso sollte sie es nicht schaffen?", erwiderte Cruz und zuckte die Schultern. "Und zur Unterstützung hat sie ja immer noch uns." Natürlich hatte sie das. Ich würde meine kleine Schwester immer unterstützen, erst recht, wenn Benny sie runtermachte und ihr mal wieder sagte, dass dieser Job nichts für sie war. Ich fand nämlich, dass der Job perfekt zu ihr passte und sie das definitiv packen würde. Obwohl Milly erst in ein paar Tagen auf die Academy gehen würde, hatte sie sich bereits alle meine alten Bücher ausgeliehen und sie gelesen, um wirklich optimal vorbereitet zu sein. Meiner Meinung nach war sie beinahe schon zu gut vorbereitet, aber sie interessierte sich eben sehr für unseren Beruf, also freute ich mich darüber, dass sie so fleißig war.
"Auf jeden Fall", stimmte ich Cruz zu und nahm meine Karten wieder auf.
"Ich bin mal gespannt, was es heute zum Mittagessen gibt. Millys Sachen schmecken immer wahnsinnig gut", meinte Capp da und grinste. "Ich werde ihr Essen echt vermissen, wenn sie nicht mehr regelmäßig kommt."
"Wir alle, weil dann wieder Otis dran ist", murmelte Cruz und schüttelte grinsend den Kopf. "Das heißt, dass wir wieder irgendwas essen müssen, von dem keiner weiß, was es ist." Da hatte Cruz recht. Milly kochte wirklich verdammt gut und Otis Kochkünste waren wirklich... eigen. Er konnte nicht wirklich kochen und wenn er es tat, war es meistens irgendwas Russisches, das keinem so wirklich schmeckte. Wir alle würden Milly wirklich vermissen, wenn sie in ein paar Tagen nicht mehr für uns kochen können würde. Leider würde es sogar schon bei der nächsten Schicht soweit sein. Wir sollten unsere Henkersmahlzeit heute also wirklich genießen. Wir wollten gerade mit unserem Spiel fortfahren, als wir Schritte hinter uns hörten und uns umdrehten. Ein Junge in Millys Alter kam durch die Tore der Wache und hielt direkt auf uns zu.
"Hi, können wir dir helfen?", fragte ich, legte meine Karten wieder ab und stand auf, um unseren Gast begrüßen zu können.
"Ja, ich suche Milly Severide. Ist sie da?", fragte er, sah sich dabei aber ziemlich unsicher um. Mir kam das etwas seltsam vor, deswegen blieb ich vorsichtig.
"Keine Ahnung, ich hab sie heute noch nicht hier gesehen. Wer will das wissen? Dann kann ich drinnen mal nachsehen", antwortete ich ausweichend. Der Junge sah sich um, doch schüttelte dann den Kopf.
"Egal. Geben Sie ihr bitte einfach das hier", meinte er und drückte mir einen kleinen Zettel in die Hand. "Ich soll ihr das von Avery geben." Bevor ich nachfragen konnte, was genau das sollte, drehte er sich um und lief bereits wieder aus der Wache. Wer war der Kerl? Ich sah auf den Zettel, auf den nur wenige Worte geschrieben waren.

Am Samstag ist Grillfest. Kommst du? Bitte?

Avery wollte, dass Milly zum Fest kam? Wieso hatte er sie das nicht heute Morgen gefragt? Irgendwie kam mir das alles seltsam vor, aber dennoch ging ich mit dem Zettel zu meiner Schwester, die in der Waschküche war. Sie warf gerade einige Shirts in die Waschmaschine, als ich reinkam.
"Hey, gerade eben war ein Junge in deinem Alter da und ich soll dir das von ihm geben. Ist wohl von Avery. Aber der Junge wollte mir nicht seinen Namen sagen", meinte ich und hielt ihr den Zettel entgegen. Unsicher nahm Milly den Zettel an, las sich die wenigen Worte knapp durch, schüttelte den Kopf und warf den Zettel dann in den Müll.
"War wahrscheinlich Scott, Averys Freund. Der bringt mir in letzter Zeit ständig Sachen von Avery. Er weiß, dass ich nichts von Avery oder ihm wissen will, deswegen wollte er dir seinen Namen wahrscheinlich nicht sagen", erklärte sie und fuhr mit der Wäsche fort.
"Und? Gehst du am Samstag zum Grillfest?", fragte ich nach, obwohl ich die Antwort meiner Schwester bereits kannte. Sie sah mich an, als hätte ich sie gebeten, radioaktiven Müll zu schlucken.
"Natürlich nicht, was denkst du denn? Otis ist verdammt eifersüchtig, er würde mich umbringen! Außerdem will ich auch gar nicht hingehen, ich hab von Avery die Schnauze voll. Jetzt will ich mich erstmal auf meine Ausbildung konzentrieren, das ist wesentlich wichtiger", antwortete sie mir. "Ich wünschte nur, Avery würde das auch so sehen und mich endlich in Ruhe lassen!"

Chicago Fire - Der Weg der Milly Severide 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt