Kapitel 7

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Als Evelyn am nächsten Morgen aufwachte, waren ihre Augen völlig verklebt. Stöhnend ging sie ins Bad und sah in den Spiegel. Ihre Haare waren völlig zerzaust, ihr Make-up von gestern verschmiert und das Kleid zerknittert. Seufzend ging sie wieder zu ihrem Bett, wo ihr Handy lag. „Hey, Vater.“ „Guten Morgen, Evelyn. Schon so früh auf den Beinen? Du und William waren doch gestern lang weg.“ „Ich hab nicht gut geschlafen. Ich muss dich außerdem etwas wichtiges fragen.“ „Schieß los.“ „Ich fange ja im Januar meine Tanzausbildung in London an. Und da wäre es gut wenn ich irgendwo in London wohnen würde.“ „Du willst zu uns ziehen?“, Charles klang erstaunt. „Nur wenn es dir nichts ausmacht, natürlich.“ „Wir freuen uns schon darauf.“ „Ich würde dann direkt von hier nach Wales fliegen und die Sachen mit dem Möbelwagen schicken.“ „Gute Idee. Hast du genug Geld für ein Flugticket? Ich zahle es dir auch.“ „Schon gut. Ich hab genug. Wir sehen uns dann in ein paar Tagen.“ „Ruf an wenn du gelandet bist.“ „Mach ich.“ Sobald sie aufgelegt hatte, rannte sie ins Bad um zu duschen. Es war noch ziemlich früh, sieben Uhr, sodass sie wahrscheinlich noch morgens einen Flug nach Wales bekam. Innerhalb von einer halben Stunde war sie angezogen und hatte gepackt. Gerade als sie an Williams Tür klopfen wollte, fiel ihr der Streit wieder ein. Sie wollte sich wirklich wieder mit ihm vertragen. Sie sollten sich nicht so schnell schon streiten. Doch er schlief wahrscheinlich noch und sie wollte ihn nicht wecken. Also schrieb sie ihm einen Notiz und gab sie an der Rezeption für ihn ab. Dann stieg sie ins Taxi zum Flughafen.
Er fühlte sich nicht wohl als er aufwachte. Sobald er die Augen ganz öffnete und wieder klar denken konnte, dachte er sofort an den Streit mit seiner Schwester. Er hätte nicht so überreagieren sollen. Schnell zog er sich an und ging zu ihrem Zimmer. Er klopfte, doch niemand öffnete. In der Annahme, dass sie schon beim Frühstück war, ging er nach unten. „Ihre königliche Hoheit, ihre Schwester hat eine Nachricht für sie hinterlassen.“ Er nahm den Zettel entgegen und begann zu lesen.
Lieber William, ich fliege noch heute zurück nach Wales um meine Sachen zu packen. Nachdem ich mit Vater telefoniert habe, habe ich entschieden zu ihm nach London zu ziehen. Ich wollte mich wirklich nicht mit dir streiten und es tut mir ehrlich leid. Ich weiß nicht wie lange du in London bleibst und ob du noch dort bist, wenn ich wiederkomme. Lass uns bitte nicht streiten.
Lyn
Er faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche. Sie war also zurückgeflogen und sie hatte auch nicht geschrieben wann sie wiederkam. Wie sollte er jetzt darauf reagieren? Er hatte sie nicht als rebellisch eingeschätzt.  Seufzend ging er zum Frühstück und nahm sich Kaffee.
Der Boden kam schon wieder näher und sie mussten sich wieder anschnallen. Sie hatte Edith und James geschrieben, damit sie sie abholen konnten. Mit ihrem Koffer durchquerte sie die Eingangshalle wo die beiden schon warteten. „Hey, Süße! Na, wie war es bis jetzt? Wir haben ja nur gutes gehört.“ „Lasst uns zu Hause darüber reden, ok?“ Sie harkte sich bei ihnen unter und sie gingen zum Auto. Sobald sie wieder im Haus waren, begann Evelyn zu erzählen. Sie begann wieder zu weinen. „Das hört sich nach einem Missverständnis an. Du wolltest eure Mutter ja nicht beleidigen. Es ist eben noch alles ziemlich neu. Sobald du zurückfliegst, werdet ihr euch wieder vertragen.“ „Sicher?“ „Ganz bestimmt! Und jetzt fangen wir an deine Sachen zu packen. Dein Vater erwartet dich schließlich schon in einigen Tagen.“
„Du kannst sie doch deswegen nicht so behandeln!“, Catherine schrie ihn über das Telefon an, „sie ist fast noch ein Kind und noch gar nicht an die Situation gewöhnt. Was hast du denn bitte erwartet? Evelyn ist ohne Mutter, Vater und Geschwister aufgewachsen. Mich wundert es nicht, dass sie jetzt nach Wales geflüchtet ist.“ „Glaubst du, sie kommt wieder?“ „Das glaube ich, ja, das hat sie ja mit deinem Vater abgesprochen. Aber wann sie wiederkommt? Und ob sie dir so einfach verzeiht? Jetzt kommst du erstmal nach London zurück und wir sehen uns übermorgen.“ „Aber in vier Tagen fliegen wir doch schon wieder zum Stützpunkt, weil ich wieder zum Militär muss.“ „Dann kannst du nur hoffen, dass sie bis dahin wieder in London ist.“
Sie benötigten einige Tage bis alles in Kisten verstaut war. Ihre Möbel lies sie dort. Ihr Vater hatte versprochen ihr neue zu kaufen, wenn sie wieder in London war. Evelyn hatte sich von Francesco verabschiedet, der ihr das Versprechen abnahm, in der Akademie alles zu geben. Teddys Eltern kamen vorbei um sich zu verabschieden und um sich nochmal für Teddys Verhalten zu entschuldigen. Evelyn versicherte ihnen, dass das nicht ihre Schuld war, und letztendlich blieben die beiden zum Abendessen. Fünf Tage später flog sie dann nach London zurück. Der Möbelwagen war schon am Abend zuvor losgefahren. Charles hatte sich extra den Tag freigenommen, damit sie für Evelyn Möbel kaufen gehen konnten. Sie suchte sich ein weißes Set aus, dass noch am selben Tag geliefert und aufgebaut wurde. Während die Handwerker am Werk waren, saßen Charles und Evelyn in seinem Büro. „Mum hat mir in ihrem Brief ihre Bucketlist hinterlassen. Ich möchte sie gerne abarbeiten bevor ich meine Ausbildung anfange.“ „Darf ich sie sehen?“ Sie reichte ihm den Zettel. „Das sollte schon möglich sein. Bei einigen Dingen kann ich dich sogar begleiten. In einer Woche fliegen Camilla und ich nach Moskau. Ich bin mir sicher an einem Abend können wir ins Ballett gehen.“ Dann reichte er ihr eine Bankkarte. „Das ist jetzt deine. Sie ist mit deinem eigenen Konto verbunden, auf das ab jetzt monatlich Geld überwiesen wird. Das steht dir als Prinzessin zu. Und wenn ich es mal so sagen darf, ist das nicht gerade wenig Geld.“ Überwältigt nickte sie und steckte die Karte in ihrem Geldbeutel und prägte sich den PIN ein. „Du kennst nicht zufällig einen guten Musiklehrer, der mir das Klavier spielen beibringen kann?“ „Natürlich. Ich rufe sie an und sag dir dann bescheid.“ Dankbar umarmte sie ihn kurz bevor sie losging um ihre Sachen auszupacken.
Gespannt beobachtete sie das Treiben der Stadt durch das Autofenster. Sie war noch nie außerhalb von Großbritannien gewesen. Charles sah ihre grinsend zu. William und Harry waren schon lange nicht mehr überwältigt von den Großstädten. Es freut ihn, dass Evelyn so großen Gefallen daran hatte mit ihm und Camilla zu verreisen. Während ihrem Aufenthalt mussten er und Camilla einige politischen Dinge erledigen und hatten Termine, doch Evelyn hatte vor in diesen drei Tagen die Stadt zu erkunden. Und morgen würden sie sich im Theater Schwanensee ansehen.
Evelyn trug ein langes, dunkelblaues Kleid und ging hinter ihrem Vater und Camilla her. Sie freut sich schon auf das Ballett. Es war schließlich weltberühmt. Wie gebannt saugte sie das Stück in sich auf und konnte die Augen nicht abwenden. Die Grazie, die in jeder Bewegung lag, die Spannung und die harte Arbeit. Sie konnte förmlich sehen, wie hart die Tänzer und Tänzerinnen gearbeitet hatten. „Habt ihr diese Perfektion gesehen? Das hätte ich selbst nach Wochen Training nicht hinbekommen. Und diese Kostüme! Was glaubt ihr, wie lange man für eins davon braucht?“ Charles legte seiner Tochter eine Hand auf den Rücken. „Es freut mich, dass es dir so gut gefallen hat, aber wir sollten jetzt zurückfahren. Du willst doch morgen noch eine dieser Kirchen ansehen, bevor wir fliegen.“ „Stimmt. Ich muss unbedingt ganz viele Fotos machen.“

Die Bucket-List meiner MutterWhere stories live. Discover now