Kapitel 27 - Alexis

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Du bist vogelfrei, Alexis. Verschwinde, bevor ich dich aus dem Weg schaffe.

Die Wände der Citadella rasten an mir vorbei, so schnell rannte ich durch unser Quartier.

„Mann, Alec, jetzt warte doch!“ Adrien griff nach meinem Arm. Durch den Schwung wurde ich herumgewirbelt.

„Was?“, fuhr ich ihn an, schärfer als beabsichtigt. Schlechtes Gewissen bahnte sich seinen Weg durch meine chaotischen Gedanken, aber ich verdrängte es.

„Was hast du jetzt vor? Ich meine, du kannst doch nicht ernsthaft zur Community of Gaia‘s Legacy spazieren.“ Er senkte die Stimme zu einem Flüstern.

Mir entfuhr ein Schnauben. Es war mir egal, ob alle davon wussten, meinetwegen konnte er es hinausschreien. Sie würden früher oder später ohnehin erfahren, dass ich vogelfrei war. Dass meine sogenannte Mutter mich vor zwei Minuten verstoßen hatte – in dem Wissen, dass die offiziellen Mitglieder, die in ihrer Gunst standen, einem vogelfreien Magier nicht helfen würden. Was der Grund war, warum alle Magiefähigen weltweit versuchten, Teil eines Covens zu sein.

„Mir geht es gut.“ Eine dreiste Lüge. „Und ich werde den Coven nicht aufgeben. Ich werde meinen Sitz im Rat verteidigen. Nur nicht heute.“ Das wiederum war die Wahrheit.

„Du willst Felicia suchen.“ Es war keine Frage, dennoch nickte ich.

„Sie muss wissen, was ihre Tanten ausgeheckt haben. Falls sie freiwillig bei ihnen ist.“

„Du glaubst das nicht, oder? Dass sie freiwillig dort ist – falls sie dort ist. Du denkst, sie wird gewaltsam festgehalten.“

„Ich bin mir sicher.“ Meine Hände krallten sich in meinen Pullover. So konnte ich wenigstens ihr Zittern verbergen.

Adrien nickte. „Okay, dann nichts wie los.“ Schon setzte er sich in Bewegung.

„O nein, du gehst ganz bestimmt nicht mit!“ Ich fasste nach seinen Schultern. Ein warmes Gefühl keimte in meiner Brust, weil er meine Entscheidung akzeptierte und an meiner Seite blieb, doch dieser Gefahr würde ich ihn niemals aussetzen.

„Alter“, protestierte mein bester – und einzig wahrer – Freund. „Mach dich nicht lächerlich. Natürlich komme ich mit.“

Ich schüttelte den Kopf. „Halte hier die Stellung. Finde heraus, wie viele der anderen wussten, wer … Cécile wirklich ist.“ Fast hätte ich meine Mutter gesagt. Nur im letzten Moment konnte ich die Worte zurückhalten. „Und frage dich unauffällig durch, wer mich noch als Ratsmitglied sehen will.“ Ich brauchte bei meiner Rückkehr so viel Unterstützung wie möglich. Vor allem, weil ich vorhatte, nicht ohne Fee zurückzukommen. Es sei denn, sie wollte wirklich bei der Community bleiben. Dann würde ich sie ziehen lassen.

Ich verbot mir jeden weiteren Gedanken daran.

Adri zögerte. „Bitte“, setzte ich nach, weil ich wusste, dass es bei ihm funktionierte.

Er musterte mich einige endlose Minuten, als würde er in mir lesen. Schließlich nickte er.

„Pass bloß auf dich auf.“ Er griff in meinen Nacken und zwang mich so, ihm ins Gesicht zu sehen. Ein paar Sekunden standen wir voreinander, als würden wir eine stille Konversation führen. Dann wandte ich mich ab.

Ich hatte meine Pistole bei mir und meine magische Kraft. Mehr Utensilien würde ich nicht brauchen. Mein Plan war wenig durchdacht, aber das Einzige, das mir blieb.

Ich verließ die Citadella durch den Haupteingang. Er lag direkt neben einem Touristen-Shop und Stimmengewirr reizte meine angespannten Nerven. Auf einmal konnte ich verstehen, was Fee mit „Zu viele Ahnungslose auf einem Fleck“ meinte. Ein Mann mit Hut, Rucksack und Fotoapparat starrte mich an, als wollte er mich jeden Moment nach einer Privattour durch die Citadella fragen. Schnell wandte ich mich ab, eilte die sandfarbene, aus touristischen Zwecken erbaute Steintreppe hinab und warf mich in das Getümmel von Gozos Hauptstadt Victoria. Ich bog nach links in eine abschüssige Straße und lief über eine schmale Kreuzung. Ein Auto hupte unwillig, ich beachtete es nicht. Ich schob mich in eine Gasse voll kleiner Geschäfte, deren Auslagen weit in die Straße hineinragten. Eine Gruppe Menschen nach der anderen trödelte vor meiner Nase herum. Unsanft schob ich mich hindurch. Zu warten, bis sie aus dem Weg gingen, wäre blanker Irrsinn.

Until they rise - Gefangen zwischen Liebe und MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt