Kapitel 65

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James hatte nach dem Telefonat sofort eine E-Mail an Miles geschrieben:

„Miles, Henry und Nicholas sind mit dem Auto unterwegs. Glaubst du, du kannst da etwas herausfinden?"

Dann war er aus seinem Büro gestürmt und ein Stockwerk weiter nach oben gerannt. Dort hatte er sich das nächste Büro vorgenommen und die darin vorhandenen Möbel zertrümmert. Seine Wut und Verzweiflung brauchten ein Ventil. Verdammt, Joy war in einem Kofferraum gefangen. James bekam dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf. Ihre Stimme hatte sich so schwach, so kränklich angehört. Es ging ihr nicht gut und dennoch hatte er ihr weismachen müssen, dass er Hansson töten würde. Verfluchte Scheiße! Genau das hatte Joy mit ihrem Fluchtversuch verhindern wollen und er hatte all ihre Hoffnung zerschlagen müssen. Dabei hatte er gar nicht vor, Hansson zu töten. Der Detective hatte genauso ein Recht, zu überleben, wie Joy. Okay, vielleicht nicht ganz. Hätte Hansson von Anfang an anders gehandelt, säße womöglich keiner von ihnen jetzt in diesem Schlamassel fest. Aber darüber versuchte James nicht nachzudenken. Das führte zu nichts, außer blindem Hass und zerstörerischer Wut.

Nachdem James jedes Möbelstück zerstört und eine Weile atemlos auf dem Boden gekauert hatte, raffte er sich wieder auf und beschloss, einen Blick in den Keller zu werfen. Er hatte selbst noch nichts gegessen. Er hatte nur Mills etwas gegeben und dann schnell das Video verschickt. Ob der Polizist wohl schon schlief?

Langsam ging James die Treppen hinunter. Seine Knie fühlten sich weich an.

Verdammt, reiß dich zusammen!

Ihm stand heute noch eine harte Probe bevor und er durfte sich dabei nicht von seinen Sorgen um Joy ablenken lassen. Sonst würde er womöglich etwas schrecklich Unüberlegtes tun.

Im Keller angekommen, warf James zuerst einen Blick auf Mills. Als er näher herankam, sah er, dass dieser die Augen geschlossen hatte. Die Tabletten schienen zu wirken.

„Mills?", fragte er, um sicherzugehen. Der Mann reagierte nicht. James war erleichtert, denn so verging die Zeit für Mills schneller und er musste sich nicht noch länger den Kopf über Dinge zerbrechen, die überhaupt keinen Sinn ergaben, weil James diese Entführung nie selbst geplant hatte, sondern nur Befehle ausführte.

Armer Mills. James konnte sich vorstellen, wie es in seinem Hirn seit gestern Abend ratterte. Er schüttelte den Kopf, ging zum Tisch und nahm sich zwei Scheiben Toast mit Wurst.

„Siehst du, ich bin bei meinem Gefangenen", sagte er schließlich zwischen zwei Bissen in die Kamera. „Aber er schläft. Er war vollkommen übermüdet – verständlicherweise. Nicholas hat ihn schon vor seiner eigenen Entführung auf Trab gehalten und seit er selbst hier ist, hat er vermutlich kaum ein Auge zugetan."

James kaute weiter auf seinem Brot herum. Er hatte keine Ahnung, ob Henry ihm überhaupt zuhörte, aber er wollte ihm eine Erklärung liefern, warum Mills vermutlich die nächsten Stunden tief und fest schlafen würde. Dass James nachgeholfen hatte, durfte er niemals erfahren.

James aß noch ein Brot und trank seine Flasche leer.

„Da hier nichts passiert, gehe ich wieder nach oben. Falls was ist, ruf einfach an", brummte James und verließ den Keller.

Oben angekommen, konnte er es kaum erwarten, seine Mails zu checken. Und tatsächlich hatte er eine E-Mail von Miles.

„Hast du wieder mit Henry telefoniert, oder wieso bist du dir so sicher, dass sie mit dem Auto unterwegs sind? Ich bin auf jeden Fall schon dabei, aber ich mach dir da keine Hoffnungen. Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Viele Gebrauchtwagen werden bar bezahlt. Die Polizei hat bereits alle Autohändler durch und soviel ich weiß, sind sie noch keinen Schritt weiter. Aber ich werde es trotzdem versuchen.
Wie geht es Joy? Konntest du mit ihr sprechen?
Wie du siehst, hast du eine Antwort von dem Detective erhalten. Sehr interessant. Die weitergeleitete Mail siehst du unten.
Dann bis heute Abend, James. Unser Treffen steht noch?"

Im Strudel der Zeit - TodgeweihtWhere stories live. Discover now