5. Kapitel

9 0 0
                                    

Clarke saß etwas abseits am Fuße eines Baumes. Seit der Begegnung mit Timeo war bereits ein halber Tag vergangen, es war nun fast dunkel. Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen und bald würde man kaum mehr etwas erkennen. Ein Luftzug fuhr ihr durch die Haare und entfernt hörte sie die Stimmen aus dem Camp. Es war ganz anders als sie es sich vorgestellt hatte. Während ihrer Zeit in Einzelhaft, aufgrund des Geheimnisses ihres Vaters, hatte sie sich oft ausgemalt, wie die Erde wohl sein würde. Sie hatte gezeichnet, hatte überlegt. Die Blonde war schon immer an allem, was ihr unbekannt war, interessiert gewesen. Früher hatte sie stundenlang mit ihrem Vater vor den Büchern gesessen; selbst Kriegstechniken waren interessanter als das Leben auf der Ark.

Clarke ließ ihre Zeit hier auf der Erde Revue passieren. Nachdem sie gelandet waren, mussten sie feststellen, dass man sie auf dem falschen Berg abgesetzt hatte. Das wiederum bedeutete, dass es vorerst kein Essen geben würde - sie hoffte, dass die Verhandlungen dazu führen würden, dass sie nicht mehr hungern mussten. Das Problem, dass sie mit 99 Straftätern hier unten festsaß, machte die Sache nicht unbedingt besser, wenn man bedachte, dass nicht alle aufgrund eines Geheimnisses in Haft gewesen waren, sondern teilweise wegen Mordes angeklagt waren. Bellamy hatte sich auf das Schiff geschlichen - der 17-jährigen war noch immer unklar, wie er das angestellt hatte, aber sie war sich auch nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte -, um seine Schwester zu beschützen. Das wiederum erklärte die Tatsache, woher Bellamy und Octavia sich kannten; und warum Octavia so überrascht gewesen war, als Bellamy plötzlich vor ihr stand. Clarke hatte noch längst nicht alles verstanden, aber ihr war klar, dass Bellamy ihnen die Hölle heiß gemacht hätte, wäre Octavia heute etwas geschehen.

Ein weiteres Problem stellten die unterschiedlichen Stände dar. Auch wenn sie alle vermeintliche Straftäter waren, war der unteren Schicht klar, dass Wells und sie selbst Ratmitgliedskinder waren, was sie zu bevorzugten Zielen machte - Wells hatte dies am eigenen Leib bereits zu spüren bekommen. Im ganzen Lager herrschte Unstimmigkeit, da Bellamy und sein Gefolge für ein Zusammenleben ohne Regeln plädierten. Clarke mochte vieles sein, aber dumm war sie nicht; Bellamy hatte dies scheinbar nicht begriffen. Würde weiter eine solche Unstimmigkeit herrschen, würde bald die Hälfte der Gruppe nicht mehr leben.

Jedoch musste man den Jugendlichen eines lassen, dagegen konnte Clarke nichts sagen - sie wollten leben. Ihr Lager war in kürzester Zeit - wie auch immer sie das angestellt hatten - zu einem kleinen Camp geworden. Ungeschützt, aber zum vorerst Überleben geeignet. 

Die junge Arkerin hatte jedoch keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Timeo mochte nett gewesen sein - das bedeutete aber nicht, dass es seine Anführerin auch war. Wer wusste, wie die Fremden drauf waren? Waren sie zivilisiert? Oder waren sie wie Tiere? Clarke konnte es überhaupt nicht einschätzen. Sie hoffte, dass sie sich ein neues Leben auf der Erde aufbauen könnten. Die Ark hatte nur noch für fünf Jahre Sauerstoff, doch ihre Verbindung war abgebrochen. Die Ark wusste also - bis auf die Armbänder - nicht, ob die Erde zum Leben geeignet war. Clarke wusste ja selbst nicht, ob ein Leben hier möglich war, immerhin waren sie die Eindringlinge. Und auch wenn Timeo nett sein mochte, sie hatte ihn gesehen - wenn er gewollt hätte, hätte er sie alle ohne Probleme niedermetzeln können. Und auch wenn sie stark sein wollte, diese Tatsache beunruhigte sie. Von allen Seiten konnte sie Bedrohungen erkennen. Vielleicht waren sie nicht offensichtlich, vielleicht noch nicht ausgereift - aber sowohl ihre eigenen Leute, als auch die fremden Erdbewohner konnten zu einer Gefahr werden. Über ihre eigenen Leute hatte sie keinerlei Befehlsgewalt - Bellamy hatte offensichtlich keine Ahnung, eine Wache war er zudem erst recht nicht, doch die Leute folgten ihm - die Blonde vermutete, dass dies von seiner „wir haben keine Regeln"-Regel kam.

Diese Grenze würde ihnen vermutlich zudem Probleme bereiten. Die Wenigsten würden sich etwas sagen lassen, mit ihrem heutigen Erkundungstrupp hatte die Blauäugige Glück gehabt, denn sowohl Octavia, als auch Jasper wollten nichts mehr riskieren und Finn und Monty hatten sich der Mehrheit angeschlossen.

