Das mit den Frauen

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Vor einiger Zeit fragte mich ein sonst überaus besonnener Bekannter, wieso wir den Feminismus bräuchten, Frauen hätten in Deutschland doch dieselben Rechte. Angesichts dieser unerwarteten Ignoranz fehlten mir doch glatt die Worte.

Lasst mich seine Frage also heute in Zahlen beantworten:
85% der Alleinerziehenden in Deutschland sind Frauen, und das liegt nicht etwa daran, dass die männlichen Erzeuger der jeweiligen Kinder alle verstorben wären.
Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit: In Deutschland wenden Frauen pro Tag bis zu 111% mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Das nennt sich Gender-Care-Gap und hat Folgen. Frauen werden (besonders bei Familiengründung) soziokulturell dazu genötigt beruflich zurückstecken oder ihre Karrieren gleich ganz aufgeben. 47% der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit. 62% aller Minijobs werden von Frauen ausgeübt.
In Deutschland verdienen Frauen 18% weniger als Männer. Selbst bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt der Entgeltunterschied immer noch 6%. Das nennt sich Gender-Pay-Gap.
In Deutschland haben Frauen noch immer schlechtere Karrierechancen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen in Deutschland liegt bei 7,7%. 81% der Unternehmen haben gar keine Frau im Vorstand. Rollenstereotype und geschlechtsspezifische Zuschreibungen spielen bei Arbeitsbewertungen, Leistungsfeststellungen und Stellenbesetzungen noch immer eine tragende Rolle und führen zu zumeist indirekter Benachteiligung und mittelbarer Diskriminierung.
Das habe ich mir natürlich nicht ausgedacht, sondern all das sind Feststellungen aus Studien vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Zahlen vom Statistisches Bundesamt.

Jenseits der Zahlen sind die Lebenswelten von Frauen auch hierzulande von Abwertung geprägt, die so alltäglich ist, dass wir sie kaum noch als ungewöhnlich wahrnehmen. In jedweder Konversation, in Gremien, in Diskussionen werden wir weniger ernstgenommen als unsere männlichen Mitmenschen. Tagtäglich wird uns unsere Kompetenz abgesprochen. Männlichen Laien meinen uns erklären zu müssen, wie unsere Profession funktioniert. Das nennt sich Mansplaining.

Um es mit den Worten der Politikwissenschaftlerin Christiane Florin auszudrücken: "Die selbstverständlichen Benachteiligungen, die Ignoranz, die Arroganz, die sich als Demut tarnt, das Nicht-Ernst-Nehmen, nur weil das Gegenüber eine Frau ist. Würde man so handeln und reden, weil das Gegenüber eine dunkle Hautfarbe hat, dann wäre man Rassist. Handelt und redet man so, weil das Gegenüber eine Frau ist, was ist man dann?"

Nicht nur wenn wir auf die Taten und Verlautbarungen des Rammstein-Frontsänger Till Lindemann, der Incel-Community und selbsternannter Alpha-Männer wie Andrew Tate schauen, spüren wir wie Frauen permanent sexualisiert und als persönlicher Besitz degradiert werden.
Catcalling, Grooming, sexuelle Gewalt, Victim-Blaming, Femizide... Jeden Tag versucht hier in Deutschland ein Mann seine Frau umzubringen, jeden dritten Tag schafft es einer. Die Dunkelziffer ist weit höher. Mehr als 80% der häuslichen Gewalt in Deutschland wird von Männern gegen ihre Ehefrauen oder Freundinnen ausgeübt. Ich kenne keine Frau über 20, die nicht auf die eine oder andere Weise von Männern sexuell belästigt wurde. Das zeigen auch verlässliche Studien. Neun von zehn Frauen werden in Deutschland auch außerhalb des Internets sexuell belästigt. Jede Dritte hat sexualisierte Gewalt in Form von Zwang zu sexuellen Handlungen erlebt, bei jeder Zweiten ist es zum Versuch gekommen. Die Täter sind Männer, die Tatorte meist das eigene Wohnumfeld.

Und du willst mit mir darüber diskutieren, dass du die Frauenquote ungerecht findest, dass Frauen Männern die Arbeitsplätze wegnehmen, dass du Gendern anstrengend findest?

Wie oft wurdest du bei einem Bewerbungsgespräch schon gefragt, wie das mit der Familienplanung so aussieht? Wie oft hast du fast schon paranoid auf dein Getränk aufgepasst, damit dir niemand KO-Tropfen hineinschüttet, um dich zu vergewaltigen? Wie oft wurdest du schon gewarnt, nachts bloß nicht allein durch die Gegend zu laufen? Wie oft wurdest du nach einem sexuellen Übergriff gefragt, was du denn anhattest?

GefundenWhere stories live. Discover now