Kapitel 6 Saat der falschen Hoffnung

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Was wäre wenn...
In Gedanken schwelgend, dachte er an ein besseres Leben. Ein einfaches, mit bescheidenen Anwesen am Meer. Kinder um ihm herum tollend. Und eine Frau lieblich in seinen Armen. Jaime Lennister hätte das alles haben können. Die Frau hätte Cersei sein können und die Kinder ihre eigenen. Vielleicht sogar Joffrey, Myrcella und Tommen. Wären sie doch nur geflohen als sie die Möglichkeit hatten. Nach Pentos oder Braavos oder irgendeine andere Freie Stadt, in der sie nicht von den Göttern verfolgt worden wären.
Niedergeschlagen sah Jaime auf das Grab seines tot geborenen Sohnes. Das einzige seiner Kinder, welches nicht in der Großen Septe von Baelor sondern woanders, in den Gärten von Königsmund bestattet werden musste. Caleb Lennisters Leichnam hätte bei denen seiner Geschwister liegen sollen. Nicht dort so alleine.
Es ist Cersei zu verdanken. Die zerstörte Septe ist ihre Schuld. Der Krieg war ihre Schuld und unsere toten Kinder sind ihre verdienten Laster. Wäre sie doch nur nicht so egoistisch gewesen.
Dämonen waren es, die ihn heimsuchten. Kopfschüttelnd versuchte er sie zu vertreiben.
Nein, sowas darf ich nicht denken! Cersei ist unschuldig! Die Welt war es, die ihr das angetan hat. An ihr sollte ich meinen Frust auslassen. Nicht an meine einzig wahre Liebe.
Jaime suchte dort draußen an der frischen und zugleich eisig kalten Luft nach Frieden, um klare Gedanken zu fassen. Er war dabei verdammt kläglich zu scheitern. Gefunden hatte er nur die Erkenntnis darüber, dass sein Leben unveränderlich sei. Es blieb ihm nur an Träume zu klammern, ein letzter Lichtblick.
Die Gegenwart vom Tod stieg Jaime zu Kopf. Was er nun brauchte war seine Schwester. Ihre sanften Berührungen, ihre warmen Lippen, ihren beruhigenden Herzschlag. All das und noch mehr wollte Jaime fühlen. In Beisein eines strahlenden Leuchtfeuers.
Sein Gang beschleunigte sich, trug ihn durch den Hof und so lief er schlagartig in eine Person. Eine Frau, welcher er besser nicht über den Weg gelaufen wäre. Das Schicksal musste es übel mit dem Löwen meinen oder es verlangte nach einem Streich.
„Entschuldigt bitte vielmals, es war nicht meine Absicht...", begann Jaime. Nicht im Klaren, wer vor ihm stand. Erst als er aufblickte hielt er unvermittelt inne. Als blieben ihm die Worte im Hals stecken. Brienne...
„Da gibt es nichts zu verzeihen, es war allein meine Ungeschicktheit. Ich gebe in Zukunft mehr Acht.", fuhr die große Frau fort. Möglichst darauf bedacht, alsbald kehrt zu machen. Augenscheinlich in der wohl peinlichsten Situation befindend, die sich Jaime und Brienne nur vorstellen konnten. Vergangene Ereignisse hinterließen schwere Schäden und die Enttäuschung konnte Jaime noch immer in ihren Augen erkennen, wie als er sie verlassen hatte. Brienne war am Boden zerstört. Das nur, weil ich falsche Hoffnungen gesät habe.
Nein es war mein Fehler, Ihr müsst Euch für nichts verantworten."
Waren sie sich noch sicher, worüber sie überhaupt sprachen?
Du bist nicht wie deine Schwester, hielt Brienne in Erinnerung. Das bist du nicht. Du bist besser, als sie es ist. Du bist ein guter Mensch und du kannst sie nicht retten. Bleib hier. Bleib bei mir, bitte. Bleib hier.
Irgendwie fühlte sie sich, als würde sie gegen eine Wand sprechen. Attraktiv mit glänzend blondem Haar und fesselnden grünen Augen.
„Ich bin mir wohl bewusst, was meine Schuld betrifft. Nun Entschuldigt mich." Brienne wollte nur verschwinden. Am Liebsten im Erdboden doch auch ihre Gemächer hätten fürs erste genügt. Aber Jaime hielt sie urplötzlich am Unterarm fest und bremste sie mitten in der Bewegung ab.
Es gab Momente in denen hatte sich Jaime ein ganzes Leben mit Brienne ausgemalt. Es wäre falsch, redete er sich allerdings ein. Wann immer diese Vorstellung überhand gewann.
Du hältst mich für einen guten Menschen, äußerte Jaime. Ich habe einen Jungen aus einem Turmfenster gestoßen, ihn dadurch zum Krüppel gemacht. Für Cersei. Ich habe meinen Vetter mit eigenen Händen erwürgt und das nur um zurück zu Cersei zu gelangen. Ich hätte auf Schnellwasser jeden Mann, jede Frau, jedes Kind umgebracht. Für Cersei. Sie ist abscheulich, genau wie ich.
Dunkle Worte, welche Brienne erschütterten.

Misstrauische Augen beschatteten Jaime und Brienne von einem Altan (mittelalterlicher Balkon) am Roten Bergfried aus. Es gefiel der Königin ganz und gar nicht, wie sie sich dort unten am Hofe miteinander unterhielten. Viel zu nah für ihren Geschmack und das Cersei obendrein selbstverständlich kein einziges Wort verstand, belegte sie nur mit noch mehr Argwohn.
Jaime würde mich niemals dafür verlassen. So ein Ungetüm von Frau, könnte ihn niemals zufrieden stellen. In Kleidern sähe sie doch nicht besser aus, als eine verkleidete Kuh. War es Sicherheit? Oder musste sich Cersei das nur oft genug einreden, um es auch ja zu glauben. Jaime liebt mich, das ist alles was zählt. Nur wir beide.
Kühle Böen frischten auf. Umwehten sie. Ließen ihre langsam aber stetig wachsenden blonden Haare im Wind tanzen und gingen ihr bis unter die Haut. Mit ihnen fuhr eine Gänsehaut über Jaimes Rücken. Was er aber spürte war nicht, was es zu sein schien. Kein Wind, sondern die Aura der Königin.
Den Fellmantel um ihrem Leib zog sie enger, trotzdem erwärmte er ihren kalten Körper nicht. Unerwartet hob Jaime den Kopf. Sah hinauf und dort entdeckte er Cersei in der Ferne auf einem Altan. In einem Mantel gehüllt und den Blick verbittert auf ihnen lastend. Just den Moment nutzend, entzog sich Brienne Jaimes Griff und marschierte davon.
Ob Löwen auch Augen in der Sehstärke eines Adlers besaßen wusste niemand, aber es wirkte, als bohrten sich die Blicke tief in ihre Seelen. Dabei etliche Meter überbrückend, versuchten sie die Gedanken des jeweils anderen zu lesen.
Was denkt er? Was geht in ihrem Kopf vor sich?
Ob Cersei mit Erfolg ging, wusste ihr Bruder nicht. Jedenfalls drehte sich die Königin um und verließ den Altan. Jaime setzte seinen Weg fort, in den Roten Bergfried.
Auf der Suche nach seiner Geliebten.

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