Auf dem Markt

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19-Auf dem Markt

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19-Auf dem Markt

Zeit: Sommer 79 / Ort: Capitol City

Unbehaglich zerrte ich am engen Stehkragen meiner Jacke und sah mich dabei wachsam um. Seit wir den Markt betreten hatten, wurde ich das Gefühl nicht los, dass wir beobachtet wurden.

„Hör auf zu zappeln", sagte Seho, zog das dunkle Barrett, das seine Aufmachung der Haare wegen komplettierte, dabei tiefer in die Stirn und nickte unauffällig nach links in die Gasse. „Dort entlang."

Rasch folgte ich ihm und hielt dabei ausreichend Abstand. Ich hatte unzählige Anweisungen im Kopf, was ich tun und lassen sollte, wie weit ich mich Seho nähern durfte, wann und ob ich ihn berühren durfte und sei es nur an der Schulter. Wie ich mich anderen gegenüber zu verhalten hatte, auf welche Dinge ich achten musste. Die Panik, dass ich irgendwas falsch machen könnte, hatte mich damit voll im Griff. In der Brusttasche meines Anzugs, ein seltsames Mittelding zwischen Anzug und Militäruniform, steckte ein brandneuer Identitätsnachweis, der mich als Jocelyn de la Croix auswies und offenbar stammte ich aus New Haven. Ich hatte keine einzige Frage dazu gestellt und schon gar nicht, nachdem ich das Foto gesehen hatte. Denn dafür hatte mich Kia in eine dunkelblaue Uniform gesteckt, die mich zu etwas machte, was ich noch nie im Leben gewesen war. Wie auch immer. Ich stellte keine Frage, hörte aufmerksam zu bei allen Anweisungen zu sittlichem Verhalten in der Öffentlichkeit und trotzdem kroch mir die Angst in den Nacken. Jetzt hoffte ich nur noch, dass ich nichts davon vergessen und alles richtig machen würde.

Schon allein die Fahrt hierher hatte mich mindestens fünf Jahre meines Lebens gekostet, denn dieses Mal saßen wir ganz offiziell in Madox' Wagen und mit uns auch Kia. Selbst sie trug Uniform, steckte in einem schwarzen Kostüm, dass sie so streng und unnahbar machte, dass allein ihr Anblick furchteinflößend war. Zum ersten Mal konnte ich nun also diese Stadt sehen, Capitol City, wie sie es nannten. Ich sah riesige Bauten, dicht an dicht, Glas und Stahl, nicht modern, aber beeindruckend. Nur zwei Straßen weiter fanden sich Stadthäuser, wahre Prachtbauten an gesäumten Alleen, Parkanlagen. Nur Menschen sah ich kaum. Als ich fragte, wo denn alle wären, ermahnte mich Seho, nicht zu starren und Kia, die neben mir auf der Rückbank Platz genommen hatte, hielt meine Finger im unerbittlichen Klammergriff. So blickte ich mit möglichst teilnahmsloser Miene aus dem Fenster, während mein Blick, hinter der Sonnenbrille verborgen, panisch umherhuschte. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als wir die erste Schleuse erreichten. Aber der Wächter, der die monströse Abriegelung bewachte, schenkte Madox kaum einen zweiten Blick. Er nickte, auf den erhobenen Ausweis hin, und winkte uns durch.

Der Markt selbst war wohl in einem Randbezirk der Stadt. Madox setzte uns ab und vereinbarte einen Treffpunkt mit Seho, begleiten würde er uns, aus Sicherheitsgründen wie er erklärte, nicht.

So liefen wir allein los und ich folgte Seho eiligst von Verkäufer zu Verkäufer, während wir uns einen Weg durch dieses Labyrinth aus Zeltplanen, Ständen, Tüchern und unzähligen Gässchen bahnten. Vielleicht hätte ich auch einen gewissen Reiz an diesem Markt gefunden, hätte ihn gerne durchstöbert, wenn mich die Angst nicht begleitet hätte. So beobachtete ich still die Verhandlungen, wie Lebensmittelmarken den Besitzer wechselten im Tausch gegen so banale Dinge wie irgendwelche Ersatzteile für einfachste Werkzeuge, Klingen, Schleifsteine, Kinderschuhe. Ich war, gelinde gesagt, schockiert. Man konnte hier alles kaufen, wenn man Geld, oder noch besser Marken zum Tauschen hatte und trotzdem war der Großteil der Menschen die ich sah abgemagert und ärmlich gekleidet. Die Leute, die an uns vorüberschlenderten sahen kaum anders aus, nur hin und wieder tauchte eine Gestalt auf, die mein Misstrauen weckte. Vielleicht lag es an der Statur, oder auch nur am Schritt. Gelegentlich gab es irgendwo einen warnenden Ruf und plötzlich stoben vereinzelt Menschen auseinander und huschten in die Schatten von Hauseingängen und Nischen. Zweimal bog Seho ohne erkennbaren Grund abrupt ab und zog mich einfach mit sich.

ZeitsplitterWhere stories live. Discover now