Kapitel 8

7 0 0
                                    

Am nächsten Nachmittag saß ich in der Bibliothek und wartete auf Draco, da unsere Nachhilfe heute beginnen würde.

Ich empfand es als Demütigung. Es hätte jeder sein können, warum aber ausgerechnet er?

Mit einem lauten Ruck zog er den Stuhl neben mir hervor und ließ sich nieder, bevor er ein großes Buch auf den Tisch fallen ließ.

„Du siehst scheiße aus, gehts dir gut?", fragte der Junge, ohne mich auch nur anzusehen und blätterte in dem Buch.

„Ach wie nett, Malfoy", seufzte ich die Augen verdrehend. Tatsächlich ging es mir nicht gut. Nach dem Spiel, welches wir gestern auf der Feier gespielt hatten, spürte ich die Übelkeit und brach bestimmt vier Mal auf der Toilette, ehe Hermine mich in unser Zimmer begleitete, wo ich mich erneut in eine Schüssel übergab. Nun saß ich mit enormen Kopfschmerzen in der Bibliothek und musste Draco bei seinem selbstsicheren Geschwafel zuhören.

„Vielsafttrank, damit fangen wir an", begann der Junge und erklärte mir alles, was er darüber wusste.

Nach circa zwei Stunden waren wir mit der Nachhilfe fertig und gingen gemeinsam in die große Halle, da es Zeit für das Abendessen war.

„Ich dachte du hattest einen privaten Lehrer. Wie kommts, dass du nichts über Zaubertränke weißt?", erkundigte sich Draco, während er mich neugierig ansah.

„Ich lernte primär meine Kräfte zu kontrollieren. Zaubertränke bringen mir da nicht viel. Wenn ich mich anstrenge kann ich in deinen Kopf eindringen und dafür sorgen, dass du siehst, wen auch immer ich dich sehen lassen möchte. Wofür bräuchte ich also Vielsafttrank?", fragte ich hypothetisch und ging mit ihm durch die große Tür.

Der Junge zog beeindruckt eine Augenbraue in die Höhe und schmunzelte, ehe es Zeit war, sich zu trennen.

„Bis dann Malfoy", nickte ich ihm zu, während ich den Tisch der Gryffindors anvisierte, um meine Freunde ausfindig zu machen und stellte mir die Frage, woher er das mit dem Privatlehrer wusste.

„Bis dann Leila", sprach auch Draco, ehe er schnell davon ging.

Moment mal. Leila? Er hatte mich zum ersten Mal bei meinem Vornamen angesprochen. Hatte die Zeit, die wir nun zusammen verbracht hatten, seine Einstellung zu mir doch geändert?

„Hey Leila. Na wie war die Nachhilfe mit dem Eisprinzen?", lachte Hermine, ehe sie mir mütterlich Essen auf meinen Teller schaufelte.

„Gar nicht mal so schlimm. Dennoch bin ich sauer, dass du mir keine Nachhilfe gibst", grummelte ich, obwohl ich wusste, dass Hermine selbst nur mittelmäßig talentiert im Brauen von Zaubertränken war.

„Nicht so schlimm? Ihr habt euch nicht in Grund und Boden beleidigt?", fragte Fred nach, welcher zu meiner Linken saß und einen Bissen von seinem Hähnchen nahm.

„Nicht wirklich. Wir haben auch kaum diskutiert. Er hat mir etwas erklärt und danach saßen wir bloß nebeneinander und haben die wichtigsten Infos aufgeschrieben. Wenn wir nicht über Draco reden würden, würde ich sogar sagen, dass es angenehm war", gab ich bekannt und schmunzelte.

Nach dem Essen ging ich schnell auf mein Zimmer. Ich war extrem müde, da ich in der Nacht zuvor bloß vier Stunden schlaf hatte, auch wenn es besserer Schlaf war als sonst, da ich unter der Wirkung von Alkohol stand.

Es war erst 20:00 Uhr, dennoch beschloss ich, zu schlafen. Oder zumindest, es zu versuchen.

Seit ich in Hogwarts war, fiel mir das einschlafen um einiges leichter. Nur die Albträume blieben.

So schreckte ich um 23:33 Uhr hoch und fasste mir panisch ans Herz. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich nicht atmen.

Ein Blick nach rechts verriet mir, dass Hermine seelenruhig schlief. Ein schöner Anblick. So viel Frieden spiegelte sich in diesem Bild wieder. Frieden, den ich scheinbar nicht mehr finden konnte.

Seufzend schlug ich meine Bettdecke zur Seite und setzte mich in meinem Bett auf. In meinem Augenwinkel sah ich den Feuerwhiskey neben Hermines Bett und erinnerte mich, dass sie ihn mir gestern wegnehmen musste, da ich immer mehr trinken wollte, sogar nachdem ich mich übergeben hatte.

Leise schlich ich zu ihrem Bett und griff die Flasche, ehe ich in meine Hausschuhe schlüpfte und unser Zimmer verließ.

Nervös stellte ich fest, dass die Flasche noch fast voll war. Ich hatte gestern zum ersten Mal etwas getrunken, doch konnte bereits jeden Alkoholiker verstehen. Ich hatte das Verlangen, die gesamte Flasche auf Ex zu leeren, nur, damit ich nicht in meine Gedanken gezogen werde. Nicht ein mal hatte ich gestern betrunken an meine Vergangenheit gedacht. Dieses Gefühl wollte ich erneut spüren. Dieses Gefühl musste ich erneut spüren.

Schließlich lief ich die Flure Hogwarts entlang und während mich die Gemälde verurteilend beobachteten, nahm ich einen Schluck nach dem nächsten.

Ich bemitleidete mich selbst, wünschte mir, in dieser Nacht nie das Haus verlassen zu haben. Doch ich konnte es nicht mehr ändern. Es war einfach zu spät.

Ich stand kurz vor dem Weinen, als ich die Treppe zum Astronomieturm hochging. Ich war mir bewusst, dass es der dreizehnte Oktober und somit ein ungerader Tag war, doch das war mir egal. Ich weiß nicht, warum mir der Gedanke Draco auf dem Turm zu treffen, so wenig ausmachte. Noch weniger wusste ich, warum ich sogar hoffte, ihn zu sehen.

Enttäuscht seufzte ich, nachdem ich niemanden auf dem Turm antraf. Niemanden zum Streiten. Ich wollte doch bloß ein wenig Ablenkung. Sie war alles, was ich mir in diesem Moment wünschte.

Nun war es mir klar. Es war nicht der Alkohol, der mich gestern vergessen ließ, sondern die Beschäftigung. Meine Freunde. Ich würde alles dafür geben, um das jetzt gerade zu haben. Um nicht alleine zu sein. Doch hier stand ich, zitternd in einem Top und einer Jogginghose in einer kalten Oktobernacht, in vollkommener Stille nur in Gesellschaft einer Flasche Feuerwhiskey und der eisigen Luft.

Langsam und wie in Trance schnipste ich den Deckel vom Geländer und sah ihm zu, wie er von der Schwerkraft angezogen auf den Abgrund zu steuerte.

„Raven. Es ist ein ungerader Tag", erklärte der Junge hinter mir und brachte mich zum Lächeln.

„Ich weiß", entgegnete ich erleichtert über seine Gesellschaft, da ich nicht wusste was ich gemacht hätte, wäre er nicht gekommen, immerhin sah der Abgrund erneut ziemlich anzüglich aus.

„Okay", sagte Draco und stellte sich neben mich an das Geländer, wodurch er den Feuerwhiskey nun bemerkte.

„Du hast getrunken", stellte der Junge trocken fest und zündete sich eine Zigarette an, von der er einen großen Zug nahm.

„Vielleicht", entgegnete ich ebenfalls trocken und schob ihm die Flasche rüber, um ihm auch etwas anzubieten, ehe er nur den Kopf schüttelte.

„Warum?", erkundigte er sich nun und hielt mir seine Zigarette an, woraufhin diesmal ich es war, die stumm den Kopf schüttelte.

„Ich dachte es hilft mir beim vergessen", gab ich zu und griff zitternd nach der Flasche, um einen weiteren Schluck zu nehmen, auch wenn ich die Wirkung des Alkohols bereits deutlich spürte.

„Dir ist kalt", stellte der Blonde fest und zog seine Strickjacke aus, um sie mir hinzuhalten.

Skeptisch betrachtete ich die schwarze große Jacke, die er über seinem Pullover getragen hatte und nahm sie in meine Hände.

„Warum?", fragte ich verwirrt, während ich seine Jacke anzog und meine zittrigen Hände ich die flauschigen Taschen steckte, ehe ich ihn misstrauisch musterte.

„Weil mir warm und dir kalt ist?", tat Draco es ab, doch ich wusste, dass das nicht alles war. Ich wollte nicht, dass das alles war.

„Oder du hasst mich nicht so sehr, wie du immer sagst?", wollte ich dem Jungen auf die Sprünge helfen, ehe er mich aus seinen grauen Augen ansah.

„Ich hasse dich nicht Leila. Das habe ich nie gesagt", entgegnete er und stieß sich vom Geländer ab, ehe er sich eine zweite Zigarette anzündete und sich auf den Boden sinken ließ.

Wortlos setzte ich mich neben den Jungen und genoss die Ruhe und die Gelassenheit, die er ausstrahlte.

„Du meintest, du willst vergessen. Bist du bereit mir zu erzählen, was du vergessen möchtest?", fragte Draco bittend und ich wusste nicht, ob es der Whiskey oder wirkliches, echtes Vertrauen war, doch ich sah ihm in seine lebendigen Augen und nickte.

„Okay"

„Mi Alma" ~ Draco Malfoy Where stories live. Discover now