F Ü N F U N D Z W A N Z I G

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Da das Wetter mal wieder wirklich schön ist und meine Laune es auch zulässt, beschließe ich, in den Park zu gehen. Ich ziehe meine sonnengelbe, gesteppte Jacke an, und eine blaue Jeans dazu. Auch bei meinem Make-up gebe ich mir viel Mühe und filme das alles gleich als Lidschatten-Tutorial.

Als ich nach draußen trete, muss ich lächeln. Sonnenschein, blauer Himmel, Vogelgezwitscher... das ist ja fast wie im Film. Nicht, dass ich was dagegen hätte. Ich denke, zurzeit tut mir etwas Kitsch in jeglicher Form gut. Vielleicht sollte ich mir später noch einen Strauß Blumen kaufen.

Ich warte geduldig an der Haltestelle auf den Bus und sobald er kommt und ich schließlich einsteige, beschleicht mich ein merkwürdiges Gefühl. Ich schaue mich um und... Scheiße! Ein Paar sehr schöne, sehr kalte Augen blicken mich an. Das ist Silas' Ex. Nathalie. Sie sieht wirklich so aus, als wollte sie mich umbringen. Ich bin mir sicher, sie würde es langsam machen und auch noch genießen.

Ich könnte den Kopf über meine makabren Gedanken schütteln, doch es wäre etwas merkwürdig, wenn ich das in aller Öffentlichkeit tun würde. Ich setze mich mit dem Rücken zu ihr hin und bin schon mal froh, ihren eiskalten Blick nicht die ganze Zeit vor der Nase zu haben. Blöd nur, dass ich ihn sehr wohl im Nacken spüren kann.

Ich bete, dass sie nicht an der gleichen Station wie ich aussteigen muss. Doch als es schließlich soweit ist und ich mich von meinem Sitz erhebe, tut sie es mir weiter hinten im Bus gleich. Verdammter Mist. Wenn sie ebenfalls vorhat, einen Spaziergang im Park zu machen, haben wir ein kleines Problem. Denn es ist kein besonders großer Park.

Ich steige aus, beschleunige meine Schritte und widerstehe dem Drang, hinter mich zu schauen. Vielleicht war das keine besonders tolle Idee, denn als ich es doch tue, läuft Nathalie sehr dicht hinter mir. Ich kann nun sogar ihre Körperwärme spüren.

»Whoa, was soll das?!«, stoße ich erschrocken aus und bleibe stehen. Sie tut es mir gleich, ein böses Lächeln im Gesicht. Obwohl ich so aufgewühlt bin, kann ich nicht anders als die Augen zu verdrehen. »Was wird das jetzt, willst du mir drohen, mich von Silas fernzuhalten?«

Sie versucht, den Abstand, den ich zwischen uns gebracht habe, wieder zu überbrücken, doch ich trete einen weiteren Schritt zurück. »Hey, reicht auch wieder, ich kann dich sehr gut hören.« Woher ich die Gelassenheit nehme, so schlagfertig mit ihr umzugehen – keine Ahnung. Aber ich bin froh, dass ich nicht wie ein erschrockenes Mäuschen vor ihr stehe.

Wütend ballt sie die Hände zu Fäusten und sagt genau den Satz, den ich von ihr erwarte: »Halte dich von Silas fern! Er gehört mir!«

»Also, erstens glaube ich nicht, dass man jemandem ›gehören‹ kann. Zweitens weiß ich aus sicherer Quelle, dass ihr nicht mehr zusammen seid. Würdest du mich jetzt also entschuldigen?«

Sie versucht nochmal, mir nahe zu kommen und so langsam werde ich echt sauer.

»Hey! Was um alles in der Welt verstehst du nicht? Ich will nicht, dass du mir so nahe kommst!«

»Dann sag, dass du ihn in Ruhe lässt!«

»Das einzige was ich dir sage, ist, dass ich gleich die Polizei rufe, wenn du mich nicht in Ruhe lässt. Ich mache keinen Spaß.«

Sie rammt ihre Hände praktisch in die Jackentaschen und das ist etwas, das mich sehr vorsichtig werden lässt. Ich habe nämlich keine Ahnung, was sie da drinnen hat. Wir befinden uns zwar nicht unbedingt in einer abgelegenen Gegend – neben uns ist die Hauptstraße und gegenüber zwei Supermärkte – aber es ist trotzdem nicht schlecht, vorsichtig zu sein.

Beschwichtigend hebe ich meine Hände und sage zu ihr: »Pass auf: Ich sehe Silas nicht einmal mehr, falls es dich beruhigt. Aber mir gefällt es trotzdem nicht, so überfallen zu werden.« Ich überlege kurz, bevor ich den nächsten Satz sage. Schließlich wage ich einfach den Schuss ins Blaue: »Und dieses Hass-Kommentare hättest du dir auch sparen können.« Da wirkt sie plötzlich leicht irritiert. Ich fahre fort: »Einigen wir uns einfach darauf, einander aus dem Weg zu gehen – klingt das gut?«

Ich habe absolut keinen Schimmer, ob das die richtigen Worte waren. Doch wenige Sekunden später nickt sie dann genervt. »Meinetwegen. Solange du dich von Silas fernhältst. Von irgendwelchen Kommentaren habe ich keine Ahnung.«

Damit dreht sie sich um und geht mit energischen Schritten davon.

Selbst als sie schon längst außer Sichtweite ist, starre ich noch vor mich hin. Was um alles in der Welt ist da gerade passiert?

Irgendwann gehe ich wieder weiter und versuche, den Tag doch noch irgendwie zu genießen. Ich zittere noch immer von dieser Begegnung und wickele das lockere Halstuch, das ich mir lose um die Schultern gelegt habe, etwas fester um mich.

Ich freue mich für Silas, dass er von ihr losgekommen ist. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass es auch jetzt nicht leicht sein dürfte. Wer weiß, wie oft sie ihm schon so aufgelauert hat? Das will ich mir gar nicht vorstellen. Ich hoffe, er hat sie für ihr Verhalten angezeigt. Ich erinnere mich daran, dass er erzählt hat, wie oft sie im Café rumlungert...

Unwillkürlich schüttelt es mich erneut. Was für ein Horror.

Ich lasse mich auf einer der Holzbänke nieder und nehme die Umgebung wahr. Ich beobachte lächelnd, wie zwei Hunde auf der großen Wiese einem Ball hinterherjagen. Ich sehe, dass heute sehr viele Familien mit Kindern unterwegs sind, aber auch Rentner-Pärchen, die sich aneinander festhalten.

Ich komme immer sehr gern in diesen Park, da er so friedlich ist. Die vielen Bäume, die Wiese und auch die ganzen anderen Menschen, die einfach nur ihr Leben leben... irgendwie vermittelt mir all das ein das Gefühl von Gelassenheit.

Der Wind umweht wohltuend meine Nase und ich binde mir die Haare zu einem Zopf zusammen, damit sie mir nicht permanent im Sichtfeld herumfliegen. Ich schließe die Augen, lege den Kopf zurück und lasse meine Seele baumeln.

Irgendwann wird mir trotz des Sonnenscheins langsam kalt und ich mache mich auf den Heimweg. Als ich diesmal den Bus betrete, finde ich Gott sei Dank keine verrückte Ex-Freundin vor. Trotzdem setze ich mich aus einem Gefühl leichter Paranoia heraus so hin, dass ich den gesamten Bus im Blick habe. 

HerzschaumWhere stories live. Discover now