Kapitel 3

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-Gwen Williams-


"Und du bist wirklich vor der Frau davongelaufen, obwohl du über ihre Tochter und Praxis hergezogen hast? Gwen, in dir steckt ja doch mehr Teufel als erwartet."

Ich lächelte bloß aufgrund Sophias Kommentar. Im Nachhinein betrachtet, hatte ich mich sehr unprofessionell verhalten und wahrscheinlich würde nicht mal Svetlana schlecht von mir reden müssen, da all die Patienten das Drama live miterlebt hatten. Bisher hatte ich aber bei Rezessionen über meine alte Arbeitsstelle selten meinen Namen aufkommen sehen. Vielmehr wurde sich über die Lautstärke und über das Verbreiten von Gerüchten beschwert. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Svetlana dafür sorgte, dass die schlimmeren Kommentare gelöscht wurden. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sie Patienten mundtot machte.

Obwohl mir nicht sonderlich nach Feiern zu Mute war, nachdem ich zwei Tage lang in meiner Wohnung Stellenanzeigen durchsucht und meine Lebensläufe verschickt hatte, hatte ich Sophia am Ende doch zugesagt. Bisher hatten sich nur zwei Arbeitgeber zurückgemeldet, die leider nach keiner Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt auf die Innere Medizin suchten. Neuerdings war die Anfrage nach Chirurgen höher. Ich fand es schon damals amüsant, dass die ärztlichen Begriffe der Menschen nach einiger Zeit angenommen wurden und wir nach Jahren der gesellschaftlichen Spaltung nicht mehr Heiler hießen. Aber die magische Gesellschaft konnte schon immer schwer definieren, welche Errungenschaften der Menschen für sie ok waren und welche nicht.

Ich lief neben Sophia her, die sich sehr über meinen peinlichen Auftritt in meiner alten Praxis zu amüsieren schien. Wäre meine Aussicht auf einen neuen Job nicht so miserabel, würde ich vielleicht noch mit lachen.

Sie führte mich in eine entlegenere Ecke das magischen Viertels, da dort nach ihrer Aussage der beste Schuppen zum Feiern wäre. Ihre Freundinnen würden dort auf uns warten. Es wunderte mich selbst, dass ich zugesagt hatte, aber wahrscheinlich wollte ich einfach der tosenden Stille meiner Wohnung entkommen. So viel Freizeit hatte ich noch nie in meinem Leben gehabt und ich merkte, dass dieser Lifestyle überhaupt nichts für mich war. Die meisten Ärzte waren geborene Workaholics und ehrlich gesagt war der Job auch nur als solcher auszuhalten. Nun nichts mehr zu tun zu haben und darauf zu warten, dass sich jemand meldete, ließ die Zeit nicht unbedingt schneller vorbeigehen.

Ich beobachtete Sophia, die sich freudestrahlend vor dem mir unbekannten Club in die Arme ihrer Freunde schmiss. Es waren insgesamt fünf und ich wusste, dass alle noch im Studium steckten. Ich war die älteste und einzige mit einem Vollzeitjob. Also ich war die einzige mit einem Vollzeitjob. Nun bin ich die komische alte arbeitslose Freundin. Doch ich versuchte nicht allzu zerknirscht zu wirken und nickte den Mädels zu.

Eine von ihnen kannte ich sogar. Michelle war eine Sumpfnymphe, die in ihrer menschlichen Gestalt eine durchaus schöne Frau abgab, doch wenn sie wie die anderen hier im magischen Viertel ihren Schutzzauber fallen ließ, erkannte man erst, was sich unter dem Schleier verbarg. Tiefschwarze Augen und spitze Zähne blitzen bei meinem Anblick auf. Sie hatte sumpfig graue Haut und lange dicke schwarze Haare, die in einem feuchten Film ihr über den Rücken fielen. Das einzig Menschliche an ihnen allen waren ihre Ausgehklamotten. Passend zum Nachtleben waren sie alle geschminkt und in enge Klamotten geschlüpft, die all ihre Reize anders ausspielte.

Zwei von Sophias Freundinnen waren hübsche Pfauna mit lockigen Haaren und kleinen Hörnern. Die anderen beiden mussten zum Feenvolk gehören. Ihre schlanken Gestalten und die spitzen Ohren waren da die einzigen Hinweise. Ob sie Zugang zur Magie besaßen oder zu einer der Rassen mit den Feenflügeln gehörten, wusste ich nicht. Feen waren bei solchen Fragen immer sehr sensibel und tauschten sich hauptsächlich nur unter ihresgleichen aus.

"So Leute, das ist Gwen. Gwen, das sind Christina, Layla, Angy und Mimi. Michelle kennst du ja schon."

Ich lächelte und hob zur Begrüßung die Hand. Die zwei Feen Christina und Layla wirkten wie zu erwarten etwas abgeklärter. Doch die zwei Pfauna Angy und Mimi schienen netter und lächelten zurück. Ich wusste, dass ich keine herzliche Begrüßung erwarten konnte, dafür sah ich zu menschlich aus. Selbst Hexen, die körperlich den Menschen sehr ähnlich waren, konnten sich meist durch magische Attribute wie auffallend leuchtende Haare oder intensiven Augenfarben schmücken. Wenn man mich dagegen neben eine Hexe stellte, wirkte es so, als hätte man einen grauen Filter über mich gelegt. Aber der größte Unterschied war wahrscheinlich, dass Magie affine Rassen spürten, dass ich keinen Funken Magie in meinem Körper speicherte und dementsprechend auch keinen Zugang zur Magie hatte. An sich wären beide Attribute kein Grund, jemanden sofort auszuschließen, weil viele Rassen heutzutage den Menschen sehr ähnelten oder keinen Zugriff zur Magie hatten. Wer aber beide Attribute besaß, gehörte für viele einfach nicht mehr zur magischen Gemeinschaft. Obwohl das meines Erachtens Blödsinn war. Ich hatte aufgrund meiner Herkunft genauso das Recht wie jeder andere hier zu sein.

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