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Evie:
„Ich habe so einen Hunger!" Malu steht unruhig neben mir und stöhnt leise, weil die Schlange an der Essensausgabe gerade einfach nicht kleiner wird.
„Wenn es so weitergeht, ist die Mittagspause vorbei, wenn wir unser Essen haben."
„Es geht doch langsam voran." versuche ich ihr Gemüt zu beruhigen, spüre aber in diesem Moment das grummeln in meinem Magen.
„Das war ja klar!" grimmig beobachtet Malu eine Gruppe aus fünf Jungs, welche ohne mit der Wimper zu Zucken an der Schlange vorbei laufen und sich zu zwei Mädchen weiter vorne stellen. Es ist Duriel... Daan... ich weiß nicht wie ich ihn nennen soll... er und seine Freunde. Ich habe bereits nach wenigen Tagen auf dieser Schule bemerkt, das die Jungs sich fast alles erlauben können. Niemand traut sich etwas gegen sie zusagen. Die meisten Himmeln sie förmlich an, was auch kein Wunder ist, weil einer schöner ist als der andere und sie ein fast abartiges Selbstbewusstsein ausstrahlt, was auf viele einfach attraktiv wirkt. Und mit Duriel wirken sie jetzt komplett. Sie wirken alle unterschiedlich, sowohl vom aussehen, als auch vom Charakter. Trotzdem ergänzen sie sich Scheinbar so perfekt, und wirken fast wie eins. Ich bewundere sie einwenig dafür, das sie so eine Freundschaft gefunden haben. Als ich meine alte Schule verlassen habe, um das Stipendium für die Balvern anzunehmen, habe ich zu fast allen meiner damaligen Freunde den Kontakt verloren.
„Evie du musst aufschließen." Malu reißt mich aus meinen Gedanken und nickt nach vorne. Ich mach zwei Schritte nach vorne und schließe die Lücke wieder.
Nachdem wir unser Essen schließlich bekommen haben und genug Zeit hatten um es entspannt aufzuessen, haben wir uns in unsere Räume begeben. Malu musste zum Spanischkurs und ich habe jetzt Geografie. Ich habe mich in der zweiten Reihe auf einen Stuhl gesetzt und meine Sachen ausgepackt. Als Duriel den Raum betreten hat, wollte ich am liebsten laut aufstöhnen. Natürlich hat er den Kurs auch noch belegt. Kurz habe ich Angst, das er sich wieder neben mich setzt, doch dann geht er nach ganz hinten in den Raum und sucht sich dort einen Platz. Neben mir setzt sich ein freundliches Mädchen namens Lily auf den Platz, mit der ich im letzten Term schon einige Male zusammengearbeitet habe. Mr Glenwick beginnt seine Stunde mit einer kurzen Zusammenfassung der nächsten Wochen und was er für diesen Term geplant hat. Er hat geplant eine größere Präsentation geplant, für die er in den nächsten Wochen die Themen bekannt gibt und wann diese vorgestellt werden müssen. Im Anschluss beginnen wir den Unterricht mit einer Wiederholung des letzten Terms und ich bin froh, all meine Unterlagen durchgelesen zuhaben, weil ich mich bei fast jeder Frage beteiligen konnte.
„Sie haben gut mitgearbeitet! Daher machen wir fünf Minuten früher Schluss." Mr Glenwick lächelt zufrieden und um mich herum beginnen alle Schüler schlagartig zu reden und ihre Sachen zusammen zu packen.
„Mr Hawthorne und Mrs Clayton sie bleiben bitte noch ein paar Minuten!" fügt er hinzu und mein Magen fängt an zu kribbeln. Was habe ich getan, oder was soll ich tun? Als alle Schüler den Raum verlassen haben und ich immer noch still auf meinem Platz sitze, schaut Mr Glenwick durch den Raum.
„Mr Hawthorne würden sie ein paar Reihen nach vorne kommen, dann brauche ich nicht durch den ganzen Raum rufen."
Hinter mir höre ich, wie ein Stuhl zurück geschoben wird und dann Schritte. Duriel lässt sich drei Plätze neben mir auf den Stuhl fallen und verschränkt seine Arme.
„Mr Hawthorne ich habe mir ihren Lehrplan angesehen, was sie im letzten Term in Geografie gemacht haben. Ihr Schule in Frankreich hatte ein komplett anderes Thema als das, was wir im letzten Term hier besprochen haben. Um in meinem Unterricht mitzukommen, müssen sie den verpassten Stoff irgendwie nachholen."
