Shisui und Itachi

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»Es riecht nach Verwesung.«

Atana erschrak. Er konnte hinter Kakusa eine menschliche Hand erkennen, die aus dem Wasser ragte und in der Sonne glänzte. Nach und nach tauchte auch der Rest des Menschen auf. Sein Jutsu hatte den Körper wahrscheinlich aus den Tiefen des Flusses an die Oberfläche gewirbelt. Kakusa kannte keine Angst und stiefelte durch das Wasser, schwamm zurück ans Ufer und zog die Leiche an Land. Sie hatte sich fachmännisch über den Körper gebeugt und musterte ihn von oben bis unten. Ein paar Sekunden später hielt sie sich die Nase zu und rief:
»Kenn ich nicht. Ist auch keine Meerjungfrau. Nur ein Typ.«

Atana war flau in der Magengegend. Er folgte Kakusas Ruf und schwamm ebenfalls auf die andere Seite, doch schon bei näherer Betrachtung der Leiche schlug sein Herz immer schneller. Er trug die Anbu-Uniform für Einzelmissionen, das Konoha-Stirnband und war mehr als offensichtlich ein Shinobi. Das Herzklopfen war mittlerweile alles, was er in seinen Ohren hörte, doch er ging mutig immer näher auf die Leiche zu. Sein größter Alptraum wurde in der Sekunde wahr, in der er die Leiche erkannte.

Kakusa durchsuchte vorsichtig die kleine Tasche, die an das Bein des Jungen gebunden war, und fand ein paar Shuriken. Seine Haut hatte sich bereits über seine Knochen gespannt, er war wohl schon einige Wochen tot. Das Wasser hatte ihn dennoch gut konserviert. Kakusa glaubte ein Lächeln auf seinen blauen Lippen zu sehen, doch sie konnte sich nicht erklären, warum er sich in den Tod gestürzt hatte. Sie fand keine Wunden, die auf einen Kampf hindeuteten, nur leere Augenhöhlen. Eigenartig.
»Der hat keine Augäpfel mehr. Wie hat er sie wohl verloren?«
Sekunden später bekam sie immernoch keine Antwort, weshalb sie zu Atana blickte, der blass und manisch auf den toten Jungen starrte. Sie brauchte nicht lange um zu verstehen, das Atana ihn wohl gekannt hatte.
»Ein Freund?«
Atana schüttelte den Kopf.
»Familie.«

Bis zu diesem Moment war Atana nie direkt mit dem Tod konfrontiert gewesen, ebensowenig wie mit dem Massaker seiner Familie. Itachi hatte seine Spuren hinterlassen und Shisuis Leiche war eine davon. Er hätte niemals gedacht, dass er seinen Cousin in so einem furchtbaren Zustand sah, in dem schlimmsten aller Zustände, doch er konnte sich nicht länger vor der Wahrheit verstecken: Itachi hatte sie alle vernichtet, selbst Shisui. Und er würde auch vor Atana keinen Halt machen, da war er sich sicher.

Das Feuer in ihm, das bisher für Itachis Unschuld und Rechtfertigung gebrannt hatte, versiegte zu einer kleinen Flamme. Wie konnte er ihn so sehr unterschätzt haben? Er fühlte, wie sich die Welt um ihn herum nicht mehr drehte. Ein brennender Schmerz breitete sich auf seinem Oberkörper und in seinem Herzen aus, brannte und loderte wie tausend kleine Nadelspitzen, die in ihm steckten. Er sah Itachi vor sich, den winzig kleinen Jungen, mit Tränen in den Kulleraugen und einem Kunai in der zittrigen Hand. Woher kam diese Erinnerung?

»Hast du ihn gemocht?« fragte Kakusa einfühlsam und nahm Atanas Hand, in der Hoffnung, dass sie dann nicht mehr so stark zittern würde. Atana nickte langsam und versuchte wieder regelmäßig zu atmen.
»Er war sicherlich ein starker Junge. Wir können nicht wissen, warum er sich das angetan hat, aber er ist jetzt an einem besseren Ort.«
Atana starrte sie an.
»Das Leben genommen?«
»Es gab keine Gewalteinwirkung, ich habe keine Wunden gesehen. Ihm fehlen die Augen, vielleicht haben Grabräuber das Sharingan nachträglich entfernt.« verteidigte Kakusa sich eilig. »Er ist wahrscheinlich von der Klippe gesprungen und ertrunken.«

»Das Sharingan kann man nur intakt entfernen, wenn die Körper noch leben, bis das Herz aufhört zu schlagen. Itachi muss ihn in einem Genjutsu gefangen und danach beraubt haben. Daher das Mangekyou-Sharingan.«
Kakusa hatte keine Ahnung, wovon Atana redete, er hörte auch nicht auf.
»Aber Shisuis Genjutsu sind stärker als die von Itachi, Itachis stärkstes Genjutsu hat er erst mit seinem Mangekyou erlangt. Das hat er erst bekommen können, nachdem er Shisui besiegt hätte, wofür der das Mangekyou bräuchte, was er aber noch nicht hatte...«
Kakusa nickte nur und tat so, als würde sie Atanas wirren Gedanken verstehen.
»Wir müssen die Leiche zurück ins Wasser schaffen und verschwinden. Die ganze Sache gefällt mir nicht.«

Blindfight - Wege der SchlangeWhere stories live. Discover now