31 Lia

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Noah hielt mich fest und ließ mich weinen, bis sich meine Kehle trocken und rau anfühlte, mein Gesicht geschwollen war und keine Tränen mehr übrig waren.
„Ich bin froh, dass du da bist", sagte ich heiser. Mein Kopf lehnte an seiner Brust. Irgendwann hatte er mich ins Bett getragen und uns beide unter der Bettdecke eingewickelt. Mona war rübergekommen, aber er hatte sie weggeschickt.
„Ich bin froh, dass du mich angerufen hast", antwortete er und küsste mich auf die Haare. Er streichelte sanft mit der Hand über meine Schultern und zog mit den Fingerspitzen kleine Kreise über meiner Haut.
„Ich hasse den Gedanken, dass ich genau so werde, wie sie, wenn ich Mutter werde", sagte ich leise. „Was, wenn ich mein Kind nicht lieben kann, so wie sie mich nie geliebt hat?"
Noah schüttelte den Kopf. „Dein Kind ist noch nicht mehr als eine Eizelle in einem deiner Eierstöcke, Sonnenschein. Und du liebst es jetzt schon."
Ich verzog den Mund zu einem Lachen.
„Ich meine es ernst", fuhr er fort. „Ich weiß, dass du dein Kind mehr lieben wirst als dich selbst. Und ich bin auch noch da und werde es lieben."
Er strich sanft durch meine Haare.
„Noah, ich habe noch nicht entschieden, ob wir ..."
„Schon okay", sagte er. „Wenn es das Kind von einem anonymen Samenspender sein soll, werde ich es dennoch lieben, als wäre es meins. Weil ich dich liebe, Lia. Ich könnte ein Kind von dir niemals nicht lieben."
Ich drehte mich auf den Bauch und sah ihn an. „Hör auf, das immer zu sagen." Ich vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge.
„Was zu sagen?", fragte er. „Dass ich dich liebe?"
„Ja."
„Ich werde es dir immer und immer wieder sagen. Und irgendwann wirst du es mir glauben."
Mit mir war es immer dasselbe. Ich wusste, dass ich etwas nicht tun sollte, wusste es so sehr und so gut. Und dann tat ich es trotzdem.
In diesem Fall küsste ich Noah, um ihm keine Antwort geben zu müssen.
Er erwiderte den Kuss und zog mich noch näher an sich.
„Bleibst du bei mir?", fragte ich leise.
„Immer."

Ich war irgendwann eingeschlafen. Als ich wach wurde, war es stockdunkel draußen.
Noah lag immer noch neben mir, sein Atem ging ruhig und ich konnte seinen gleichmäßigen Herzschlag unter meiner Hand spüren.
Ich drehte mich so leise wie möglich um und warf einen Blick auf die Funkuhr auf meinem Nachttisch. Es war mitten in der Nacht, kurz vor drei Uhr.
Doch ich war hellwach und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Vorsichtig stand ich auf und tapste ins Wohnzimmer.
Ich nahm die Flasche Wasser von Wohnzimmertisch und trank ein paar Schlucke. Mir war eher nach Kaffee, aber die Kaffeemaschine war laut und würde Noah wecken.
Ich setzte mich auf die Couch und wickelte meine Beine in die Wolldecke. Ich trug nur sein T-Shirt und ein Höschen und es war kalt. Minnie sprang neben mich und rollte sich ein, während sie schnurrte.
Ich griff nach meinem Handy, das ich nach dem Telefonat mit Noah aufs Sofa geworfen hatte, und öffnete die Nachrichten. Ich antwortete Mona, die fragte, ob alles okay sei, sagte ihr, dass es mir gut ginge, und markierte Josie die Blumen, die mir aus ihrer Auswahl am besten gefielen.
Danach scrollte ich durch Instagram und Facebook und sah mir die Beiträge meiner Freunde und Bekannten an.
„Wieso bist du wach?"
Erschrocken fuhr ich zusammen. Noah stand an der Tür und sah mich verschlafen an. „Ich konnte nicht mehr schlafen", antwortete ich. „Geh wieder ins Bett."
„Nur, wenn du mitkommst." Er kam auf mich zu und setzte sich neben mich. Minnie, die kleine Verräterin, sprang sofort auf seinen Schoß und ließ sich von ihm streicheln.
Er lehnte seinen Kopf auf meine Schulter. „War ein harter Tag gestern", sagte er leise. „Ich kann verstehen, dass du nicht mehr schlafen kannst."