„Okay." sagt Duriel schulterzuckend.
„Ich habe mich mit Direktor Strongham über sie ausgetauscht und wir denken, dass ihnen Unterstützung gut tun würde. Eine Lernpartnerin sozusagen." sagt Mr Glenwick und sein Blick zuckt kurz zu mir.
Ich befürchte nichts gutes.
„Mrs Clayton wäre dazu wahrscheinlich die beste Wahl. Sie schreibt gute Noten und hat den verpassten Stoff gut drauf. Zudem belegen sie beide auch Mathematik und Naturwissenschaften zusammen, sodass diese Lernpartnerschaft eventuell auch für diese Fächer angewandt werden kann."
„Ehm Mr Glenwick, ich weiß wirklich nicht ob ich..." fange ich an zu reden, doch Mr Glenwick geht schnell dazwischen.
„Es würde sich in ihren Unibewerbungen, im Empfehlungsschreiben sehr gut machen."
Ich verstumme. Ich brauche eigentlich diese Pluspunkte später. Es macht einen guten Eindruck, wenn so etwas in einem Empfehlungsschreiben steht. Ich muss alles tun, damit ich an ein Stipendium komme, welches es mir ermöglicht in Oxford zu studieren.
„Wenn es gut läuft, plane ich zudem, dass sie die Präsentation gemeinsam machen. Das ist aber auch noch nicht in Stein gemeißelt. Ich möchte das sie es erstmal ausprobieren und in ein paar Wochen sehen wir, ob es funktioniert oder nicht."
„Und wie haben sie sich das ganze vorgestellt?" frage ich.
„Das könne sie unter sich ausmachen. Treffen sie sich in der Mittagspause, in den Freistunden oder nach der Schule. Sie sollen auch nicht ihre ganze Freizeit dafür opfern. Solange sie ein paar Stunden in der Woche dafür nutzen und gut voran kommen, sollte das klappen."
„Das ist doch Bullshit!" sagt Duriel plötzlich, nachdem er die letzten Minuten kein Wort gesagt hat.
„Bitte?" Mr Glenwick schaut ihn verwirrt an.
„Wieso sollte ich mit irgendwem zusammen lernen? Geben sie mir die Materialien und ich sehe mir das allein an."
„Der Schulleiter und ich empfinden es als wichtig, dass sie jemanden an ihrer Seite haben, der den Stoff bereits kennt. Wir haben es auch mit ihrem Vater besprochen, der es nach dem letzten Term ebenfalls als richtigen Weg sieht." erklärt Mr Glenwick ruhig.
„Und weil ich die letzten Monate weg war, soll sie jetzt ihre Zeit opfern. Zeit in der sie wichtigere Dinge machen könnte, die ihr wirklich etwas bringen? Das macht doch auch keinen Sinn."
„Das ganze werden wir natürlich nur tun, wenn Mrs Clayton zustimmt. Zudem hat ihr Vater..." Mr Glenwick deutet auf Duriel, welcher immer noch mit verschränkten Armen und einem grimmigen Gesichtsausdruck da sitzt.
„...vorgeschlagen, dass er Mrs Clayton bezahlen würde, für die Zeit, welche sie mit ihnen lernen würde."
Duriel schnaubt belustigt.
„Mrs Clayton würden sie es ausprobieren?" Mr Glenwick lächelt mich hoffnungsvoll an. In meinem Kopf herrscht gerade nur Chaos. Einerseits brauche ich das Empfehlungsschreiben, was über meine ganze Zukunft entscheiden könnte. Andererseits kann ich mir bisher nicht vorstellen dass das mit Duriel und mir funktionieren könnte. Ich müsste viele Stunden mit ihm verbringen, um den ganzen Stoff zu bearbeiten. Zeit, die ich nicht mit jemanden wie ihm verbringen möchte.
„Okay! Ich werde es ausprobieren." jetzt gibt es kein zurück mehr.
„Sehr schön! Sprechen sie sich ab wann und wie sie anfangen und wenn sie Fragen haben können sie sich gerne an mich wenden. Sie dürfen gehen." Mr Glenwick hat den Satz nichtmal beendet, da springt Duriel bereits auf, wirft sich den Rucksack über die Schulter und stürmt aus dem Raum. Das kann was werden...

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