03 Ein Himmel blauer Weite

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Geisterhaft glitt eine kühle Briese über meine Haut, während die milde Wärme der Grotte in Flutwellen aus meinem Körper rauschen zu wollen schien. Hayens Worte hallten in meinem Inneren wie eine Todesglocke wider. Laut, penetrant und unnachgiebig die Wahrheit verkündend. Dennoch, eine Wahrheit wie diese lehnte ich ab, lehnte mich in meiner Verleugnung weiter zurück und baute Distanz zu ihm auf. Es war ein erbärmlicher Versuch mich von dieser Realität zu distanzieren, indem ich mich von dem Mann distanzierte, dem mein Herz gehören sollte. In meiner blinden Ablehnung schüttelte ich meinen Kopf so heftig, dass ich das Zerren der Nähte an meiner Kehle spürte und die damit verbundenen Schmerzen in den hintersten Winkel meines Bewusstseins drängte.
"Nein", hauchte ich kraftlos, während in mir ein Sturm aufbrauste. Als würde sich etwas tief in meiner Seele regen, begehrte der Kern meines Seins auf und ich wiederholte dieses kleine, bedeutungslose Wort so oft, bis Hayen die Distanz zwischen uns nicht länger zu ertragen schien und einen Schritt in meine Richtung ging. Verzweiflung und Schmerz spiegelten sich in seinen so natürlich scharf geschnittenen Zügen, die meine Gefühlslage nur allzu gern wiedergeben zu wollen schienen. "Wie konnte das passieren?" Meine Stimme wurde lauter, meine Gefühle ließen es machbar werden. Die Briese um uns herum wirbelte auf und ließ kleine Wellen um unsere Körper zirkulieren. Hayen sah vom Wasser zu mir und kurz blinzelte er, bevor er schlicht nach meinem Unterarm griff und mich so mitleidig ansah, dass er jeden Versuch in seinen Worten eine Lüge zu finden, im Keim erstickte. Es war die Wahrheit und kaum, dass seine Haut die meine auch nur streifte, blitzten Bilder vor meinen Augen entlang.
Der Sumpf, dieser grausame, hassenswerte Sumpf mit dem verfallenen Tempel. Aus meiner Erfahrung wusste ich um die Herrlichkeit der Wandbilder und die Vielzahl der farbigen Edelsteine in dem veralteten Mauerwerk. Treppen würden in die Katakomben führen, in denen ein versklavter Drachenkadaver und ein Becken voll mit dessen unmenschlichen Blutes zu finden sein würde.
Jetzt jedoch sah ich das alles aus der Vogelperspektive. Hayens Herz schlug wie wild. Schlug mit der gesamten Spannweite seiner Flügel um die Wette. Sie mussten fort von da, sofort. Ein Blick hinab verkündete ihr letztes Hindernis. Nakeena und Ciaran standen dort. Gekleidet in Uniformen, die mir plötzlich fremd vorkamen und einer Waffe in der Hand dieses Mannes, die mir absolut gar nicht fremd erschien. Der Name jenes Bogens lautete Mortifér und war nichts weiter als Hohn und Spott angesichts seiner Herkunft. Ich - Nein, Hayen wünschte sich diesen Bogen, wünschte es sich ihn an sich zu nehmen und weit fortzubringen. Doch in jenem Moment hatte er anderes zu tun, musste alle in Sicherheit bringen. Weg von diesen fürchterlichen Personen, weg aus diesem Reich und hinauf in den Norden. Sie hatten es fast geschafft, fast waren sie außer Reichweite, als Hayen mit seinem feinen Gehör ein einziges Wort hörte und innerlich erstarrte, während sein Körper wie mechanisch weiterarbeitete. "Flieg", hatte Ciaran mit einem heimtückischen Lächeln in der Stimme gesagt und einen seiner von Magie geschwängerten Pfeile in die Luft gesandt. Es war ein lauter, sirrender Klang, bei dem er sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, doch der Schrei der kurz darauf folgte, war noch um einiges Schlimmer. Liara, diese schöne junge Frau, die so voller Licht und Liebe seinem engsten Vertrauten gegenüber war, fiel mit erstarrt und vor Schrecken geweiteten Lippen in die Tiefe. Der letzte Blick ihrer Augen galt Cyrus, welcher bereits hoch über den Wolken war und nichts anderes mehr zu tun vermochte, als den Tod seiner jungen Gefährtin persönlich zu bezeugen.
Die Trance löste sich und mit Tränen in den Augen fiel ich aus himmelweiten Höhen hinab in meinen Körper und fand mich inmitten eines wilden Wasserstrudels wider. Kleinste Regentropfen peitschten mir ins Gesicht, zerrten an meinem geschwächten Körper und rissen an meinem langen Haar. Das alles sollte mich nicht interessieren, das alles interessierte mich nicht.
"Liara ...!", schluchzte ich. Ich bebte vor Schmerz, vor Trauer um meine Freundin und viel auf die kantigen Steine. Meine Fingerspitzen fingen meine Tränen auf, versuchten sie zurück an ihren Herkunftsort zu verbannen und schützten meine Sicht vor allem, was nichts mit der magischen Wiederauferstehung meiner Freundin zu tun hatte. Ohne sie ... Ohne sie wären Neyla und ich einsam gewesen und hätten uns nicht andauernd mit dekorativen Schmuckkissen und farbenfroher Dekoration herumschlagen müssen. Ohne sie hätte Neyla mich alleine regelmäßig verbal in die Ecke drängen und nach brisanten Informationen über den König der Drachen ausquetschen müssen. Seit meiner Ankunft in der Bergfestung war ich jeden Tag dankbar für sie gewesen, denn sie hatte die vorwurfsvollen oder gar verächtlichen Blicke der anderen Frauen nicht beachtet und mir mehr als nur einmal Verständnis entgegengebracht, während sie selbst es hätte schlicht abtun können. Liara war Licht und wilde Liebe, die sie bereits kurz nach unserer Ankunft im Land der Drachen in einem gewissen grünäugigen Kommandanten gefunden hatte. Und das alles sollte jetzt einfach so vorbei sein? Einfach so? Einfach so!?
Ich schrie. Schrie so laut, dass selbst die Meeresgeschöpfe aus der Tiefe über mir zurückschreckten und das offensichtlich magieverstärkte Glas erzitterte. Schrie so laut, dass selbst Nakeena in ihrem Versteck es hören und höhnisch mit dieser dreckigen Missgeburt eines Mannes lachen würde. Wut, so kochend heiß, dass ich Blut schmeckte, riss an meiner Seele und würden sich nicht genau in diesem Moment breite Arme um meine bebenden Schultern schlingen und mich der Duft nach Minze und Zitrusfrüchten sie begleiten, wäre ich wohl vor den Augen meines Seelengefährten schlicht und ergreifend zersplittert. Der Wind, der wie eine kleine Naturgewalt durch das Wasser gefegt war, nahm ab und ließ auch das Becken wieder zu Ruhe kommen, ließ es sich wieder anfüllen mit dem heilenden, warmen Quellwasser.
Während ich noch schluchzte, zog Hayen mich auf meine astartigen Beine und hielt mich fest an sich gedrückt. Seine Armen waren der Rahme, der mich in diesem Moment noch zusammenhielt, mich nicht zerreißen ließ.
"Es tut mir so leid", wisperte er, als Wassertropfen in kleinen Rinnsalen von der Decke tropften. Mein Weinen wurde leiser, doch Hayens Griff festigte sich und er half mir, mich ganz in seiner Umarmung zu verbergen, indem er sein Kinn auf meinen Scheitel legte und seine Arme um meine Schultern schlang. "Das alles tut mir so unendlich leid, Elissa" wiederholte er leise, tröstend. Aber so leise er auch sprach, so sehr war etwas in mir zerrüttet, das das Chaos um mich herum in den Hintergrund rücken ließ.
Die Tränen wollten nicht aufhören, in winzigen Rinnsale über mein Gesicht zu laufen und Hayens Versuch Ihren Lauf zu stoppen, indem er seine Daumen behutsam über meine Wangen gleiten ließ, endete damit, dass weitere Schluchzer aus meiner Kehle brachen. Aber auch Hayen bebte tief in sich drin. Seine Muskeln erzitterten regelrecht unter meiner Berührung. Doch anstelle der allumfassenden Trauer, die in mir wie ein Wirbelsturm für Unordnung sorgte, war es glühender Zorn, der in ihm dieses Beben veranlasste.
Was hatte ich alles verpasst?
Was war in der Zeit meiner Bewusstlosigkeit... Nein, in meiner Zeit in Warkom nur hier geschehen?
Würde ich von noch mehr Toden erfahren, wer wäre wohl der nächste?

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⏰ Última actualización: Nov 05, 2023 ⏰

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