19. Tränen

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Klara

Ich bleibe noch einige Zeit in der Küche sitzen, bevor ich fähig bin mich zu bewegen. Doch sich zu bewegen hat keinen Sinn, wohin soll ich denn gehen? Zu Yasmin wohl kaum, sie hat deutlich gemacht mich nicht mehr in ihrer Nähe haben zu wollen. Egal wohin ich schaue, jeder Winkel erinnert mich an unsere gemeinsamen letzten Tage.

Mir steigt der Duft von Gewürzen in die Nase. In dem ganzen Durcheinander habe ich unser Mittagessen völlig vergessen. Ein Blick auf den Herd zeigt die zwei Kochtöpfe, der eine gefüllt mit Wasser und der andere mit Tomatensauce. Immerhin sind die Herdplatten nicht an.

Auch wenn mir der Hunger mittlerweile vergangen ist, sollte ich etwas essen. Langsam stehe ich auf, schwach von der ganzen Aufregung. Ich trinke einen großen Schluck von meinem Wasser, bevor ich weiter koche.

Für einen kurzen Moment kann mich das Kochen ablenken, aber dann scheinen die letzten Stunden wie ein Film in dreifacher Geschwindigkeit in meinem Kopf abzulaufen.

Tränen stauen sich erneut in meinen Augen an. Ich reiße mich so gut es geht zusammen, während ich das Essen auf zwei tiefe Teller verteile.
Wenn ich jetzt schon anfange zu weinen, dann schaffe ich es sicherlich nicht bis nach oben.

Also gebe ich mir Mühe und schaffe es irgendwie die Treppe hochzulaufen, ohne auch nur eine Träne zu vergießen. Vielleicht habe ich allerdings schon so viel geweint, dass keine Träne mehr ihren Weg raus finden wird.

Wie dem auch sei, ich stehe nun vor meiner geschlossenen Zimmertür. In der einen Hand ein dampfend warmer Teller und die andere schwebt über meiner Türklinke.
Aber was jetzt? Soll ich sie einfach öffnen? Wahrscheinlich wäre Klopfen angebrachter.

Es ist so still im Haus, dass das Holz laut im Flur hallt. Einen kurzen Moment bleibt es auch weiter still, bis ich Yasmins Stimme leise wahrnehme. Es ist vielmehr ein schwaches Flüstern.

Ich öffne die Tür. Yasmin sitzt auf dem Boden an meine Bettkante gelehnt. Neben ihr ein großer Koffer, halb gefüllt. Weitere Kleidung liegt verteilt um ihn herum. Sie packt bereits.
Mein Blick wandert zurück zu Yasmin. Ich erwische sie gerade dabei, wie sie sich mit ihrem Handrücken über die Wangen fährt.

Ihre Augen sehen mittlerweile genauso geschwollen aus wie meine. Es zerreißt mir das Herz sie so Leiden zu sehen. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe und sie mir aus dem Weg geht, aber ich hätte sie jetzt so gerne in meine Arme geschlossen.

Stattdessen gehe ich ein paar Schritte in mein Zimmer und stelle den Teller auf meinem Nachttisch ab. „Falls du Hunger haben solltest." Ich ringe mich um ein Lächeln, welches aber unmöglich mehr als ein leichtes Zucken gewesen sein kann.

„Danke." Es ist nicht mehr als ein Flüstern.
Mit einem bedächtigen Nicken verlasse ich stumm den Raum und schließe die Tür wieder hinter mir.

Kaum betrete ich den Flur, läuft mir ein Rinnsal aus Tränen über die Wangen. Was habe ich nur getan?

lauwarm verbundenWhere stories live. Discover now