Wenn sie es sich recht überlegte, musste sie feststellen, dass es hier unten auf der Erde mehr Probleme geben würde, als man es auch nur annähernd erwartet hätte - niemand hatte damit gerechnet, dass es Überlebende gab. Eines wusste Clarke jedoch - wollte sie die Masse für sich gewinnen, wollte sie ein friedliches Miteinander mit den Einwohnern der Wälder, dann müsste sie sich Gehör verschaffen. Sie müsste sich Anerkennung verschaffen. Denn egal, was bei den Verhandlungen rauskommen würde - würden die Arker ihr nicht folgen, würde sie ein ernsthaftes Problem bekommen. Sie hatte nicht vor, alles an sich zu reißen; sie wollte sich nur Gehör und Respekt verschaffen.

Die Stimmen im Lager waren erneut lauter geworden. Der Tag neigte sich deutlich dem Ende zu und es hatte bereits begonnen zu dämmern. Während die Nacht den Tag langsam verschlang und der Mond die Sonne vom Himmel vertrieb, während die Sterne heller wurden, flammte das Feuer im Lager immer heller auf. Heute war erneut ein Trupp draußen gewesen, allerdings nicht allzu weit - scheinbar hatten sie die Grenze nicht überschritten. Da die Jagd erfolgreich gewesen war, gab es nun Fleisch für alle. Auch Clarke spürte langsam den Hunger in sich aufkeimen, weshalb sie beschloss, zum Camp zurückzukehren. Als sie dort ankam, konnte sie den Geruch des gebratenen Fleisches riechen und sie freute sich, endlich etwas Kräftigeres essen zu dürfen - die Nüsse waren zwar gut, aber definitiv nicht sättigend. Was sie jedoch stutzig machte, waren die Rufe. Was sie zuvor nur entfernt gehört hatte und somit nicht entschlüsseln konnte, war nun deutlich zu hören: „Wir leben nach unseren Regeln!" Die Worte alleine waren es jedoch nicht, die ihr die Unruhe bescherten, nein, es waren die Armbänder, die nach und nach jedem, der etwas zu Essen wollte, abgenommen wurden. War das Bellamy's Ernst? Clarke konnte es nicht fassen. Würde er wirklich so weit gehen, um seinen eigenen Arsch zu retten?

Als sie das Feuer erreichte, brüllte sie den jungen Mann auch direkt an: „Bist du komplett hirnlos! Wenn ihr allen diese Armbänder abnehmt, dann wird die Ark denken, dass wir alle tot sind und die Erde nicht zum Leben geeignet ist!" Bellamy zuckte erschrocken einen Schritt zurück, bevor er sich fasste und zwei Schritte auf Clarke zu machte. „Das ist mir sowas von egal! Wir interessieren die dort oben doch einen Scheiß! Wenn die hier runter kommen, sperren sie uns alle ein, ganz egal, was sie auch darüber gesagt haben, unsere Strafregister zu löschen." Frustriert schüttelte Clarke den Kopf. „Die Ark hat in wenigen Jahren keinen Sauerstoff mehr! Deshalb wurden wir hier auf die Erde geschickt." Dass sie diese Bombe jetzt platzen lassen musste, passte ihr nicht so wirklich, doch sie hatte keine Wahl. Als die Blonde nach recht sah, erkannte sie Wells, der betreten zu Boden schaute. Ihr war klar, dass er ihr nicht in die Augen blicken konnte, nachdem, was er getan hatte, doch sie wünschte sich endlich eine Erklärung. Eine Erklärung dafür, warum er sie verraten hatte. Sie verstand es nicht. Würde sie es verstehen und akzeptieren können, wenn er es ihr erklärte? Könnte sie ihm je verzeihen? Kurz schüttelte Clarke den Kopf, um die Gedanken loszuwerden und konzentrierte sich dann wieder auf Bellamy, der erneut zum Sprechen ansetzte. „Das hier ist jetzt unser Zuhause. Und das wird uns niemand wegnehmen!" Clarke musste sich beherrschen, nicht erneut auf den Jungen loszugehen. „Wir sind nicht alleine hier. Wenn du meinst, dass das eine gute Idee ist, dann werde ich dich nicht daran hindern, aber wenn ihr hier überleben wollt - und das beinhaltet, nicht von den Einheimischen aufgespießt zu werden -, dann brauchen wir eine Struktur. Wir brauchen Regeln. Wir brauchen Ordnung. Denkt darüber nach." Mit diesen Worten drehte sich die junge Arkerin um und ging davon. Hunger hatte sie noch immer, aber wenn die Jugendlichen nicht mit sich reden lassen würden, würde sie zumindest alles dafür geben, dass Wells, Octavia, Monty, Jasper, Finn und ihr selbst nichts geschah. Vielleicht könnte sie einen Deal mit Anya aushandeln.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 07, 2023 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Mebi oso na hit choda op nodotaim | Clexa [the 100]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt