D R E I Z E H N

400 50 21
                                    

»Oh, David, ähm... hi! Was machst du denn hier?«, stammele ich komplett überrumpelt. Hatten wir uns verabredet und es ist mir entgangen? Kann es sein, dass ich bei dem ganzen Durcheinander in meinem Kopf irgendwas übersehen oder vergessen habe? Eigentlich kann ich mir das nicht wirklich vorstellen.

Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf und lächelt schüchtern. Erst da sehe ich, was er da in den Händen hält. Meine Augen weiten sich. »Oh! Blumen!« Sehr geistreich, Romy.

Er nickt nervös. »Ja, also ich bin gerade zufällig an einem Blumenladen vorbeigekommen auf meinem Weg zur Tankstelle. Ich hab gar nicht geplant, da rein zu gehen, aber dann dachte ich mir ›Komm, sei mal etwas spontan, Romy wird sich freuen!‹ und naja, dann... ja. Habe ich dir diese Blumen mitgebracht. Ich kenne mich übrigens null mit der Bedeutung einzelner Blumen aus, also hoffe ich, dass diese hier jetzt kein Fehlgriff waren. Ich fand sie einfach hübsch.«

Mit diesen Worten hält er mir den Strauß voller quietschrosa Rosen hin. Sie sind so rosa, dass die Farbe nicht echt sein kann, doch mir gefallen sie trotzdem wunderbar. Ich lächle breit, kann dabei jedoch nicht ganz verbergen, dass ich noch immer etwas überrumpelt bin. »Ich danke dir! Das ist so unfassbar süß, danke. Wirklich. Es tut mir leid, ich bin bloß ein bisschen überrascht. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, aber ich freue mich richtig.«

»Ja, ich verstehe das. Normalerweise stehe ich auch nicht umangekündigt bei Leuten auf der Fußmatte, das ist eigentlich so gar nicht meine Art. Aber ich dachte mir–«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich freue mich wirklich sehr über die Geste! Dankeschön.«

Ich mache einen Schritt auf David zu, nehme den Blumenstrauß entgegen und umarme ihn fest. Mit besagtem Blumenstrauß schaffe ich es jedoch irgendwie, Silas eine überzubraten, der soeben die Treppe hochgekommen ist.

»Oh, sorry! Verdammt!«, entfährt es mir. Silas reibt sich perplex das Gesicht. Jetzt dreht sich auch David zu ihm um. »I-ich habe dich gar nicht reingelassen«, stottere ich. David sieht mich überrascht an. »Du kennst ihn?« Im gleichen Moment sagt Silas: »Unten war offen, ich hätte klingeln sollen. Sorry.«

Ein leises Hämmern macht sich in meinem Kopf bemerkbar. Was für eine Situation.

Ich atme kurz durch, dann wende ich mich an David und erkläre: »Er ist ein Bekannter und wegen meines kaputten Computers da. Davon habe ich dir letztens erzählt.« An Silas gewandt sage ich: »Kein Problem, meine eine Nachbarin vergisst öfter, die Tür unten zuzumachen, ich rede demnächst mal mit ihr. Du kannst schon mal reingehen.«

Silas nickt knapp und schiebt sich einfach an uns vorbei in meine Wohnung. David blinzelt mich ein wenig verwirrt an. Scheint, als hätten wir uns alle gegenseitig verwirrt. Wenn es nicht ich wäre, die in dieser Situation steckt, fände ich es sogar irgendwie witzig.

»Wenn ich gewusst hätte, dass du auftauchst, hätte ich mir gern Zeit für dich freigehalten. Magst du nicht trotzdem auf einen Kaffee bleiben?«

Er schüttelt lächelnd den Kopf. »Danke, das ist sehr lieb, aber ich habe sogar selbst noch einiges zu tun. Ich wollte wirklich nur kurz vorbeischauen, um dir diese Blumen zu geben.«

Ich lege mir eine Hand auf mein Herz. »Ach, das ist wirklich so süß von dir. Danke nochmal.«

Wir umarmen uns erneut, diesmal zum Abschied, und ich gebe ihm einen innigen Kuss auf die Wange. Als ich die Tür unten zuschnappen höre, drehe ich mich um und gehe zurück in meine Wohnung.

Silas steht in meinem Flur wie bestellt und nicht abgeholt. »Sorry, dass ich dir diesen Rosenstrauß ins Gesicht geklatscht habe«, sage ich zerknirscht. Er winkt ab. »Kein Problem, wenigstens hat es gut gerochen. Auch wenn ich sagen muss, dass die Farbe etwas in den Augen weh tut.«

»Also, ich finde sie hübsch«, murmle ich defensiv. Ich mache mich schnell auf den Weg in die Küche, um eine Vase aus dem Schrank zu holen. Nachdem die Rosen im Wasser stehen, nehme ich sie wieder mit in den Flur, wo Silas noch immer steht. Erst jetzt, wo ich ihn bewusst ansehe, fällt mir auf, dass er eigentlich immer komplett in Schwarz gekleidet ist. Heute ist es eine abgetragene Jeans und ein schlichtes Hemd.

»Trägst du eigentlich immer Schwarz?«, versuche ich mich an etwas Smalltalk und schließe die noch immer offene Tür hinter mir. Scheinbar war das jedoch die falsche Frage, seiner verschlossenen Mimik nach zu urteilen. Und plötzlich fällt mir ein, dass auch jemand gestorben sein könnte und er deswegen Schwarz trägt. Mist, das war vielleicht etwas unsensibel von mir.

»Sorry, vergiss es einfach. War eine blöde Frage.«

»Nein, ist schon in Ordnung. Es ist eine lange Geschichte, aber kurz gesagt: Vor einigen Jahren ist mein kleiner Bruder gestorben, da hat das mit den schwarzen Klamotten angefangen und naja... seitdem habe ich irgendwie nicht mehr richtig damit aufgehört.«

»Ich verstehe. Mein Beileid.«

»Danke.« Er seufzt und lässt seinen Kopf im Nacken kreisen, als wollte er das Thema von sich abschütteln. Dann blickt er sich um. »Na, wo ist denn das böse Ding?« Er lächelt mich kaum merklich, jedoch sehr warm an. Ich grinse breit zurück, einfach weil ich nicht anders kann, wenn er mich so ansieht. Ich versuche das glühende Gefühl in meinem Bauch runterzuschlucken und deute zum Wohnzimmer. »Ich habe mir in der Ecke einen kleinen Arbeitsbereich eingerichtet.«

Er nickt. »Alles klar. Was machst du, wenn ich fragen darf?«

»Natürlich darfst du fragen. Ich bin Make-up-Bloggerin. Dieser bekloppte Computer ist also sehr, sehr wichtig für mich, um zu arbeiten.«

Silas legt den Kopf schief, die Augen zusammengekniffen. »Warte mal... ich wusste, du kommst mir bekannt vor. Meine Mutter schaut sich öfter mal Videos von dir an, wenn sie sich für irgendeinen Anlass fertig machen muss. Sie ist echt begeistert von dir.«

Mein Mund öffnet sich. Mir ist durchaus bewusst, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich meinen Content ansehen. Aber all diese Zahlen, die ich zu sehen bekomme, sind so abstrakt und dann macht es manchmal sehr leicht zu vergessen, dass hinter jedem einzelnen Like ein Mensch steckt. Mich freut es immer wieder, solche Momente zu erleben, in denen mir deutlich bewusst wird, dass ich anderen mit meinen Beiträgen eine Freude machen kann.

Ich lache auf. »Das macht mich echt glücklich, richte ihr liebe Grüße aus!«

Er grinst kurz. »Sie wird es mir nicht glauben, wenn ich ihr sage, dass ich den Computer ihrer Lieblingsbloggerin repariere.« Ein weiteres Lachen entschlüpft mir und ich spüre bereits, wie meine Wangen vor Verlegenheit heiß werden. »Ich werde sie auf jeden Fall in meinem nächsten Video lieb grüßen.«

»Das würde sie garantiert freuen.«

Ich stelle die Rosen auf den Couchtisch und Silas geht auf meinen Computer zu. Er lässt sich auf meinem gepolsterten Bürostuhl nieder. »Bevor ich genau sagen kann, wo das Problem liegt, werde ich mir den Rechner genauer ansehen müssen. Ist das okay für dich?«

Ich nicke. »Aber klar doch! Nimm dir alle Zeit der Welt. Falls das heute nicht fertig wird, kannst du gerne auch nochmal wann anders vorbei kommen. Also, nur wenn du möchtest. Es gibt keinen Stress.«

Er verschränkt seine Hände hinter dem Kopf und lehnt sich zurück. Dann beugt er sich zum Computer vor und sagt: »Alles klar, dann schauen wir uns das mal an.«

HerzschaumTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang