Leidvolle Stille

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Am Brunnen neben Abbadon sitzend, herrschte Stille. Wednesday musterte Abbadon, der seine Ängste offenlegte. In seinen Augen stand wörtlich ihr Name. Mit einer nichts ahnender Masche beschloß Wednesday, die Stille beiseite zu legen, um mehr Informationen aus Abbadon heraus zu quetschen, „Wovor hast du Angst? Ich kann sie förmlich riechen." Nach Wednesdays Frage sah sie in seinen Augen noch mehr Schwäche aufkommen. War das sein Ernst, fragte sie sich und wartete, aber es folgte nichts. Ganz im Gegenteil stand der Junge einfach auf und wollte sich aus dem Staub machen, was Wednesday ganz und gar nicht gefiel. 

Wie ein Blitz stand die Schwarzhaarige vor ihm mit einem drohenden Blick, der ihm klar machen sollte, dass man nicht mit ihr spielen sollte, wenn man nicht als Teppich in ihrem Zimmer enden wollte. Doch zu ihrer Überraschung interessierten ihn die Signale, die sie ihm sandte nicht. Ohne Weiteres lief er an ihr vorbei ins Innere der Nevermore Academy. Dicht gefolgt von Wednesday, die durch eine zugeknallte Tür Zeit verlor und ihn plötzlich in einer Menge voller Außenseiter verlor. Verwundert blickte sie die Leute an, aber von dem großen kräftigen Abbadon war keine Spur, er war fort. Er hatte nur einen kurzen Vorsprung, doch konnte er sie abschütteln. Irgendwas stank an diesem Jungen und die Chance, dass er ihr Stalker war, stieg immer weiter an und machte anderen potentiellen Verdächtigen Konkurrenz. 

Kurz blieb sie stehen, um sich wirklich sicher zu sein, dass er fort war und das war er definitiv, weswegen sie beschloss, nach ihrem kleinen Ausflug der Demütigung ihr Zimmer wieder aufzusuchen. Dies konnte sie aber vergessen, da ein anderer Braunhaariger sich in ihren Blick bahnte und daran war, sich zu ihr zu gesellen. Bevor sie nur einen Schritt wagen konnte, lag eine sanfte warme Hand auf ihrer rechten Schulter, welche sich recht angenehm anfühlte, im Vergleich zu ihrer innerlichen Eiszeit, die ihren Körper prägte. Die Abwechslung war berauschend, doch Tylers Hand hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser, weswegen sie beschloss, die Hand mit einem kleinen Ruck ihrer eigenen eisigen Hand von ihrer Schulter zu werfen. 

Der Besitzer dieser schmunzelte nur und sah ihr mit einem breiten Lächeln in die Augen, dieses wurde wie von ihm erwartet jedoch nicht erwidert, doch blieb er gelassen und lächelte weiter, während Wednesday mit ihrer kalten Starre, die auf ihm lag, die Stimmung wie bei manch anderen nicht anspannte. Derjenige kannte sie schon und er akzeptierte ihren Blick so wie ihren Charakter, der manchmal anstrengend sein konnte, schließlich wurde er wegen ihr schon hinter Gitter gesteckt, doch liebte er sie trotzdem. Die Wärme traf die Kälte und für Xavier war es perfekt. Sie war auf ihre außergewöhnliche Art perfekt. Letztes Schuljahr hatte er ihr von seinem Geld ein Handy besorgt, damit sie in den Ferien Kontakt halten könnten und obwohl Wednesday keine Sklavin der Technologie sein wollte, erhielt er von ihr eine Antwort. 

Diese war zwar nicht so, wie er es vorgesehen hatte, aber dafür hatte sie wenigstens etwas in den Ferien an ihn gedacht. Mit dem ersten Schritt, den er betätigte: „Hallo Wednesday, wie geht es dir", schrieb sie bloß „Was willst du?" zurück. Kurz war er enttäuscht, doch dieses Gefühl ersetzte sich durch Freude, immerhin müsste sie ihm nicht antworten. Auf seine nächste Nachricht folgte jedoch keine Antwort mehr, was Xavier schon ein bedrückendes Gefühl gab, welches aber nicht lange anhielt. Er war davon überzeugt, dass sie ihn nicht mit Absicht ignoriert hatte. Jetzt stand er nach mehreren Wochen wieder vor der Schwarzhaarigen und fühlte sich gleich besser. Bevor die Situation bizarr werden würde, sprach Xavier mit seiner sanften Stimme auf die Addams ein, welche zögerlich jede Bewegung des Schülers beobachtete. 

„Wednesday, hey! Wie waren deine Ferien? Ich habe dir neulich noch eine Nachricht geschrieben, aber du schienst beschäftigt zu sein. Ich wollte dich da eigentlich nur kurz fragen, ob wir im nächsten Jahr, naja, also jetzt im Unterricht nebeneinander sitzen wollen? Was hältst du davon, ich kann dir auch noch mehr Spinnen hervorzaubern", stellte Xavier das undurchschaubare Mädchen mit seinem breiten Lächeln zur Frage, welches ihn bei seiner hauptsächlichen Frage unterstützen sollte. Wednesday zögerte kurz. Sie hatte in den Ferien tatsächlich eine Menge zu tun gehabt, doch stellte es sich als Verschwendung ihrer Atemzüge heraus, da sie keine richtigen Anhaltspunkte aus den Materialien bekommen hatte. Die tagelange etwas besessene Beschäftigung der Addams ließ sie dennoch ihren kalten Rücken runterfließen, die Zeit alleine war erholsam und den Ferien würdig. 