Ich sagte nichts, legte aber das Handy zur Seite.
„Willst du darüber reden?", fragte er.
„Über meine Mutter?"
Er nickte stumm und ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich will nicht mehr darüber reden. Sie hat schon genug Platz in meinen Gedanken und in meinem Leben eingenommen. Ich will einfach ihre Existenz vergessen." Ich seufzte leise. „Ich brauche sie nicht. Ich habe eine Familie. Mona und Chris sind für mich mehr Eltern gewesen, als sie. Ich liebe die beiden, als wären sie es. Jonah, Hannah und Sarah sind wie meine eigenen Geschwister. Und dann ist da noch meine andere Familie ... Josie und Lukas, Jan ... und du."
Noah lächelte sanft und stand auf. „Ich mache mir einen Tee. Möchtest du auch einen?"
„Ob ich einen Tee möchte?", fragte ich, irritiert über den plötzlichen Themenwechsel. „Ähm, ja. Okay." Noah stand auf und ich beobachtete ihn, wie er um die Kücheninsel herum lief und Wasser in den Wasserkocher füllte.
Ich stand auf und folgte ihm.
Das Wasser begann zu brodeln.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragte ich ihn.
„Nein, wieso?"
„Ich weiß nicht. Es hat sich so angefühlt, als wärst du sauer?"
„Wieso sollte ich sauer auf dich sein, Sonnenschein? Ich wollte einfach nur Tee."
„Okay."
Ich lehnte mich gegen die Insel und beobachtete, wie er das Wasser auf zwei Tassen mit Teebeuteln verteilte.
Heißer Dampf stieg auf. Ich öffnete die Schublade, in der ich Zucker aufbewahrte in dem Augenblick, als er sich umdrehte, und stieß gegen ihn. Heißes Wasser schwappte aus dem Wasserkocher auf den Boden.
„Hast du was abbekommen?", fragte er erschrocken.
„Nein." Mein Blick verfing sich mit seinem und er stellte den Wasserkocher ab.
„Okay", sagte er erleichtert. „Das wäre eine üble Verbrennung geworden."
Er ließ Zucker in beide Tassen rieseln. „Reicht dir das?", fragte er.
„Küss mich, Noah", sagte ich leise, statt ihm zu antworten und Noah stellte den plötzlichen Umschwung nicht in Frage.
Stattdessen packte er mich im Nacken und presste seine Lippen auf meine. Fest, hart und besitzergreifend.
Ich sog alles in mich auf, so tief ich nur konnte. Seinen Geschmack, seine Berührung, seinen Duft ...
„Wie sind wir von Zucker hier hergekommen?", raunte er und vergrub die Hände in meinen Haaren.
„Ich brauche dich", flüsterte ich leise.
Noah hob mich hoch, auf die Arbeitsplatte und schob mein Höschen nach unten.
Ich verschränkte die Füße hinter seinem Rücken und presste meinen Unterleib gegen seinen, bis wir es nicht mehr aushielten und er seine Hose mit hektischen Bewegungen ebenfalls nach unten schob. Er küsste mich wieder und versenkte sich mit bedächtiger, köstlicher Langsamkeit in mir.
Er füllte mich aus, zerbrach mich in tausend Stücke und setzte mich wieder zusammen, immer und immer wieder.
Mein Körper reagierte wie immer auf ihn: begierig, willig und voll verzweifelter Sehnsucht.
Er senkte den Kopf und nahm meine Brustwarze in den Mund, leckte und saugte daran, während er immer schneller und härter zustieß.
Ich grub die Nägel in seinen Rücken, und er schien genau zu wissen, wann ich mich dem Orgasmus näherte, und passte sein Tempo stetig an, bis ich nur noch ein wimmerndes Bündel war und nicht mehr wahrnahm, außer ihm. Sein Mund fiel mit einem schmerzhaften Kuss über meinen her, während er mich so hart nahm, dass ich dachte, die Küche würde jeden Augenblick auseinanderbrechen.
Mir kam der Gedanke, dass ich blaue Flecken davontragen könnte, und für einen perversen Moment hoffte ich, dass es so wäre. Ich wollte mich auf irgendeine Art an dieses Gefühl erinnern können, dieses Gefühl, mir absolut sicher zu sein, was mein Körper wollte, vollkommen entfesselt.
Lichter explodierten hinter meinen geschlossenen Lidern.
Ich wölbte mich ihm entgegen, mein Schrei wurde von seinem Kuss verschluckt, und der Orgasmus durchfuhr mich wie ein Blitz, der mehrmals einschlug. Noah folgte mir erschauernd, und wir sanken einander in die Arme, unsere schweren Atemzüge im Gleichtakt.
Er hob mich von der Arbeitsplatte und hielt mich fest, bis sich unser Atem beruhigte und ich begann die Realität um uns herum wieder wahrzunehmen.
„Wir haben es ohne Kondom gemacht." Ich griff nach der Küchenpapierrolle, um mich sauber zu machen.
Noah nickte, während er sich anzog. „Tut mir leid."
„Nein, muss es nicht." Ich sah ihn an. „Für mich ... ist es okay."
Noah zog mich an sich heran und küsste mich sanft. „Für mich auch."
Ich zog das Höschen wieder an und griff nach der Teetasse. „Noch warm." Noah lächelte. „Dann lass uns den Tee trinken und dann wieder ins Bett gehen."
Zusammen gingen wir zurück zum Sofa, kuschelten uns in die Decke und vorsichtig nippte ich am Tee, aber er war wirklich nicht mehr heiß.
„Ich dachte schon, du würdest mich auslassen", sagte Noah leise.
„Wobei?", fragte ich irritiert.
„Bei der Aufzählung vorhin. Deiner Familie."
„Wieso sollte ich?"
„Weil ..." Noah zuckte mit den Schultern. „Ich wusste nicht, wo ich in deiner Aufzählung reinpasse. Ich will deine Familie sein, aber nicht auf die Art wie meine Geschwister. Und auch nicht auf die Art, wie Josie oder Lukas und Jan."
„Noah, du bist meine Familie." Ich legte den Kopf gegen seinen und griff nach seiner Hand. „Ohne dich hätte ich es nie überstanden. Ich weiß nicht, ob wir heute hier sitzen würden, wenn ich dich nicht gehabt hätte. Ich weiß, dass wir nie über Kevin gesprochen haben, aber wenn du nicht da gewesen wärst, damals ... Ich brauchte dich. Viel mehr, als du ahnst."
Noah seufzte leise. „Ich brauche dich immer noch, Lia. Ich habe dich damals genauso gebraucht, wie du mich und jetzt brauche ich dich immer noch. Vielleicht sogar noch mehr."
„Auch, wenn ich dir nicht das geben kann, was du willst?", fragte ich leise.
Noah richtete sich auf und sah mich ernst an. „Was will ich denn, Sonnenschein? Ich will alles mit dir. Aber, wenn du das nicht möchtest, dann muss ich das akzeptieren. Ich liebe dich. Und ich werde den Rest meines Lebens darauf warten, dass du bereit bist. Und selbst wenn du es mir nie sagen wirst, ist es okay. Ich möchte nur, dass du glücklich bist."
Ich seufzte leise. „Ich liebe dich, Noah. Aber es reicht nicht. Ich kann nicht alles, was zwischen uns passiert ist vergessen und neu anfangen. Ich kann nicht so tun, als würde ich dich dafür genug lieben."
„Lia ...", flüsterte er sanft. „Ich erwarte von dir nicht, dass du alles vergessen sollst. Wir hatten beschissene Zeiten, wir haben viel durchgemacht. Aber ich weiß, dass du mir irgendwann verzeihen wirst."
„Ich habe dir doch schon längst verziehen. Ich kann nur nicht ..." Ich schluckte. „Ich kann nur nicht darauf vertrauen, dass du mich nicht wieder allein lassen wirst."
„Das erwarte ich auch überhaupt nicht." Er griff nach beiden meiner Hände. „Irgendwann wirst du mir vertrauen. Ich werde nirgendwo hingehen. Ich bin bei dir."
„Es tut mir leid, Noah", flüsterte ich. „Ich kann dir im Moment nicht das geben, was du erwartest."
Er lächelte. „Beantwortest du mir eine Frage?"
„Natürlich."
„Aber du musst ehrlich sein."
Ich nickte.
„Liebst du mich?", fragte er und sah mich abwartend an.
„Ja, ich liebe dich", antwortete ich und meinte es auch so.
„Das reicht mir."
Er legte die Arme um meinen Rücken und zog mich an seine Brust. „Mehr brauche ich nicht."

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