Kapitel 46

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Starr blickte Taehyung vor sich auf die lachende Gruppe. Angespannt. Schwer atmend... 

Er sah Jimin, Jin, Hobi... Und mitten drin Jungkook, der diese Aufmerksamkeit wohl mehr als genoss. Pure Lebensfreude versprüte, obwohl dieses einschneidende Erlebnis noch nicht so lange her war. Wie ein Stehaufmännchen. Ganz anders als er, der am Rand saß und versuchte zu lächeln, obwohl er spürte welche Macht in ihm tobte. Diese Lust. Diese Gier.

Scheinbar war ihm die letzten Wochen entgangen, wie viel er nicht mehr wahrgenommen hatte. Wie viel er übersehen hatte und nun hieb es regelrecht nach ihm. Zog an ihm, als ob diese Empfindungen alle auf einmal heraus wollten. Ganz vorne seine Ruth, die wahrscheinlich schon ewig darauf gewartet hatte auszubrechen.

Schweißperlen rannen seine Schläfen herunter. Machten seine Haare strähnig und seine Haut glänzend.

Eigenartig, das noch niemand seine Anspannung merkte... das er hier sitzen konnte ohne das auch nur ein einziger Omega ihn ansprach. Woran das wohl lag?

Erlebnisse tauchten in seinem Kopf auf. Erlebnisse von scharfen Zähnen, die sich in seinen Nacken gruben. Ihn markierten.

War das...

Panik ergriff seinen Körper. Ließ seine Hand nach oben schnellen. Dort wo dieser vermeintliche Biss gewesen sein sollte und stellte mit ungläubiger Ruhe fest, das diese Erinnerung in ihm nicht nur Träume gewesen waren.

Es war wirklich passiert!

Jungkook hatte ihn gebissen. Hatte sie beide im letzten Schritt aneinander gebunden, wie nur Blut die Macht hatte.

Oh verdammt! Das war nicht... Das war...

Immer schneller atmete er in diese Angst hinein, die auf einen Schlag wieder da war. Diese Angst, das Jungkook nun dieses kurze Leben hier verbringen musste. Bei ihm und unter Leuten, die ihn immer als fremd titulieren würden.

Fest Gruben sich seine Nägel in das Holz unter sich. Schmerzhaft und doch ohne Nachsicht.

Er brauchte das. Brauchte dieses Gefühl, um nicht gleich völlig seinen Emotionen zum Opfer zu fallen. Dinge, die er in diesem Moment zu intensiv spüren könnte. Wie kribbeln auf der Haut und Blitze im Körper.

Japsend holte er Luft. Merkte, das er immer mehr versank. Immer mehr fokussierte, was er jetzt wirklich bräuchte, um diesen Hurricane in sich zum Anhalten zu bringen. Wen er jetzt bräuchte...

Doch zwei kalte Hände unterbrachen diese Achterbahn der Gefühle. Legten sich auf seine Schulter. Auf seinen erhitzten Körper. Fest und unangenehm. Sie ruhten gleichermaßen auf ihm, obwohl es von unterschiedlichen Personen kam. Bekannten Personen. Vertrauten Personen - und doch ging sein Alarm an.

"Sollen wir ihnen Bescheid geben? Das du jetzt deinen Mate allein für dich brauchst?"

Namjoons raue Stimme vermischte sich mit dem Fieber seiner Haut. Ließ ihn frösteln, obwohl dieser Mann ihm nicht fremd war. Sie waren wie Brüder aufgewachsen. Lebten im gleichen Rudel. Wurden von der gleichen Frau erzogen...  Und da lag wahrscheinlich das Problem.

Er selbst hatte sich schon vor Jahren von seiner Mutter entfernt. Hatte gemerkt, welche kranken Ideen in ihrem Kopf wanderten, doch sein Bruder... Sein Bruder war ihr bis zuletzt gefolgt. Hatte alles für sie getan, sogar den eigenen Mate vernachlässigt, um sie zufrieden zu stellen. Dieser große Mann hatte wahrscheinlich nie die Möglichkeit sich diesem kranken Gedankengut zu entsagen und musste es Tag ein Tag aus ertragen... Vielleicht bis dieser es selbst glaubte?

Stand hier neben ihm eventuell tatsächlich gerade die Person, vor dem sein Alpha ihn gewarnt hatte? Die Person, die seinen Platz wollte? Danach gierte?

Und wenn ja: war es mittlerweile der eigene Wunsch oder war da noch eine kleine Chance für sie eine Lösung zu finden? Eine, die nicht auf den Tod von einem von ihnen hinaus lief?

"Weiß Jungkook denn, wie er sich zurück verwandeln kann?"

Yoongi stand auf der anderen Seite. Blickte mit ihnen auf die Menschen, die für sie Familie bedeuteten - und schien das gleiche Unbehagen in ihm hervor zu rufen... Nur warum?

Was war das Problem seines Kindheitsfreundes? Welche Beweggründe steckten dort dahinter, das sein Körper ihm signalisiert auf Abstand zu gehen?

"Ich weiß es nicht", antwortete er auf die Frage und überging damit die Gedanken in seinem Inneren.

Egal was die zwei wollten. Egal welches Ziel sie hatten: Jetzt war der schlechteste Moment überhaupt die Auseinandersetzung mit ihnen zu suchen.

Heute hatte er Kämpfe gefochten, die seine Kräfte völlig beansprucht hatten. Das einzige, was ihn nun noch auf den Beinen hielt, war seine Ruth.

Zitternd fuhr er sich über seine nackten Beine. Massierte sie, während sein Blick weiterhin Jungkook ins Visier nahm - ein wunderschöner Tiger. Das Abbild von Stärke, wie dieser es auch als Mensch war. Starke Muskeln, sehnige Glieder und einen Ausdruck, der ihn nur noch gieriger werden ließ.

Konnte er seine Ruth wohl auch als Tiger ausleben? Würde sein Mate das mit sich machen lassen?... Irgendwie...

... Nein... was für irre Gedanken... Er musste weg... Weg von diesen Einflüssen, die ihn verrückt werden ließen.

"Es könnte noch ewig gehen, bis er dazu in der Lage ist. Hältst du so lange aus?"

Mit knirschenden Zähnen nahm er die Skepsis in Namjoons Stimme wahr. Ein Klang, der seinem Selbstwertgefühl eine Kerbe hinein trieb. In jeder anderen Situation hätte er ihm gezeigt, was er konnte - nicht heute.

Genau deswegen stand er auch schweigend auf. Ignorierte dessen Worte und lief in die völlig entgegen gesetzte Richtung. Ganz weit weg von Jungkook und diesem anziehenden Duft... Er würde es schaffen sich zusammen zu reißen. Für seinen Mate. Er würde ihm genug Zeit geben, sich an diese Gestalt zu gewöhnen und vielleicht klappte das Zurückwandeln in einen Menschen ja, bevor er abermals verrückt wurde. 

Glaubst du, das ist eine gute Idee?

Natürlich... der hatte ihm wahrlich noch gefehlt... Am besten Fresse halten und wieder in die letzte Ecke kriechen, wo sein Alpha sich gerade die Wunden leckte.

Ich hab nur das gemacht, was DU nicht geschafft hast. Worum DU mich gebeten hast!

Um gar nichts hatte er gebeten. Nicht beim ersten und nicht beim zweiten Mal, als Jungkook vor Angst gezittert hatte... wegen seiner Natur. Seinem inneren Tier...

Ich bin nicht derjenige, der ständig den Schwanz einzieht! Steh endlich deinen Mann! Zeig wer du bist und welche Macht in unseren Pranken steckt! Dann wird uns niemand mehr reinlegen wollen! Wir brauchen solche Leute nicht, die glauben, das wir Schwach sind!

WIR SIND DER ANFÜHRER! WIR SIND -

"Halt verdammt nochmal deine Fresse!!!"

Wütend hatte er die Fäuste geballt. Zitternd. Spürte wie das Blut bereits seine Knöchel hinunter tropfte, weil seine Nägel sich in die Handflächen gruben. 

Er war tatsächlich gerade nicht in bester Verfassung... Flucht war da wirklich die beste Lösung, damit nicht weitere dämliche Ideen seinen Kopf in Besitz nehmen konnten.

Schnaubend lief er weiter. An seiner Hütte vorbei und hin zum Wald. Er würde einen Ort finden, wo er unterkommen könnte, bis diese elendige Ruth vorbei war. 

Nur nicht an Jungkook denken! 

Das würde er schaffen! Nach dem Kampf mit seinem Alpha schafft er alles!

Sibirischer Tiger - Taekook (Pausiert)Where stories live. Discover now