Kapitel 17.

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Widow

Jonas frühstückte und ich ging währenddessen schnell duschen. 
Den Anzug rührte ich nicht an, das Ding war mir zu hässlich. 
Kurze Zeit später saßen wir beide wieder in einem Taxi und waren gegen zehn Uhr am Piccadilly Circus um von dort aus zu einem großen, hässlichen Bürogebäude zu gehen.
Das hatte Jonas mir Jedenfalls gesagt, als wir losgefahren sind.

"Um wie viel Uhr ist die scheiß Besprechung?", fragte ich, als ich ausstieg und meinen Blick durch die schon befüllten Straßen schweifen ließ. 
Ich fühlte mich hier fehl am Platz.
Die ganzen Menschen wimmelten auf den Gehwegen umher wie Ameisen.

"Um zwölf.", antwortete Jonas, woraufhin ich ihn fragend ansah. 

"Du sagtest Vormittag.", erinnerte ich ihn dann genervt. 
Der Typ sollte sich etwas von der englischen Pünktlichkeit besorgen, wenn wir schonmal hier waren.

"Ich muss vorher noch etwas abholen, du kannst leider nicht mitkommen.", erklärte er mir und blickte auf seine Armbanduhr, "Ich bin in einer Stunde wieder da, kommst du solange zurecht?" 

Ich starrte ihn missbilligend an, nickte jedoch. 
Ne Stunde lang rumstehen und warten?
Freudige Voraussichten.
Dann holte er sein Portemonnaie raus und hielt mir ein paar Scheine hin. 
Ich zog eine Augenbraue hoch. 
Taschengeld? Echt jetzt?

Allerdings zögerte ich nicht lange, nahm es wortlos und steckte es ein.
Ich kam momentan nicht an mein Konto und etwas Geld in Rückhand zu haben konnte nicht schaden.

"Gut, dann bis gleich. Wir treffen uns wieder hier.", sagte er, stieg zurück ins Taxi und fuhr wieder weg.
Mit einem Seufzen sah ich mich um.

Eigentlich war es klüger mich etwas abseits des Touristenverkehrs aufzuhalten. 
Nur konnte ich mich nicht weit von hier entfernen, ich hatte nämlich keine Uhr. 
Mein Blick blieb an einem Sandsteingebäude gegenüber einer U-Bahnstation hängen. 
Mit einem Seufzen ging ich dorthin und lehnte mich ans Geländer. 

Ich überlegte kurz.
Dann stieß ich mich wieder ab und schlenderte zu einem Geschäft um mir die Scheine zum Teil in Kleingeld wechseln zu lassen. 
Ich war so lange nicht hier gewesen, dass ich mir die Münzen erstmal genau ansehen musste. 
Groß verändert hatten sie sich zwar nicht, aber im Vergleich zum Münzgeld aus der USA, war das schon ein riesiger Unterschied. 

Danach stand ich einfach nur rum und wartete. 
Die ganze, verdammte Stunde lang.
Ich beobachtete die Menschen, die in Sorge waren, dass sie ihren Bus oder ihre U-Bahn verpassten. 
Es war nicht viel anders als das tägliche Treiben in New York, nur dass man hier überall den typisch englischen Akzent raushörte. 

Fast pünktlich auf die Minute hielt das gleiche Taxi wieder am Straßenrand um mich aufzugabeln.
Ich ging mit einem Spruch auf den Lippen hin, war grade an der Treppe zur U-Bahnstation, als mir ein Geruch auffiel, den ich irgendwoher kannte.
Als ich mich umblickte, um herauszufinden woher er kam, wurde ich angerempelt und fiel fast die Treppe hinab.
Jemand packte mich am Kragen und riss mich wieder hoch. 

"Fall nicht. Diesmal ist dein Freund nicht da um dir einen Vorteil zu verschaffen.", knurrte mir jemand ins Ohr und wieder schlug mir dieser Gestank entgegen. 

Ich verzog das Gesicht angewidert und blickte den Mann an, der mich noch immer am Kragen hielt. 

Ich erstarrte. 
Das war unmöglich. 
Unsere Blicke trafen sich.
Einen Moment lang schien die Zeit stehenzubleiben.
"Pass auf deinen Arsch auf.", flüsterte er mir ins Ohr, löste seinen Griff und strich mir das T-Shirt wieder glatt.
Dann verschwand er zwischen einer Traube von Touristen. 

Ich starrte ihm voller Entsetzen hinterher. 

Unmöglich

Ich hörte das Hupen vom Taxi und Jonas Stimme.
Dann knallte eine Autotür.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit noch immer nicht von der Stelle ab, an der er in den Massen verschwunden war.
Auch nicht als Jonas mit gerunzelter Stirn auf mich zukam.
Er folgte meinem Blick und sah mich dann verwirrt an. 

Vampire Agent (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt