60 ~ Lando

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Die Weihnachtsfeiertage vergingen viel zu schnell, aber so war das wohl immer. Die schönsten Dinge flogen quasi an einem vorbei und ehe man sich versah, waren da nur noch Erinnerungen. Aber es waren großartige Erinnerungen.

Meine Familie hatte alles gegeben, damit Vicky sich wohlfühlte und die Zeit in Bristol genießen konnte, denn für sie war es schließlich das erste und letzte Weihnachtsfest in England. Außerdem hatte sie mir gestanden, wie wenig feierlich ihre bisherigen Weihnachten gewesen waren und ich hatte mir fest vorgenommen ihr dieses Jahr eins zu bereiten, an das sie sich immer lächelnd erinnern würde.

Doch obwohl ich alles daran setzte, mich nur auf das Positive zu konzentrieren, spürte ich zwischendurch immer wieder mein Herz brechen.

Es brach, wenn ich Vicky im Nebenraum laut lachen hörte.

Es brach, wenn ich ihr eine ihre blonden Haarsträhnen hinters Ohr schob, um ihr tief in die Augen sehen zu können.

Es brach, wenn wir uns nach einem Kuss voneinander lösten und in meinem Kopf die Frage auftauchte, der wievieltletzte Kuss das wohl gewesen war.

Ich wusste, dass Vicky genauso empfand, auch wenn wir kaum darüber sprachen. Wir hatten uns schon vorher gedacht, dass es schwer werden würde, aber es war mehr als das. Es war wie ein Messer in der Brust, das in regelmäßigem Abstand von jemandem gedreht wurde, um einen an den Schmerz zu erinnern, den man gerade mit aller Macht ein wenig verdrängt hatte.

Und weil die Weihnachtsfeiertage viel schneller vergingen als sie sollten, stand auch viel schneller als erwartet Vickys Abschied von meiner Familie bevor. Sie hatten sich in all den Monaten zwar nicht wahnsinnig oft gesehen, aber schon das eine oder andere Mal und meine Freundin war sofort herzlich in den Kreis der Familie aufgenommen worden. Umso schwieriger war es jetzt, sie wieder rauszulassen.

Dass Mum und meine Schwestern Tränen in den Augen haben würden war zu erwarten gewesen, aber sogar mein Vater und Ollie hatten glasige Blicke, was es uns allen nicht gerade leichter machte. Vicky wurde von jedem mit einer festen Umarmung verabschiedet und ich hörte, dass meine Eltern ihr noch einige dankbare Worte ins Ohr flüsterten, weil sie für mich da gewesen war und mir geholfen hatte.

Aber es war so viel mehr als das. Vicky hatte mir das Leben gerettet. Ohne sie hätte ich meine Probleme immer weiter in mich hineingefressen und irgendwann wäre ich wahrscheinlich zusammengebrochen ohne Chance auf Heilung.

Stattdessen war ich jetzt auf einem guten Weg, arbeitete regelmäßig mit Chris an meiner mentalen Gesundheit und schaute hoffnungsvoll in die Zukunft. Außerdem hatten sich mein Schlaf- und Essverhalten verbessert und ich war gewillt, weiterhin daran zu arbeiten, damit es sich nicht wieder in die falsche Richtung entwickelte.

Ein großer Teil des Dankes dafür ging an Vicky und das wussten auch meine Eltern, weshalb ich gut verstehen konnte, dass sie sich zum Abschied nochmal ausdrücklich bei ihr bedankt hatten. Dann waren wir ins Auto gestiegen und mit Tränen in den Augen zurück nach London gefahren.

In den verbleibenden Dezembertagen musste Vicky sich um die letzten Umzugssachen kümmern, dann holte ich sie am späten Vormittag des 31.12. schließlich aus ihrer leeren Wohnung ab und fuhr mit ihr und ihrem gigantischen Koffer in meine Wohnung in Woking.

Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass ich nie wieder zu der Londoner Wohnung fahren würde, um sie zu besuchen oder abzuholen und obwohl ich den Verkehr in Englands Hauptstadt hasste, hätte ich mich ihm Vicky zuliebe ohne zu Zögern immer wieder gestellt.

In Woking verstauten wir ihren Koffer, machten einen stillen Spaziergang, bei dem wir einfach nur die Zweisamkeit und die Ruhe genossen, die die hauchdünne Schneeschicht auf der Landschaft ausstrahlte. Anschließend begannen wir uns für die Silvesterparty heute Abend fertig zu machen und gaben alles, um nicht daran zu denken, dass das unsere letzte gemeinsame Nacht sein würde.

Under Pressure (Lando Norris FF)Where stories live. Discover now