𝟎𝟑𝟗 | 𝑠𝑖𝑛𝑓𝑢𝑙 𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑜𝑛

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Es waren nun wieder einige Tage vergangen und inzwischen war ich mir sicher, dass mein Vater uns wohl Gott sei Dank doch nicht gehört hat. Denn auch wenn ich mir große Mühe gegeben habe, ihm bloß nicht unter die Augen zu treten, so gab es natürlich dennoch Momente, in denen er die Zeit gehabt hätte mich zu konfrontieren. In den letzten Wochen hat er sich, was Gewalt betrifft, sehr zurückgehalten und weder mich noch meine Mutter angefasst, aber ich bin mir sicher, das hätte sich geändert, wenn er selbst Zeuge davon geworden wäre, wie Kill mich unter seinem Dach zum Kommen gebracht hat.

Dabei war das Problem für ihn gar nicht, dass jemand sein kleines Mädchen angefasst hat. Mein Vater hasste mich und für mein Sexleben, über das ohnehin die gesamte Welt Bescheid wusste, interessierte er sich auch nicht. Ganz gleich, was ich tat, er hielt mich so oder so für eine Hure. Das Problem war eher, dass sein größter Feind sein persönliches Eigentum - seine Tochter - beschmutzt hat und das dann auch noch in seinen eigenen vier Wänden. Es war eine Beleidigung für seine Ehre, obwohl er diese meiner Meinung ohnehin bereits vor langer Zeit verloren hat.

Kill und ich haben uns seitdem nicht mehr gesehen. Wir waren beide einfach beruflich zu sehr beschäftigt, aber wir haben zwischenzeitlich telefoniert. Er hat mich nachts angerufen, weil es geregnet hat und er wusste, dass ich demnach wieder wach sein würde. Es hätte mich eigentlich gar nicht erst überraschen müssen, da er mir nun oft genug deutlich gemacht hat, wie aufmerksam er war, aber ich war dennoch etwas perplex, als ich den Anruf um halb drei Uhr nachts entgegen genommen habe. Allerdings hat mir das Gespräch gut getan. Seine Stimme hat mir ein Gefühl von Sicherheit und Ruhe gegeben und ich bin sofort eingeschlafen, nachdem der letzte Regentropfen vom Himmel gefallen ist. Die letzten 48 Stunden habe ich nun nichts mehr von ihm gehört, aber umso mehr freute ich mich ihn in wenigen Stunden endlich wiederzusehen.

Heute Abend fand nämlich ein jährlicher internationaler Kongress statt, bei dem sich die 150 weltweit wohlhabendsten Geschäftsmänner trafen um neue Beziehungen zu knüpfen oder bereits vorhandene zu stärken. Zumindest war das die offizielle Begründung, aber eigentlich ging es den meisten darum, sich bei illegalen Glücksspielen zu besaufen und dabei ihre größten Feinde auszukundschaften. Die meisten Geschäftsmänner waren nämlich ziemlich korrupt und bereit über Leichen zu gehen. Wortwörtlich. Viele von denen hatten mit Kriminellen zu tun oder waren selbst welche. Deswegen war ich auch froh, dass mein Vater die Jahre zuvor immer alleine geflogen ist, obwohl die meisten immer ihre Familien mitbrachten um diese zu präsentieren. Dieses Jahr hat er jedoch darauf bestanden, dass meine Mutter und ich mitkamen und eigentlich wollte ich mich ihm diesbezüglich widersetzen, doch dann kam mir eine andere Idee.

Ich war nicht so dumm, wie mein Vater dachte. Auch wenn er mich nie in seine Geschäfte involvieren wollte, wusste ich ganz genau, was er alles trieb und was die Leute über ihn sagten. Mein Vater hat gute Arbeit geleistet, wenn es darum ging zu vertuschen, wie schlecht es eigentlich um seine Firma stand. Doch seit ich offiziell mit Kill zusammen war, fingen die Leute an zu reden und wurden misstrauisch. Kurz gesagt: Er hat seine Ehre und seinen Stolz verloren, weil seine Tochter sich mit seinem Feind verbündet hat und das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Also wollte er mich mit auf den Kongress schleppen, damit er allen beweisen würde, dass ich trotz allem immer noch ihm gehörte und zu meiner Familie stand. Zu blöd nur, dass ich ihn durchschaut habe und andere Pläne hatte.

Denn ich werde ganz sicher nicht an seiner Seite dort auftauchen.

Aber das wusste er noch nicht. Und er ahnte es auch nicht, weil ich bisher alles so gemacht habe, wie er wollte. Ich habe mich ihm nicht widersetzt und saß nun auch noch zusammen mit ihm und meiner Mutter in unserem Privatjet auf dem Weg in die sizilianische Hauptstadt Palermo. Als ich zu ihm herüberschaute, wirkte er sogar entspannt und gelassen, was mich fast schon wieder verunsicherte. Denn mein Vater war nie entspannt. Nie.

𝐓𝐇𝐄 𝐃𝐄𝐕𝐈𝐋'𝐒 𝐆𝐀𝐌𝐄 | 𝐵𝑜𝑜𝑘 𝑜𝑛𝑒Where stories live. Discover now