Nach der kurzen Stille reagierte Wednesday auf diesen Vorschlag nur halb, sie hatte sich nämlich noch nicht entschieden, neben wen sie sich setzen sollte, auch wenn es keine Bedeutung für sie hätte. „Meine Ferien waren nicht so erfolgreich, wie sie sein sollten. Ich bevorzuge außerdem Skorpione, die ihren Stachel in die Adern meiner Opfer stecken", gab sie immerhin zu und fügte „Wie waren deine Ferien?" hinzu, denn sie hatte schon gelernt, dass ein gegenseitiges Fragen ein Zeichen des Respekts war. Aufmerksam achtete sie auf die Reaktion ihres Gegenübers. Xavier verlegte sein Lächeln für einen Moment kurz, was ihr seinen Stand verriet, er war enttäuscht, doch interessierte diese Tatsache die Schwarzhaarige nicht. Die Antwort wurde gegeben und wer mit Emotionen durchs Leben gehen wollte, konnte sich auf tägliche Erdbeben einstellen, die niemals enden würden, sie würden nur schlimmer, bis die ersten Rillen den Beginn einer Zerstörung bedeuten würden. 

Emotionen waren die Ursache vieler beschämender Weltereignisse, ohne diese wäre die Welt ein entspannterer Ort. So sah es Wednesday, weswegen sie keine "Taube" war, sondern ein "einsamer Rabe", welcher eher düstere Sichtweisen hatte, als wie ihre Mutter die "Taube". Die positivere Sichtweise ihrer Mutter Morticia brachte ihr jedoch nicht so starke Visionen wie Wednesday, was ihr bewies, dass Gefühle einen nur hindern würden. Sie war mächtiger als Morticia, doch verweilte Wednesday in anderen Aktivitäten immer noch hinter ihrem Schatten und das würde höchstwahrscheinlich so bleiben. 

Entsetzt wegen diesen Gedanken änderte sich ihre Stimmung noch mehr in die rote Zone. Am liebsten würde sie nun Pugsley auf ihren elektrischen Stuhl setzen, um an seinen qualvollen Schreien ihre Stimmung aufzulockern, doch hatte sie zur Zeit nur einen neugierigen Teenager zur Verfügung. „Ich kann dir auch einen Skorpion zeichnen, setzt du dich dann zu mir?“ , fragte er mit etwas Hoffnung in der Stimme und fing leicht das Lächeln wieder an. Wednesday reagierte jedoch nicht. 

„Du willst wissen, wie meine Ferien waren? Ich war alleine, da mein Vater zu beschäftigt mit seiner Karriere war. Außerdem habe ich mir Sorgen um dich gemacht, seitdem ich erfahren habe, dass Tyler entkommen konnte und seit Wochen wie ein freier Mann umherspaziert. Meine Ferien waren regelrecht beschissen, da ich nicht einmal wusste, wie es dir geht, Wednesday. Nimmst du mir das etwa übel?“ , begann Xavier seiner Antwort etwas aufdringlicher hinzuzufügen, da er die Wahrheit nicht vor ihr verschweigen wollte, dass er sich in seinen einsamen Ferien etwas Gewissheit gewünscht hätte. Er wusste zwar, dass sich Wednesday selbst verteidigen konnte, doch wollte er, dass es nicht einmal so weit kam. Dem schwarzhaarigen Mädchen sollte kein Leid mehr widerfahren, damit sie lernte, das Leben auf der positiven Seite zu genießen. 

Doch war sie nicht der Typ dafür, sondern zog das Leid gierig an. So gierig wie Wednesdays Blick, als sie die Wahrheit von Xavier erfuhr. Die Ferien lang dachte sie, dass Tyler mittlerweile in einer stickigen Zelle die Tage zählen würde, bis er vor Irrsinn sein eigener Untergang sein würde, doch hatte sie sich geirrt. Ihr ernster Blick wurde damit ersetzt, was sie eigentlich verabscheute, Schwäche. Mit geweiteten Augen erinnerte sie sich zurück an das Szenario, in dem sie ausgerechnet dem kaltblütigen Hyde ihren ersten Kuss gewährte. Sie hatte ihn ausgewählt, als ihren loyalen Gefährten aber er war ihr nicht loyal gegenüber. Die ganze Zeit hatte Tyler sie ausgenutzt, um seine Spuren zu verwischen, indem Xavier der neue Sündenbock wurde. Erst ihr Kuss ließ sie die Wahrheit erfahren, die Wahrheit des Verrats an ihrem schwarzen Herzen. 

Die Liebe hatte sie noch nie verstanden, doch hatte sie Tyler eine Chance gegeben. Etwas stand für sie fest, nach diesem Ereignis würde sie niemanden mehr an ihr Herz lassen, bevor es anfangen würde, für immer zu verfaulen.

Wednesday Season TwoWhere stories live. Discover now